Fußballspielen gegen Ausgrenzung
Interview mit Eliane Nascimento von estrela sports. Die Favela-Kickerinnen aus Rio de Janeiro zeigen ihre Künste beim Turnier Discover Football in Berlin
Wie sind Sie zum Fußballspielen gekommen?
Ich spiele nun schon seit 15 Jahren. Fußball in Brasilien ist eine Leidenschaft, wo du hinschaust wird er gespielt, überall in den Straßen. Am Anfang habe ich mit meinen Geschwistern gekickt, später dann in großen Clubs wie Flamengo und Santos. Glücklicherweise hat mich meine Familie unterstützt, aber als Mädchen musste ich trotzdem oft gegen Vorurteile kämpfen. Brasilien ist sehr machistisch geprägt und Fußball eine Männerdomäne.
Sie haben vor zwei Jahren die Organisation Estrela Sports gegründet, mit der Sie jetzt an Discover Football teilnehmen werdet. Was genau macht die Organisation?
Angefangen hat alles mit dem Wunsch, denen zu helfen, die nichts haben, also benachteiligten Kindern und Jugendlichen durch den Sport eine alternative Lebenweise zu ermöglichen. Der Sport ist Teil unserer Gesellschaft, aber Vielen wird der Zugang verwehrt. Das wollen wir ändern. Wir arbeiten in der größten Favela Rio de Janeiros, Rocinha. Im Moment spielen 30 Mädchen und 90 Jungs in unseren Fußballmannschaften, egal welcher Religion oder Hautfarbe. Unser Anliegen ist, den Jugendlichen innerhalb der Favelas das Fußballspielen zu ermöglichen und einen Austausch mit den dort lebenden Menschen zu schaffen.
Was motiviert die Jugendlichen, Fußball zu spielen?
Für die meisten der Jugendlichen ist es eine gute Möglichkeit, die Welt um sich herum für kurze Zeit zu vergessen. Aber viele, insbesondere die Mädchen, müssen kämpfen, um Fußball spielen zu können. Vielen Familien ist es lieber, dass ihre Töchter arbeiten gehen, statt auf dem Bolzplatz zu trainieren. In Brasilien kann man nicht vom Fußball leben, schon gar nicht vom Frauenfußball.
Wie ist die gesellschaftliche Akzeptanz für den Frauenfußball in Brasilien?
Für die Meisten ist er nichts wert, wir erhalten kaum Unterstützung. Aber wir kämpfen! Es geht aber nicht nur uns so, selbst die Nationalelf hat zu kämpfen. Die beste Spielerin, Marta, wurde von unserer Präsidentin Dilma Rousseff eingeladen und erhielt von ihr das Versprechen, den Frauenfußball in Zukunft stärker zu unterstützen – aber bis jetzt hat sich nichts getan. Auch von der FIFA und Brasiliens Fußballverband bekommt der Frauenfußball kaum Unterstützung.
Ist der Frauenfußball eine Chance, verfestigte Geschlechterverhältnisse aufzubrechen?
Ja, ich glaube schon. Er zeigt, dass die Mädchen und Frauen, die Fußball spielen, stark sind. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind sehr groß, aber wir haben die Hoffnung, dass der Frauenfußball daran etwas ändern wird. Jeden Tag erkämpfen wir einen kleines Stück mehr und erhalten mehr Raum in der Gesellschaft.
Infokasten:
Discover Football
„Die kleine WM in Kreuzberg“ hat die Zeitschrift 11 Freundinnen das Turnier Discover Football („Entdecke Fußball“) genannt. Bei der Veranstaltung, die vom multikulturellen Fußballverein BSV AL-Dersimspor aus Berlin-Kreuzberg organisiert wird, spielen acht Frauenteams aus aller Welt eine Woche lang um den Turniersieg. Die Teams wurden aus 40 Bewerbungen von einer Jury unter Vorsitz von DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und Ex-Nationalspielerin Steffi Jones ausgewählt. Neben Estrela Sports nehmen Teams aus Frankreich, Togo, Ruanda, Indien, Kamerun, Israel/Jordanien/Palästinensische Gebiete und das Heimteam Discover Football aus Berlin/Brandenburg teil. AL-Dersimspor rückte erstmals 2006 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, als das Frauenteam in Teheran gegen die Nationalelf der Islamischen Republik Iran spielte – deren erstes Spiel in einem öffentlichen Stadion des Landes seit 1979. Dies wurde in dem preisgekrönten Kinofilm „Football Under Cover“ dokumentiert. Discover Football findet vom 27. Juni bis 3. Juli 2011 im Willy-Kressmann-Stadion (ehemaliges Katzbachstadion) in Berlin statt. Weitere Informationen unter www.discoverfootball.de
// Dominik Zimmer