„Pelé im Rock“
Der lateinamerikanische Frauenfußball zwischen Superstar-Verehrung und Machismo
„Marta ist Pelé“. Dieses Zitat stammt von niemand Geringerem als Pelé, dem König des Fußballs höchst selbst, und sagt einiges über die technische Klasse des brasilianischen Frauenfußballstars Marta. Pelés sogleich nachgeschobene Erklärung hingegen beschreibt das Ansehen des Frauenfußballs in Lateinamerika sehr treffend: „Sie ist allerdings ein Pelé de Saias („Pelé im Rock“) und hat schönere Beine als ich“, findet er. Diese Einschätzung weist nicht nur auf eine offensichtliche Sehschwäche Pelés hin (auch in Brasilien spielen Frauen Fußball vorzugsweise in kurzen Hosen), sondern vor allem darauf, dass machistische Strukturen und Vorurteile von Fans, GeldgeberInnen und auch Verbänden in Lateinamerika den Frauenfußball in seiner Entwicklung behindern. Attraktivität schreiben Viele der Sportart erst in zweiter Linie aufgrund der sportlichen Leistungen zu.
Aus der Reihe fallen die lateinamerikanischen Länder damit allerdings nicht. Kickende Frauen hatten es auf der ganzen Welt seit jeher schwer, sich neben ihren männlichen Kollegen gleichberechtigt zu behaupten. Auch die FIFA wartete bis 1991 mit der Ausrichtung der ersten Frauen-Weltmeisterschaft. Seither machte unter den lateinamerikanischen Teams vor allem Brasilien von sich reden, obwohl der ganz große Wurf noch nicht gelang. Drei unglückliche Niederlagen in den Finals der Olympischen Spiele 2004 und 2008 (jeweils nach Verlängerung gegen die USA) sowie dem der WM 2007 (gegen Deutschland) gingen einher mit dem Aufstieg von Weltstars wie WM-Torschützenkönigin Cristiane und vor allem der alles überragenden fünffachen Weltfußballerin Marta Vieira da Silva.
Die vermutlich beste Fußballerin aller Zeiten ist ein Symbol für den Frauenfußball in Lateinamerika und weltweit und nicht zufällig die erste Frau, deren Fußabdrücke auf dem „Fußball-Walk of Fame“ vor dem legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro in Zement gegossen wurden. Marta ist ein Glücksfall für den Frauenfußball und doch strahlt ihr Glanz bei Weitem nicht in die Nischen, in denen weibliche (National-)Teams in Lateinamerika häufig ihr Dasein fristen oder löst gar die Probleme, mit denen sich Frauen in Fußballteams dort herumärgern müssen. Das zeigen einige typische Fälle aus verschiedenen Ländern: In Panama verloren 2007 SponsorInnen plötzlich mitten in der laufenden Erstligasaison das Interesse am Frauenfußball, drei Teams gingen sofort Pleite. In Chile gab es bis 2003 nicht einmal im regionalen Bereich organisierte Frauenfußballligen. Und in Ecuador wurde erst 2010 zum ersten Mal eine Frau in den offiziellen TrainerInnenstab eines Nationalteams berufen. Qualifiziert war sie dafür mehr als ausreichend: Marlene Ayala hatte zum Zeitpunkt ihrer Berufung zur Co-Trainerin der U 17 –Frauennationalelf bereits 42 TrainerInnendiplome vorzuweisen.
Diese Liste ließe sich problemlos verlängern. Dennoch geht die fußballerische Entwicklung auch außerhalb Brasiliens in den meisten Ländern langsam aber stetig voran. Gute Beispiele dafür sind die Länder, die bei der WM 2011 in Deutschland antreten werden: Kolumbien ist zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert und setzte sich dabei unter anderem gegen Argentinien durch. Und die Mexikanerinnen zeigten bereits durch einen Sieg in der Qualifikation gegen die USA, dass sie seit der ersten und einzigen Teilnahme 1999 einen großen Schritt nach vorne gemacht haben (damals setzte es drei Niederlagen bei ernüchternden 1:15 Toren). Auch auf Klubebene tut sich etwas: 2009 wurde der kontinentale Klubwettbewerb Copa Libertadores (entspricht der europäischen Champions League) für Frauen eingeführt. Setzt sich der Trend fort, müssen die männlichen Fußballstars in Lateinamerika zwar erst einmal nicht darum fürchten, ihren Status gänzlich zu verlieren. Transparente wie bei der letzten Südamerika-Meisterschaft könnten aber bald öfter zu sehen sein. Dort schrieb ein Fan im Maracanã auf sein Plakat: „Ich habe zwar nie Pelé spielen sehen – aber dafür Marta!“