Berlinale

Grunzend gegen den SUV

Absurde Figuren, lächerlicher Plot: Die brasilianische Sozialsatire Propriedade geht total nach hinten los

Von Dominik Zimmer

Foto: Vilarejo Filmes

Roberto ist enttäuscht. Da hat er seiner Frau Teresa nicht nur einen nagelneuen Geländewagen gekauft, sondern ihn auch noch mit Panzerglas und Sprachsteuerung ausgestattet. Und sie zieht immer noch ein Gesicht, als hätte es ihr in die Suppe geregnet. Nach einem brutalen Raubüberfall mit tödlichem Ausgang für ihren Angreifer ist Teresa traumatisiert. Selbst schärfste Sicherheitsmaßnahmen flößen ihr kein Vertrauen ein. Trotzdem geht es für das gut betuchte Hipster-Ehepaar aus Recife im neuen Gefährt jetzt aufs familieneigene Landgut. Nicht ahnend, dass sich dort ein Sturm zusammenbraut. Denn Roberto will aus dem Anwesen ein Luxusressort machen und die dort seit Jahrzehnten quasi in Leibeigenschaft lebenden und arbeitenden Angestellten loswerden. Noch bevor der Geländewagen ankommt, bricht auf der Farm das Chaos aus. Ehe sich Teresa versieht, sitzt sie getrennt von ihrem Mann in ihrem scheinbar sicheren SUV in der Falle. Von dort muss sie hilflos zusehen, wie die Situation immer weiter eskaliert und außer Kontrolle gerät.

Der brasilianische Film Propriedade (Eigentum) in dem das alles passiert, ist leider komplett unglaubwürdig. So sehr, dass man sich ernsthaft fragt, was Regisseur und Drehbuchautor Daniel Bandeira eigentlich in den Cachaça gekippt wurde. Geplant wohl als Sozialsatire im Stil des großartigen Bacurau (2019) funktioniert Propriedade hinten und vorne nicht. Hauptsächlich liegt das an den krass überzeichneten Figuren, die völlig außer Rand und Band sind und grundlos brutal, hysterisch, sinnbefreit oder einfach strohdumm handeln. Währenddessen leidet der Plot unter der völlig unrealistischen Situation um die im Auto eingeschlossene Teresa, um die er zentriert ist. Die Angestellten wollen sie am Wegfahren hindern, haben aber offensichtlich noch nie davon gehört, dass man bei einem Auto die Räder abmontieren oder wenigstens die Reifen zerstechen kann. Während Teresa (warum auch immer) plötzlich unter einem schweren Fall von Spontanamnesie zu leiden scheint. Selbst das größte Trauma kann nicht erklären, warum sie nicht einmal versucht, das Auto per Sprachsteuerung mit dem Lied zu starten, das Roberto bei der Abfahrt aus Recife laut und deutlich gesungen hat. Später fällt es ihr zwar wie aus dem Nichts wieder ein, sie verpasst aber weiter reihenweise die dicksten Chancen, aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Oft hat man das Gefühl, die Personen handeln nur wie sie handeln, weil es für das Drehbuch eben gerade nötig ist.

Das Hauptproblem an Propriedade ist, dass Daniel Bandeira sich nie entscheidet, ob der Film ernst genommen werden soll oder nicht. Mal diskutieren die Landarbeiter*innen durchaus vernünftig ihre berechtigten Sorgen. Dann malträtiert wieder einer der Angestellten wie ein wildgewordener Berseker zum x-ten Mal erfolglos mit Axt oder Gewehr den SUV oder rennt grunzend (!) über das Gelände. Dass der Film aufgrund der sozialkritischen Zwischentöne offensichtlich keine reine Farce sein möchte, macht die Darstellung der überwiegend Schwarzen Angestellten als gewalttätige und enthemmte Hillbillies hochproblematisch. Denn ihre Ausbeutung erhält dadurch eine nachträgliche Rechtfertigung, während die Weißen Großgrundbesitzer*innen je länger der Film dauert, zunehmend als rationale, unschuldige Opfer erscheinen. Dies Daniel Bandeira als gewollt auszulegen, wäre wahrscheinlich nicht fair. Dass Propriedade dennoch so verstanden werden kann, reicht aus, um von einem Kinobesuch dringend abzuraten.

Propriedade, Brasilien 2022, Panorama, 101 Minuten, Regie: Daniel Bandeira

LN-Bewertung: 1/5 Lamas

Triggerwarnung: Exzessive Gewaltdarstellungen

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren