Intergalaktisches in Spanien
Interview mit Tom Kucharz, Mexiko-Gruppe Dresden
Seit dem Treffen in Chiapas hat man wenig gehört aus Mexiko und von denjenigen, die sich frischen Wind für die Linke aus dem Lakandonischen Urwald erwarten. Welche Initiativen bereitet Ihr momentan vor?
Auf einer europäischen Sitzung in Zürich wurde letzten Dezember von 160 Delegierten von 54 Gruppen aus 14 europäischen Ländern vereinbart, den Beschluß von Chiapas umzusetzen, ein „2. Interkontinentales Treffen gegen den Neoliberalismus und für eine menschliche Gesellschaft“ in Europa zu organisieren. Wir einigten uns auf den Vorschlag, das Treffen vom 26. Juli bis zum 3. August in Spanien durchzuführen. Auf einer ähnlich gut besuchten zweiten Sitzung Anfang März in Barcelona haben wir das Projekt konkretisiert. Unser Vorschlag ist jetzt, eine zentrale Auftaktveranstaltung in Madrid zu machen, dann über mehrere Tage thematische Diskussionen in verschiedenen Städten durchzuführen und zum Abschluß alle TeilnehmerInnen in einem von LandarbeiterInnen besetzten Landstrich in Andalusien wieder zusammentreffen zu lassen. Über diesen Vorschlag führen wir momentan eine weltweite Befragung durch, weil es uns sehr wichtig ist, zu erfahren, was andere Gruppen und Einzelpersonen davon halten.
Die technische Organisation des Treffens ist eine Sache, die andere allerdings, welche inhaltliche Debatten man führen möchte. Sieht es da nicht ein bißchen dünn aus?
Die Befragung dient auch dazu, die Inhalte des nächsten Interkontinentalen Treffens näher zu bestimmen. Bei der nächsten Vorbereitungssitzung, die wir an Ostern in Prag durchführen werden, wird die Befragung dann ausgewertet. Prag haben wir übrigens ausgewählt, weil es uns sehr wichtig ist, mehr osteuropäische Gruppen einzubeziehen. Über die inhaltliche Diskussion entscheiden diejenigen, die sich in die Vorbereitung des Treffens einmischen und daran teilnehmen. Bisher ist der Diskussionsstand, daß zu den Themen große Arbeitsgruppen gebildet werden sollen, die bereits in Chiapas im Mittelpunkt standen. Dies sind beispielsweise: die Wirtschaft und ihre Horrorgeschichten, Bewegungen in der Kultur – vom Farbtupfer zum Cyberspace, sowie die grundlegende Fragestellung: Welche Politik brauchen wir? Letztlich hat das „Zweite Interkontinentale Treffen“ bereits begonnen, denn die Diskussionen im Vorbereitungsprozeß sind genauso wichtig wie das Treffen an sich.
Gibt es eigentlich eine inhaltliche Diskussion zwischen den europäischen Gruppen und den Zapatistas?
Das ist schwierig. In Chiapas ist die Situation militärisch und politisch sehr gespannt, und das erschwert die Bedingungen für eine Debatte ganz erheblich. Schließlich kämpfen die Zapatistas um das Überleben und da gerät die inhaltliche Diskussion oft in den Hintergrund. Aber ich bekomme mit, daß verschiedene Gruppen aus Europa einen regen Kontakt mit den Zapatistas pflegen und eine politische Diskussion führen. Die EZLN hat uns zur Vorbereitungssitzung nach Barcelona eine Grußbotschaft per Video geschickt und sie hat auch betont, auf jeden Fall eine Delegation aus Chiapas zum Interkontinentalen Treffen nach Spanien zu senden.
Welche politischen Organisationen in Spanien tragen die Idee des Treffens? Hier in der Bundesrepublik sind es ja nur sehr wenige und zudem schwache Gruppen, die sich bisher für die Initiative interessieren.
Mittlerweile sind auf internationaler Ebene nicht nur die Solidaritätsgruppen in den Prozeß eingebunden, sondern eine Reihe von Gruppen aus verschiedenen sozialen Bewegungen und viele Einzelpersonen. Im spanischen Staat reicht das Spektrum von HausbesetzerInnen, Leuten, die sich in der Bildungspolitik engagieren, Frauenprojekten und Gewerkschaftlern bis zu den LandbesetzerInnen in Andalusien. Dort unterstützen ganze Dörfer die Zapatistas, auch im Baskenland ist das Interesse sehr groß. Allein in Madrid haben sich im Januar 220.000 Menschen an der Befragung über das geplante „Zweite Interkontinentale Treffen gegen den Neoliberalismus und für eine menschliche Gesellschaft“ beteiligt.