Brasilien | Nummer 583 - Januar 2023 | Umwelt & Klima

LICHT UND SCHATTEN

Brasiliens neu gewählter Präsident feiert bei der Klimakonferenz sein Comeback auf der internationalen Bühne

Nach dem Klimagipfel COP27 in Scharm El-Scheich steuert die Welt weiterhin auf eine katastrophale Erderwärmung zu. Einziger Hoffnungsschimmer: Brasiliens neue Klimapolitik.

Von Claudia Horn

Hoffnungsschimmer auf der COP27 Lula da Silva stellt die neue Klimapolitik Brasiliens vor (Foto: Oliver Kornblintt/Midia Ninja via Flickr, CC BY-SA 4.0)

Angesichts der düsteren Aussichten mit Blick auf den Klimawandel, an denen auch das Zusammenkommen von 197 Staaten auf der 27. Weltklimakonferenz nichts geändert hat, war der Führungswechsel in Brasilien ein willkommener Lichtblick. Schließlich ist Brasilien die Heimat der „grünen Lunge“ der Welt – des Amazonas. Nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen Ende Oktober nutzte der neu gewählte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei (PT) die Gelegenheit, zu bekräftigen, dass sich seine neue Regierung der Klimapolitik verpflichtet. Sein Vorgänger, der rechtsextreme Klimawandelleugner Jair Bolsonaro, hat eine verheerende Klimabilanz hinterlassen. Für Lula war die Reise nach Ägypten kurz vor seinem Amtsantritt ein günstiger Moment. Ab Januar muss er sich auf Kompromisse der breiten Allianz seiner Regierungskoalition einlassen.

Innenpolitisch hat sich Lula auf der Klimakonferenz und in anderen Reden zu Klima- und Umweltmaßnahmen verpflichtet. Eine Wiederauf- nahme des Aktionsplans zur Verhinderung und Kontrolle der Entwaldung in den drei Biomen des sogenannten Amazônia Legal (PPCDAm) ist zu erwarten. Eingeführt 2004 während der ersten Lula-Regierung, waren in den vorangegangenen Amtszeiten Emissionsreduzierungen von historischem Ausmaß erreicht worden. Außerdem kündigte Lula die Gründung eines Ministeriums für indigene und traditionelle Völker an. Gemeinsam mit Deutschland und Norwegen wird Brasilien den Amazonienfonds wieder auflegen, den Lula als Präsident 2008 gegründet hatte und den Bolsonaro 2019 abschaffte. Dieser Fonds war eine Alternative zum Emissionshandel und ein bedeutendes Beispiel für Nord-Süd-Transfer zur Finanzierung des Waldschutzes. Im Gegensatz zu Marktmechanismen liegt die Kontrolle der finanziellen Mittel beim Empfängerland Brasilien, das damit öffentliche strukturelle Maßnahmen sowie lokale Initiativen unterstützt, ohne Emissionskredite an Geber zu gewähren.

Der außenpolitische Schwerpunkt früherer PT-Regierungen lag auf Kooperation zwischen Ländern des Globalen Südens, Frieden, Diplomatie und multilateraler Zusammenarbeit. Lulas neue Regierung hat versprochen, diesen Geist wiederzubeleben.

Auf der COP27 kritisierte der neu gewählte brasilianische Präsident die Geberländer des Globalen Nordens scharf dafür, dass sie sich weigern, die zugesagten Zahlungen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Entwicklungsländer zu leisten. Die Vereinten Nationen sowie die Mechanismen zur Finanzierung der durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden müssten so reformiert werden, dass die territoriale Integrität der Länder des Globalen Südens respektiert würde. „Wir sind offen für eine internationale Zusammenarbeit zur Erhaltung unserer Biome. Aber immer unter der Führung Brasiliens, ohne jemals auf unsere Souveränität zu verzichten“, so Lula in Ägypten. Ähnlich wie zuvor die Präsidenten von Kolumbien und Venezuela schlug Lula eine Allianz für regionale Entwicklung, Integration und den Schutz des Regenwaldes vor. Er brachte außerdem die Idee ein, die COP30 im Jahr 2025 im brasilianischen Amazonas abzuhalten. Mit diesem Schritt würde die Notwendigkeit einer angemessenen Rolle der Region und seiner Bevölkerung anerkannt, denn die Entscheidungen über die Entwicklung des Amazonasgebiets werden oft aus weiter Ferne getroffen.

Lula verteidigte den Klimaaktivismus in seiner Rede auf der COP27 nicht, sondern dankte der ägyptischen Gastgeberregierung. Dennoch wird die internationale Führungsrolle Brasiliens gemeinsam mit anderen Ländern des Globalen Südens entscheidend sein, um Multilateralismus und Frieden, den Kampf gegen den Hunger, Umweltschutz und Gleichberechtigung zu fördern. Im eigenen Land sieht sich seine Regierung jedoch mit einem starken Block der Agrarwirtschaft und einer schwachen Umweltfraktion im Parlament konfrontiert.

Lula bezeichnete die Agrarwirtschaft als strategischen Verbündeten und reiste mit Helder Barbalho, dem Gouverneur des Amazonasstaates Pará, zum Gipfel. Barbalho ist ein Verfechter eines marktwirtschaftlichen Ansatzes für die Bioökonomie, der der Agrarindustrie keine Beschränkungen auferlegt. Zudem soll im Bundesstaat Pará auf dem Fluss Tocantins eine Wasserstraße für den Transport und Export von Soja und Mineralien entstehen. Der Bau würde den Fischbestand und Boden zerstören, und damit die Lebensgrundlage der indigenen und traditionellen Gemeinden der Fischerinnen und Kleinbäuerinnen. Ebenso ist die Wiederbelebung der Fernstraße BR-319 geplant, die die Bundesstaaten Amazonas und Rondônia verbindet – genau in der Region, in der es starke Entwaldung gibt. Um Lulas Versprechen einer gerechteren und menschlicheren Welt tatsächlich einzulösen, wird es also nationalen und internationalen Druck brauchen.

Die nächste brasilianische Regierung ist eine große Chance für die Integration, Reindustrialisierung und sozialökologische Transformation der Region und der Stärkung des Mercosur-Blocks. Das agrarwirtschaftliche Modell der Region wirkt sich negativ auf alle Biome aus, nicht nur in Amazonien. Es sind Konzerne wie Bayer und BASF, die mit dem Export von Pestiziden und transgenen Arten davon profitieren. Sie sind es auch, die den Abschluss des neoliberalen EU-Mercosur Freihandelsabkommens gemeinsam mit den brasilianischem Agrarkonzernen vorantreiben. Dieses steht der sozialökologischen Entwicklung der Region jedoch entgegen. Die EU-Kommission und wahrscheinlich auch eine unter Druck stehende brasilianische Regierung werden den kolonialistischen Vertrag als grün darstellen, obwohl die Auswirkungen für Brasilien verheerend wären.

Auch wenn die sozialen Bewegungen Brasiliens mit der Wahl Lulas einen Sieg gegen eine faschistische Gegenbewegung errungen haben, ist man sich sicher, dass auch weiterhin Druck ausgeübt werden muss. Dabei erwarten sie die verantwortungsbewusste Solidarität der Zivilbevölkerung besonders in Europa.

Eine längere Fassung dieses Artikels erschien am 23. November 2022 bei Jacobin


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