Lyrik aus Lateinamerika
Ein Gedicht von Powerpaola
Hermana
Haremos el viaje.
Caminaremos juntas atravesando la cordillera.
El recorrido lo haremos sincronizadas
como si fuera una coreografía
de dos bailarinas guerrilleras
en medio de las montañas.
Hablaremos con los ojos,
sabremos qué camino tomar en cada encrucijada.
No le tendremos miedo a los abismos,
hemos saltado un par y nadado en medio del río caudaloso
donde varias piedras se tropiezan unas con otras.
Ahí descansaremos,
miraremos como el río sigue su camino y fluye en el medio del cañón.
Beberemos su agua transparente,
nos reflejaremos en el río y lloraremos caudales de mares.
Haremos el camino real que va del cielo a la tierra
y nos inventaremos la cima.
Acumularemos cristales unos sobre otros,
le rezaremos a la madre de nuestras madres,
a la que se aisló
por una justa causa,
si una causa es justa.
Respiraremos ese aire nítido que llena los pulmones
que viene desde las raíces de los árboles
para limpiar cada bronquio.
Recogeremos flores y haremos un ramo que dibujaremos en medio de una hoguera.
Dormiremos a la intemperie
en medio de la noche salvaje.
Hermana, ese camino lo debemos hacer pronto
antes de que no sea posible,
antes de que se convierta en otro país
y nosotras
en otras.
Schwester
Wir werden auf Reise gehen.
Gemeinsam wandern, die Kordilleren überqueren.
Die Strecke synchron laufen
als wäre es die Choreografie
zweier Guerilla-Tänzerinnen
mitten in den Bergen.
Wir werden mit den Augen sprechen,
an jeder Abzweigung wissen, welchen Weg wir nehmen.
Wir werden keine Angst vor den Abgründen haben,
über ein paar sind wir schon gesprungen und im schäumenden Fluss geschwommen
wo die Steine übereinander kullern.
Dort werden wir rasten,
schauen, wie der Fluss seinem Lauf folgt und durch den Canyon fließt.
Wir werden sein klares Wasser trinken,
uns in dem Fluss spiegeln und Meeresströme weinen.
Den Königsweg werden wir nehmen, der vom Himmel zur Erde führt
und seinen Gipfel erfinden.
Wir werden Kristalle aufeinander türmen,
zur Mutter unserer Mütter beten,
die fortging,
für einen gerechten Zweck,
wenn denn ein Zweck gerecht ist.
Wir werden unsere Lungen füllen, mit dieser klaren Luft
die den Wurzeln der Bäume entströmt
und uns die Bronchien reinigt.
Wir werden Blumen pflücken und einen Strauß binden, den wir zeichnen, mitten in einem Feuer.
Wir werden unter freiem Himmel schlafen
irgendwo in der wilden Nacht.
Schwester, diesen Weg werden wir bald gehen müssen
bevor es unmöglich wird,
bevor dies sich in ein anderes Land verwandelt
und wir uns
in andere.
Powerpaola, geboren in der Mitte der Welt und aufgewachsen in Kolumbien. Sie experimentiert künstlerisch mit Text und Bild. Autorin von Virus Tropical (2011, 2022 auf Deutsch erschienen), Por Dentro (2012), Diario (2013), qp (2014), Todo Va a Estar Bien (2015), Nos vamos (2016), und Todas Las Bicicletas que tuve (2021). Ihre Arbeit behandelt Themen wie Sexualität, Familie, Migration, Feminismus und Identität.
Jara Frey-Schaaber, ist sein fünf Jahren Teil der LN-Redaktion. Dey hat in dem von Powerpaola an der FU Berlin unterrichteten Seminar „I‘m not talking about me (but also)“ die Begeisterung fürs Zeichnen entdeckt.
Lea Hübner, Magistra Artium der Lateinamerikanistik mit Schwerpunkt Brasilien, seit 2004 freie Übersetzerin für Spanisch und Portugiesisch. Befasst sich Genres wie Erzählung, Graphic Novel, Kinderbuch, Essay, Lyrik. Sie lebt in Berlin, wo sie auch als Dolmetscherin, Moderatorin, Kuratorin, Dozentin und Comicverkäuferin tätig ist.