LYRIK AUS LATEINAMERIKA
Mi vida sin mí – Ein Gedicht von Ana Llurba
Illustration: Joan Farías Luan (www.cuadernoimaginario.cl)
MI VIDA SIN MÍ
en la casa de mi madre
la humedad hizo que el techo cediera
sobre las cajas de cartón con mis viejos diarios
donde mi gemela desconocida
la que habita este lugar cuando no estoy
dejó escrito tu nombre en letra cursiva
lo deletreo y me siento una encargada del mantenimiento de mí misma
que persigue sus recuerdos escabulléndose como diminutas lagartijas
de una puerta a otra de la mente
hasta tropezar con una habitación donde mi madre
comparte un rincón con mis muñecas
esos cadáveres de nenas momificados
y pinta rosas realistas
mientras yo escucho cedés de autoestima
y olas de mar
me ajusto el camisón
con un hilito de piel muerta
el mismo que nos ata
a este cuarto con humedades
en la soledad sin fin
de la vida adulta
MEIN LEBEN OHNE MICH
im Haus meiner Mutter
gab die feuchte Decke schließlich nach
über den Kartons mit meinen alten Tagebüchern
in denen meine unbekannte Zwillingsschwester
die diesen Ort bewohnt wenn ich nicht da bin
in Schreibschrift deinen Namen hinterlassen hat
ich buchstabiere ihn und fühle mich wie meine eigene Selbsterhaltungsbeauftragte
die ihren Erinnerungen nachjagt und wie winzige Eidechsen
von einer Tür des Geistes zur nächsten huscht
bis sie auf einen Raum stößt in dem meine Mutter
eine Ecke mit meinen Puppen teilt
diese Mädchenleichen mumifiziert
und realistisch rosig
während ich mir Selbstwert-CDs
und Meeresrauschen anhöre
nähe ich mir das Nachthemd enger
mit einem Fädchen toter Haut
dasselbe das uns
an dieses feuchte Zimmer bindet
in der endlosen Einsamkeit
des Erwachsenenlebens
Ana Llurba (Córdoba, Argentinien, 1980) hat den Gedichtband Este es el momento exacto en que el tiempo empieza a correr (2015), den Roman La puerta del cielo (2018) und den Erzählband Constelaciones familiares (2020) veröffentlicht. Sie studierte Moderne Literatur in Argentinien sowie Literaturtheorie und Verlagswesen in Barcelona. Derzeit arbeitet sie im Verlagsbereich, schreibt für verschiedene Kulturmedien und koordiniert Schreib- und Leseworkshops.
Mehr nachzulesen gibt es auf ihrer Internetseite: www.anallurba.net.
Die Übersetzung des Gedichts entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops der Latinale 2020 und wurde von den Übersetzenden Andrea Blanco, Luisa Donnerberg, Ebru Sönmez und Sebastian Wittkopf für diese Veröffentlichung noch einmal überarbeitet.