Menschenjagd hinter Mauern
Der mexikanische Film La Zona thematisiert die Grenzen des Reichtums, der Macht und Moral
Eine hohe Mauer, gekrönt von einem Stacheldrahtgeflecht und Überwachungskameras, trennt ein reiches Viertel in Mexiko Stadt von der restlichen Armut. Eine Gated Community, die geschaffen wurde, um Sicherheit und Frieden in einer lärmenden und gefährlichen Gesellschaft zu waren, riegelt sich gegen typische, lateinamerikanische Armutsgebiete ab. Der Zugang ist nur für autorisierte Personen über eine Schleuse möglich. In einem nächtlichen Sturm wird diese Grenze zwischen den beiden Welten durch einen umstürzenden Strommast durchbrochen, der für drei Bewohner des Armenviertels zu einer Brücke zum vermeintlichen Reichtum wird und ihnen die undurchdringbar scheinende Mauer öffnet, um die Bewohner der anderen Seite zu berauben. Doch statt der erhofften Beute erwartet zwei der drei Grenzgänger der unmittelbare Tod. Der Dritte versucht sich tagelang in der Parallelgesellschaft zu verstecken, die ihn eliminieren will. Dadurch wird nicht nur ein Bruch zwischen den beiden Welten gezeichnet, sondern es zeigt auch den BewohnerInnen der Gated Community die Grenzen ihrer Menschlichkeit auf. Die Armen nutzen ihre Chance, um sich zu bereichern, aber die Reichen töten, wenn es nötig ist, um ihre selbsterschaffene Ordnung und Sicherheit zu erhalten.
Rodrigo Plás La Zona wirft die Frage auf, wer die wahren Kriminellen sind und wie die Eigendynamik einer Gruppe Moral und Humanität auslöschen kann. Da die Autarkie der Gemeinschaft nur erhalten bleibt, solange kein Konflikt mit den Gesetzen der Meta-Gesellschaft entsteht, wird es zum obersten Ziel, den letzten Eindringling zu eliminieren und auch diesen Mord zu verschleiern. Der Film zeichnet eine fast hysterische Menschenjagd nach dem dritten Jungen, der sich in einem Keller versteckt und lediglich zu seiner Familie zurückkehren will. Ähnlich wie in Goldings Herr der Fliegen wandelt sich durch die Dynamik der Gruppe eine friedliche Gemeinschaft zu einem totalitären, grausamen System. Die Ermordung wird von einer Autorität beschlossen, Mitläufer fügen sich der Entscheidung, Gegner werden bedroht und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Momente der Reflexion und der Reue werden gegen Ende des Filmes bei einigen Figuren intensiver, die Mehrheit der BewohnerInnen bleibt jedoch überzeugt, nur durch die Eliminierung des Eindringlings und die Vertuschung der Vorkommnisse ihre Position wahren zu können. Alejandro, ein reicher Teenager, sieht als einziger den Eindringling als Mensch an. Er bietet ihm Schutz und Nahrung, filmt eine Art Geständnis des Einbrechers und entscheidet sich letztlich gegen das System.
Problematisch bleibt der Film nicht aufgrund seiner Thematik, sondern durch die cinematographische Umsetzung. Die Zeichnung der Figuren bleibt flach, womit die Auseinandersetzung mit dem Schuldbewusstsein nicht zwingend nachvollziehbar wirkt. Die Stereotypisierung zeigt sich in der Konstruktion des Reich-Arm-Kontrasts, aber auch in der Korruptheit der Behörden. Das Konzept der abgegrenzten Zone wird kaum thematisiert, was deren BewohnerInnen lediglich als paranoid und gleichzeitig ein- wie ausgesperrt stilisiert. Es findet keine intensive Auseinandersetzung mit der Politik oder Ethik der beiden Gesellschaftssysteme statt, womit sich der Film nur in einem vagen Raum zwischen Dokumentation einer gesellschaftlichen Konstruktion und präventiver Kritik einer Zukunftsvision verorten lässt. Plá bemerkte in einem Interview, dass ihm die Thematisierung der Abgrenzung wichtig war – eine weniger schematische Auseinandersetzung mit der Gated Community hätte wohl auch einen intensiveren Diskurs hervorgerufen.
// Barbara Buxbaum, Natalia Guzmán Díaz
Rodrigo Plá // La Zona // 97 Min, Mexiko 2007 // Kinostart: 11. Dezember 2008