Mord mit Ankündigung
Sprecher des Widerstands gegen Silbermine in Oaxaca ermordet
Die Attentäter_innen lauerten in einem Hinterhalt. Bernardo Vásquez Sánchez befand sich am 15. März auf der Rückreise von Oaxaca-Stadt, als Unbekannte seinen Wagen abpassten und ihn mit Schüssen in den Rücken töteten. Zwei Mitreisende wurden schwer verletzt. Der 32-jährige Vásquez hatte als Sprecher der Koordination der Dörfer des Tales von Ocotlán (COPUVO) mächtige Feinde. Seine Organisation kämpft gegen die Ausbeutung der Silbermine in der Gemeinde San José del Progreso im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca, da sie negative Auswirkungen auf die Wasserversorgung und andere Umweltschäden befürchten. Hinzu kam, dass das Projekt des kanadischen Konzerns Fortuna Silver ohne vorherige Konsultation der lokalen, meist indigenen Bevölkerung begonnen wurde. Seither war die Gemeinde in Befürworter_innen und Gegner_innen gespalten, die gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Gruppen eskalierten immer weiter (siehe LN 453).
Hingegen befürwortet die gesamte politische Klasse Oaxacas die Ausbeutung der Mine. Der lokale Bürgermeister von der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) ließ im Januar gar private Pistoleros und Polizei auf protestierende Minengegner_innen schießen. Dabei wurde der 52-jährige Bernardo Méndez Vásquez tödlich verletzt, bei ihm handelte es sich um den Onkel des nun erschossenen Bernardo Vásquez. Letzterer hatte damals gegenüber lokalen Alternativmedien geäußert, sein Onkel sei das Opfer einer Verwechslung gewesen, die Schüsse hätten eigentlich ihm gegolten. Die ortsfremden Pistoleros hätten auf die Ansage „Jetzt kommt Bernardo“ das Feuer auf seinen Onkel eröffnet, bis ihre Magazine leer waren.
Vásquez‘ Tod war ein Mord mit Ankündigung. Bereits vor einigen Wochen hatte der Aktivist ein Video mit Morddrohungen erhalten, auf Graffitis in der Gemeinde wurde mit seiner Ermordung gedroht. Dies reiht sich ein in die Gewaltspirale um den Minenkonflikt: Innerhalb von knapp zwei Jahren wurden vier Leute getötet und vier weitere schwer verletzt. Die Entwicklung in San José del Progreso ist symptomatisch für den ganzen Bundesstaat; innerhalb der letzten drei Monate wurde ein halbes Dutzend Aktivist_innen sozialer Organisationen in Oaxaca ermordet. Meistens werden lokale Polizisten oder Bürgermeister als Täter oder Anstifter der Gewalt vermutet. Menschenrechtsaktivist_innen äußerten zudem, die Verantwortlichen der Verbrechen seien „von der Minengesellschaft bezahlte weiße Garden”, die mit den lokalen und bundesstaatlichen Behörden verbandelt seien.
Der Mord an Bernardo löste eine neue Protestwelle gegen die Mine aus. So wurden am 22. März die diplomatischen Vertretungen von Kanada in Oaxaca und Mexiko-Stadt durch Demonstrationen belagert. Auch in Kanada selbst regt sich Protest und Entrüstung über die Konsequenzen der kanadischen Minenfirmen, die ihre Gewinne in vielen Ländern zum Preis von schweren Menschenrechtsverletzungen machen. Der Fernsehsender CTV berichtete über die jüngsten Ereignisse. Ende März wird im kanadischen Parlament der Gesetzesvorschlag C-323 diskutiert. Ziel dieser Initiative ist, kanadische Firmen für die Verbrechen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Ausland verantwortlich zu machen. Fortuna Silver streitet jegliche Verantwortung für die Toten von San José del Progreso ab.