“Nenn nie Chiquita nur Banane!”
Kunst, Kitsch und Kult im Berliner Haus der Kulturen der Welt
“Profanes und Heiliges, Geschmackloses und Hintergründiges, Albernes und Gewitztes in einem wunderlichen Bananengarten vereint”, verspricht das Haus der Kulturen der Welt in seinem Programmheft. Gemeinsam mit einem Frankfurter Journalisten und Bananen-Sammler namens Wulf Goebel sind rund 600 Kunstbananen und Bananenkunst-Objekte zusammengetragen worden. Ziel sei, so Goebel, “der Banane das zurückzugeben, was sie seit alters her hat: KULTUR.”
Um die Spur der Banane durch Zeiten und Kontinente aufzuzeigen, reiht sich Objekt an Objekt: Bananenstauden auf jahrhundertealten Seidenmalereien aus China und Südkorea, Radierungen europäischer Forscher aus dem 18. Jahrhundert, die die kuriose gelbe Frucht minutiös abbilden, kolorierte Postkarten von kolonialen Bananenplantagen und -märkten, Werbetafeln aus Emaille und Bananenimitate aus Pappmaché und Wachs, die Anfang dieses Jahrhunderts europäische “Kolonialwarenläden” zierten. – Es ist noch gar nicht so lange her, daß die Banane in einigen Gebieten der Welt vom exotischen Luxusartikel zum weit verbreiteten Nahrungsmittel wurde.
Früchte, die die Welt verändern…
Viele unserer Landsleute halten die Kartoffel für ein sehr deutsches Gewächs, obwohl diese erst vor wenigen Jahrhunderten aus Amerika nach Europa gebracht wurde. Ähnlich geht es wahrscheinlich vielen LateinamerikanerInnen mit einem ihrer alltäglichen Nahrungsmittel, der Banane. Ursprünglich aus Asien stammend, gelangte die gelbe Frucht durch arabische Kaufleute zunächst nach Afrika, bevor sie nach einem Umweg über die Kanarischen Inseln erst Anfang des 16. Jahrhunderts von den portugiesischen Eroberern nach Panama gebracht wurde. Mittlerweile zählen insbesondere die zahlreichen Kochbananenarten in Lateinamerika zu den wichtigsten Nahrungsmitteln. Die riesigen Monokulturen mit Süßbananen für den Export entwickelten sich in diesem Jahrhundert in einigen Ländern zum dominierenden Faktor in Wirtschaft und Politik, was einigen mittelamerikanischen Staaten das berüchtigte Etikett “Bananenrepublik” aufdrückte.
Als Ende des 19. Jahrhunderts die US-amerikanische “United Fruit Company” in Panama ihre erste große Bananenplantage gründete, war die gelbe Frucht sowohl in Nordamerika als auch in Europa noch ziemlich unbekannt. Eine winzige Ladung von zwölf Büscheln Bananen, die 1902 in Bremen eintraf, konnte nur schwer verkauft werden. Einer der Gründe, die lange Zeit den Import erschwerten, waren die mangelnden technischen Möglichkeiten, die Früchte beim Transport zu kühlen. Daran scheiterten auch Bemühungen der Deutschen, aus ihren eigenen Kolonien – insbesondere aus Kamerun – Bananen einzuführen. Erst 1910 verkehrten die ersten Dampfer mit Kühlmaschinen zwischen den Kanarischen Inseln und Europa. Von da an stiegen die Bananenimporte aus den südlichen Ländern nach Europa in rasantem Tempo: 1937 wurden 146 800 Tonnen Bananen ins Deutsche Reich exportiert, 1973 bezog die Bundesrepublik bereits mehr als das Vierfache, nämlich 700.000 Tonnen. Im Gegensatz zu anderen exotischen Früchten ist die Banane mit extrem niedrigen Zöllen belegt und sogar billiger als viele einheimische Produkte. Nach und nach vertrieb das krumme Früchtchen den Apfel vom Rang als Lieblingsobst im bundesdeutschen Wohlstandsparadies.
“Deutsche, kauft deutsche Bananen!”
Aber damit war der Höhepunkt noch nicht erreicht. Der kam erst mit dem Fall der Mauer, als die Banane nicht nur zum lang entbehrten Gaumenschmaus der Ostdeutschen wurde, sondern zum Kultobjekt, zum verheißungsvollen Fetisch des hemmungslosen Konsums. Die Ausstellung dokumentiert die Auswüchse der damaligen Bananeneuphorie, die auch zum billigen geistigen Nährstoff für satirische Ergüsse westdeutscher Spötter wurde. So posierte eine fiktive “Zonen-Gaby (17) im Glück”, nämlich “mit ihrer ersten Banane”, auf dem Titelbild der Zeitschrift “Titanic”. “Birne zaubert” als Bananenjongleur im handlichen Daumenkino, der “geheime Stasi-Schatz” ist natürlich als riesiges Bananendepot dargestellt. “Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört”, höhnte Klaus Staeck und zeichnete eine Bananenschale, aus der eine fette Fleischwurst quillt.
Die Banane wurde als Inbegriff neudeutschen Spießertums verwurstet, als inflationäres Symbol der Wiedervereinigung als deutsch-deutsche Bananenrepublik. Den absurden Widerspruch zwischen Bananenkult und Ausländerhaß bringt ein Graffiti auf den Punkt: “Deutsche, kauft deutsche Bananen!”
Auf den “Schlachtfeldern” des brasilianischen Malers Antonio Henrique do Amaral wird die Banane auf ganz andere Art und Weise zur politischen Metapher: Seine Serie von sieben hyperrealistischen Ölbildern, die während der brasilianischen Militärdiktatur entstand, zeigt von Gabeln durchbohrte und zerquetschte, von Strikken strangulierte Bananen. Das in den Farben Brasiliens gemalte gelbe, grüne und zuweilen blutrote Fruchtfleisch, die bajonett- oder gitterartigen Metallforken erwecken Assoziationen an Gefängnis und Folter.
Das obskure Objekt der Begierde
Warum regt ausgerechnet die Banane die Phantasie von Kunst- und Kommerzschaffenden an? Allein am exotischen Image kann es kaum liegen, denn dann hätten ja auch die Zitrone oder die Ananas recht gute Chancen. Den heimischen Apfel hat sie ja, wie bereits erwähnt, schon längst in vielerlei Hinsicht ausgestochen. Zwar nannten immerhin noch die Beatles ihre Plattenfirma “Apple”. Doch hatte dieses Symbol, wenn wir der Ausstellung glauben, längst nicht so weitreichende Wirkungen wie die Banane, die Andy Warhol für das Plattencover seiner Freunde von “Velvet Underground” entwarf. Seitdem wimmelt es von Bananen und Bananenschalen auf den LP-Hüllen und Tourneeplakaten von Leonard Cohen, Chris Rea, “Banana Rama” und wie sie auch heißen mögen. – Aber eigentlich fing ja alles schon viel früher an, nämlich in den zwanziger Jahren mit Josephine Bakers neckischen Bananenröckchen oder später mit Harry Belafontes “Banana Boat”-Song.
“Wenn wir die Banane richtig betrachten, wird sie schnell zu einem mysteriösen, fast beunruhigenden Objekt”, meint Vilem Flusser, der im Programmheft als “namhafter Philosoph unserer Zeit” ausgewiesen wird. Liegt vielleicht in der phallischen Form der geheimnisvollen Frucht der Schlüssel zum tieferen Verständnis des Bananenkultes? – Die Ausstellung präsentiert das Pin-Up für Schwule – Bananenbüschel als provokatives Feigenblatt über kräftigen Lenden – das Werbeplakat für “Hot Rubber-Kondome”, deren Funktion am Objekt einer wehrlosen Banane demonstriert wird, und Erotikbüchlein mit geschmackvollen Titeln wie “Die Kunst, Bananen zu schälen”.
Bananeneintopf – Genuß ohne Reue?
Der schwarze Transvestit, die dicke schwarze Frau, das junge schwarze Modell auf der Chiquita-Reklame – sie alle tragen auf den Fotos exotische Bananenröckchen und lächeln uns freundlich und zutraulich an. Wir lächeln zurück und gehen weiter zu den anderen Ausstellungsgegenständen, den unzähligen Kuscheltieren, Scherzartikeln, Schlüsselanhängern, Aschenbechern, Haarspangen und Lampenschirmen – alles Banane. Für jeden modernen Geschmack ist etwas dabei. Eine Ausstellung für die ganze Familie. Die Kinder drücken sich staunend die Nasen platt an den Vitrinen mit den süßen, poppigen Gegenständen oder können sich noch mal auf Video Highlights aus Walt Disney`s Dschungelbuch reinziehen. Für wissenshungrige Erwachsene gibt es in einer Ecke zumindest ein paar kritische Videos zu den Anbaubedingungen von Bananen.
“Die Ausstellung dient dem Lachen, dem Lernen, dem Genießen und manchmal auch dem Wundern”, so die OrganisatorInnen vom Haus der Kulturen der Welt. Bewußt wurde, laut Anna Jacobi, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, auf Tafeln mit detaillierten Hintergrundinformationen oder gar Kommentaren verzichtet. Wenn sich gesellschaftliche Bezüge nicht gerade aufdrängten, wie etwa bei dem Thema Wiedervereinigung, wurde gar nicht erst versucht, Zusammenhänge herzustellen. Dabei wäre es beispielsweise interessant gewesen, das Verhältnis zwischen Bananenkult, Exotismus und rassistischen Stereotypen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie kommt denn die schwarze Frau im Bananenröckchen auf die Chiquita-Reklame?
Sollte derart schwere Kost dem Ausstellungspublikum nicht zugemutet werden? – Auch wenn die Bananenspeise in reichhaltigen aufeinanderfolgenden Gängen serviert wurde – Geschichte, Kunst, Pop, Kitsch usw. – kam ich aus der Ausstellung mit dem Grundgeschmack heraus, einen etwas undefinierbaren Eintopf im Magen zu haben.
“Alles Banane” noch bis zum 20. Februar im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin. Tel. 030/ 397870