Brasilien | Nummer 227 - Mai 1993

NGO-Forum macht weiter

Bereitschaft zu “nachhaltigen” Koalitionen

Vom 25. – 28. März traf sich in Sao Paulo das Forum der brasilianischen NGOs und Sozialen Bewegungen. Das Forum hatte sich im Vorfeld der UNCED gebildet und umfaßt inzwischen über 1200 Gruppen. Unmittelbar nach der UNCED hatten sich die Gruppen zwar für ein Weiterbestehen des Forums ausgesprochen aber nur ein Übergangskomitee mit begrenztem Auftrag gewählt. In Sao Paulo nun war die Stimmung eindeutig: praktisch alle wollten weitermachen und die Struktur des Forums stärken.

Thomas W. Fatheuer

Das Treffen in Sao Paulo zeigte, daß die UNCED nicht ohne Konsequenzen geblieben ist. Die Mobilisierung der NGOs auf dieses Ereignis hin scheint zumindest in Brasilien zu einer “nachhaltigen” Koalition von Gruppen zu führen. Die Basis für das Weiterbestehen des Forums sind die verschiedenen thematischen Netzwerke, die sich im Umfeld des Forums gebildet haben. Um nur die wichtigsten zu nennen: Umwelterziehung, Atlantikregenwald (Mata Atlântica), Wasser, Cerrado (Buschsteppe), Klima, Atomenergie. Diese Netzwerke vereinigen Gruppen, die zu bestimmten Themen oder in abgegrenzten Ökosystemen zusammenarbeiten. Fast ein Tag des Treffens war für die Netzwerke reserviert und hier zeigte sich, daß es wesentlichen die Gruppen, die in einem dieser “redes” organisiert sind, auch die Fortführung des Forums betreiben.
Drei Hauptaufgaben des Forums wurden in Sao Paulo definiert:
– Begleitung des UNCED “follow up” auf nationaler und internationaler Ebene. Hier geht es zum einen um die Einrichtung der neuen UNO-Instanz “Kommission für nachhaltige Entwicklung” und das neue Finanzierungsinstrument GEF (Global Enviromental Facilities), die beide eine Beteiligung der NGOs vorsehen. Auf nationaler Ebene soll überprüft werden, inwieweit die auf der UNCED verabschiedeten Resolutionen in nationale Gesetze Eingang finden.
– Die Unterstützung der Arbeit der Netzwerke und die Schaffung einer Verbindung der verschiedenen Themen.
– Das Aufgreifen von Themen, die nicht in den Netzwerken vertreten sind. Zu wichtigen Themen (z.B. Rolle von Weltbank; Interamerikanischer Entwicklungsbank) sollen Arbeitsgruppen geschaffen werden.
Bindeglied für all dies ist die Weiterentwicklung des Konzeptes der “nachhaltigen Entwicklung”, die Suche nach einem neuen Entwicklungsmodell, das die Ökolgie ins Zentrum rückt. Einig waren sich die Gruppen auch darin, eine Koordination mit einem politischen Mandat zu wählen und nicht nur ein reines “facilitating committee”. Praktisch einstimmig wurden elf Gruppen in die Koordination gewählt, die dann widerum eine vierköpfige Koordination bildeten.

Grenzen und Chancen in der Zukunft

ndere aber die Zusammensetzung von Koordination und Exekutive machen Stärken und Grenzen des Forums deutlich. Das Forum wird deutlich bestimmt von einem Bündnis zwischen Gewerkschaften (der Dachverband CUT ist wiederum in die Koordination gewählt worden), professionellen NGOs und Umweltgruppen. Die Festigung dieses Bündnisses bildet sicherlich das Rückgrat des Forums. Wichtige soziale Bewegungen, die vor der UNCED eine Rolle im Forum gespielt haben sind in der neuen Koordination nicht mehr vertreten: die Frauengruppen und Stadtteilbewegungen. Das Forum ist zur Zeit kein breites Bündnis der sozialen Bewgungen. Das ist nicht das Produkt eines Ausgrenzungsprozesses, sondern spiegelt eher die Zersplitterung dieser Bewegungen wider. Besonders schmerzlich ist, daß ein wichtiger, organisierter Bereich fehlt: die ländlichen Bewegungen. Hier spielen durchaus auch inhaltliche Differenzen etwa über den Stellenwert der Ökologie und die Rolle der NGOs eine Rolle. Aber auf der Ebene der Netzwerke sind die ländlichen Bewegungen vertreten, etwa im Netzwerk Cerrado. In der konkreten Arbeit bietet sich anscheinend eher die Chance, alte Frontstellungen aufzubrechen, die im Vorfeld der UNCED zu einer Distanzierung der ländlichen Bewegungen vom Forum geführt haben.
Nicht übersehen werden kann auch eine regionale Begrenzung des Forums, besonders deutlich sichtbar in der Zusammensetzung der Koordination: hier sind nur noch Gruppen vertreten aus Rio, Sao Paulo und Brasilia. Etwa aus Amazonien war in Sao Paulo nur eine einzige Gruppe vertreten. Natürlich spielen hier auch die eminenten Reisekosten eine Rolle, ein Flug Sao Paulo – Belem ist fast so teuer wie ein Billigflug nach Europa. In Amazonien hat ein spezifischer Formierungsprozeß jedoch begonnen: die Bildung der GTA (Arbeitsgruppe Amazonien), ein Zusammenschluß von NGOs, Gewerkschaften, indianischen Gruppen und sozialen Bewegungen, die inzwischen über 120 Gruppen umfaßt. Die Zukunft des Forums wird auch davon abhängen, ob es ihm gelingt durch eine überzeugende Arbeit seine jetzigen Begrenzungen aufzubrechen.

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