Chile | Nummer 351/352 - Sept./Okt. 2003

“Pinochet heißt jetzt Bush”

Vom chilenischen Regierungspalast zu den New Yorker Zwillingstürmen

Am 11. September 2001 waren die Bilder von den Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon weltweit live auf allen Fernsehkanälen. Die Bilder von der Bombadierung des chilenischen Regierungspalastes 1973 durch die chilenische Luftwaffe gingen zeitversetzt um die Welt. Aber auch sie dürften bei den BetrachterInnen einen ähnlich markanten Eindruck hinterlassen haben wie das Bild vom einschlagenden Flugzeug in einen der Twintowers. Im Mai fand in Münster der Kongress “Der gekreuzigte Messias und die Erwartung vom Land der Freiheit: Christologie im Kontext der Globalisierung” statt, organisiert vom Institut für Theologie und Politik und der Evangelischen StudentInnen Gemeinde Münster. Unter den zahlreichen internationalen ReferentInnen waren Franz Hinkelammert (Costa Rica), Manuel Ossa (Chile) und Kuno Füssel (BRD), Zeitzeugen der beiden Ereignisse.

Julia Diemer, Barbara Imholz, Franz Kaiser Trujillo

Wenn man jetzt auf die politischen Konsequenzen des ersten 11. Septembers zurückblickt, worin liegt seine langfristige Bedeutung für das sozialistische Projekt, für die Politik der Linken überhaupt?

Franz Hinkelammert: Chile war das Laboratorium für Lateinamerika. Das Militär hat die Macht übernommen, und im Anschluss daran wurden die zentralen wirtschaftspolitischen Entscheidungen von der Gruppe der so genannten Chicago Boys getroffen. Diese Gruppe bestand aus Chilenen, die in den 1950er und 60er Jahren in Chicago studiert hatten, allesamt mit Stipendien der Ford-Stiftung. Das war damals ein groß angelegtes Programm gewesen mit dem Ziel, die Wirtschaftsfakultät der Katholischen Universität in Chile zu transformieren. An der Nationalen Universität [Universidad de Chile] wäre das nicht möglich gewesen.
Bei dieser Gruppe der Chicago Boys handelte es sich um eine homogene Gruppe, die nach dem Putsch die entscheidenden Positionen im Finanz- und im Wirtschaftsministerium übernommen haben. Es waren Marktideologen, die das Modell des absoluten freien Marktes durchsetzen wollten und mit dem Internationalen Währungsfonds zusammenarbeiteten, wo ja dieselbe Marktideologie herrschte. Das Ziel war eine systematische neoliberale Politik für Lateinamerika, die Politik der strukturellen Anpassung.
Allerdings gab es auch Konflikte mit dem IWF, denn die Chicago Boys gingen mit ihren Forderungen so weit, dass sie für Chile erklärten, das Land habe kein Problem mit der Auslandsverschuldung, da die Firmen, die ihre Schulden im Ausland nicht bezahlen könnten, eben Bankrott gehen müssten. Sie waren dagegen, dass der Staat diese Schulden übernehmen sollte, und da nur 20 Prozent der Auslandsschulden wirklich den chilenischen Staat betrafen, wollten sie also auch in diesem Bereich eine absolute Liberalisierung. Die USA sahen dies ganz anders und so mussten letztlich die Chicago Boys nachgeben. So konnte sich schließlich die Auslandsverschuldung zur Daumenschraube für die Politik der Strukturanpassungsprogramme der 1980er Jahre in ganz Lateinamerika entwickeln.

Kuno Füssel: Ich würde gerne – auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick zynisch klingt – einige positive Wirkungen des Putsches aus meiner Sicht darstellen. Erstens hat sich gezeigt, dass der Sozialismus, sobald er attraktiv ist, aggressiv vernichtet wird. Dies war ein klarer Beleg für den US-Imperialismus. Zweitens hat der Putsch vor allem in den 1970er Jahren zu einer Intensivierung der Solidaritätsbewegung geführt, die sonst so nicht zu Stande gekommen wäre. Drittens – und das sollte man nicht unterschätzen – hat die Situation in Chile eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen für die Befreiungstheologie bedeutet. Und schließlich sind, auch gerade für mich persönlich, viele private Kontakte und Freundschaften möglich geworden, in denen auch die Geschichte eines neuen Denkens liegt.

Manuel Ossa: Zuerst einmal war der Militärputsch ein Projekt des internationalen Kapitalismus. Das Hauptziel dieser Konterrevolution des Kapitals war eindeutig die Einrichtung eines neuen Modells, des neoliberalen Modells, in Chile und in Lateinamerika. Und das Mittel für die Durchsetzung dieses Projekts war eine diktatorische Regierung, die das neue wirtschaftliche Modell mit militärischer Hand und Zustimmung der chilenischen Bourgeoisie durchsetzte. Daher kamen die bekannten Menschenrechtsverletzungen, sowie die massive Einschüchterung der Bevölkerung, Folterungen und Morde und die vielen Verschwundenen. Damit ist die Vernichtung der Arbeiterbewegung gelungen.
Als Folge dieses Vorgangs und anderer Weltgeschehnisse, wie dem Fall der Mauer und dem Ende der sozialistischen Staaten, brachte die Wiederherstellung der Demokratie in Chile keine Veränderung der Produktionsverhältnisse mit sich. Die wirtschaftliche und soziale Politik der Diktatur wurde mit der Zustimmung der regierenden Koalition (Concertación de Partidos por la Democracia) mit nur kosmetischen, oberflächlichen Ausbesserungen weiter vorangetrieben. In der regierenden Koalition sind die linken Parteien nicht mehr links. Sie haben sich alle der Politik des Konsenses ergeben. Eine Ausnahme ist da wohl nur die Kommunistische Partei, die aber nicht der regierenden Koalition angehört.

Kann man die beiden 11. September von 1973 und 2001 überhaupt vergleichen? Wenn ja, wo liegen Kontinuitäten, wo liegen Brüche?

Franz Hinkelammert: Der zweite 11. September war ein ganz gewöhnliches Attentat, ein bisschen groß, natürlich. Es gab aber keinen Grund, daraus eine Epochenänderung zu machen, denn unter den Flugzeugangriffen der Weltgeschichte ist er einer der kleinen, nicht der großen. Jetzt geht es also darum zu begreifen, warum der 11. September in ein solches Symbol umgewandelt wurde. Symbole werden ja bekanntlich gemacht. Von vornherein fiel mir da der Reichstagsbrand ein, der ja auch einfach nur ein Brand war. Der wurde in den Monaten danach in ein Symbol umgewandelt, das dann über Jahre an zentraler Stelle stand.
Warum hat man also den Anschlag vom 11. September 2001 zum Symbol gemacht? Ich glaube, weil man es brauchte. Die USA stecken in Schwierigkeiten. Einmal, weil Bush durch Wahlfälschung an die Regierung gekommen war und sich das in den USA herumsprach. Das war eine wirklich kritische Situation für Bush. Im Buch Stupid White Men von Michael Moore wird gezeigt, in welcher Situation die USA steckt. Man kann dann schon verstehen, dass man eine solche Sache wie den 11. September entweder macht, duldet oder benutzt. Das sind die drei Möglichkeiten. Wir wissen ja nicht, wer eigentlich hinter den Anschlägen steht. Man hat sich auch nicht die Mühe gemacht, Beweise vorzulegen. Hinzu kommen noch diese fantastischen Korrelationen mit Al-Quaida. Ich bin überzeugt, Al-Quaida ist ein kleiner Verein. Ich nehme an, dass er überhaupt keine große Bedeutung hat, so wie es ja viele Organisationen terroristischer Art gibt, in der ganzen Welt. Man hat das dann hochgepuscht, um ein Epochenereignis daraus zumachen.
Warum aber das Epochenereignis? Meine These ist, dass die Globalisierungsstrategie in ihrer Gesamtheit in Schwierigkeiten steckt. In der Welthandelsorganisation existiert ein erheblicher Widerstand gegen sie und zwar im Bezug auf die Agrarpolitik, die Liberalisierung der Dienstleistungen und die Privatisierung öffentlicher Sektoren. Die Privatisierungen haben große Krisen geschaffen. Man muss diese Entwicklungen als Produkt der Liberalisierung und der Privatisierungspolitik verstehen, genau wie sich die Krise in Peru oder Argentinien am ehesten so begreifen lässt. Ein Grund dafür, dass man die Krise in Argentinien überhaupt nicht in den Griff bekommen kann, ist die Tatsache, dass sie den gesamten öffentlichen Sektor und somit letztlich alles privatisiert haben. Dadurch hat sich die Politik entscheidungsunfähig gemacht. Wenn die privatisierten Unternehmen nicht entsprechende Entscheidungen treffen, können Politiker nichts bewirken.
Dieses Phänomen breitet sich äußerst rapide aus. In England hat man die Bahn privatisiert und hinterher wieder verstaatlicht, weil sie durch die Privatisierung derart ruiniert wurde, dass kein Mensch mehr pünktlich zur Arbeit kommen konnte. In Deutschland ist dies ja auch schon weit verbreitet. Neben diesen Schwierigkeiten der Globalisierungsstrategie kommen noch die wirtschaftlichen Probleme der USA, ihre Defizite, hinzu.

Kuno Füssel: Ich ärgere mich seit zwei Jahren über den dummen Satz, den viele sich sonst klug fühlende Menschen immer wieder ausgesprochen haben: “Seit dem 11. September ist die Welt nicht mehr, wie sie vorher war”. Den haben alle mit entsprechender Miene und Tonlage repetiert, und ich würde sagen, es ist genau das Gegenteil, die Welt ist genau, wie sie vorher war. Sie hat nur ihre Unter- und Hintergründe noch einmal offenbart. Und bekanntlich hängen ja eigene Episoden und die Weltgeschichte immer zusammen. Ich habe den Tag noch genau in Erinnerung, weil ich morgens in der Schule mit einem Kollegen aneinander geraten bin, weil ich gesagt habe, dass die USA bald ihren Denkzettel für ihre Schweinereien bekommen werden. Der erfolgte dann schon am Nachmittag.
Ich habe dann den 11. September von 1944 in Darmstadt ausgegraben, wo die Engländer und die Amis eine Stadt in Schutt und Asche gelegt haben. Dabei gab es über 40.000 Tote zu verzeichnen. Scheinbar wurde dieser Angriff als Strafmaßnahme dafür, dass die Deutschen den Faschismus in ihrer Mehrheit getragen haben, geflogen. Also, der 11. September hat irgendetwas in der Geschichte, er zieht offensichtlich Unglück an, und das gab mir metaphysisch einiges zu denken. Ich meine, dass sich – wie soeben gesagt – die Welt nicht geändert hat, sondern dass sie vielmehr gezeigt hat, dass in diesem Imperium, dass durch die Pax Americana geprägt worden ist, die Gewalt neue Formen angenommen hat, und zwar auf allen Ebenen. Die Gewalt, die die Amerikaner jetzt testen wollen, indem sie kleine Atombomben bauen und nicht die Mutter aller Bomben dann irgendwo schmeißen, wie aber auch die Gewalt der terroristischen Gegenwehr, die ja aus Verzweiflung kommt und nicht so ineffizient ist. Diese Entwicklung ist nicht erst seit dem 11. September manifest, sondern sie war vorher bereits da. Man hatte sie aber nicht an ein Ereignis binden können. Das Einstürzen dieser beiden Türme war also in dem Sinne eine Offenbarung für mich. Ich rätsele heute noch, ob dieser Termin nicht wirklich bewusst gewählt worden ist.
Wie immer das dann auch zu bewerten ist: Die Welt hat gezeigt, wie sie sich in den Jahren nach dem Putsch in Chile entwickelt hat und zwar unter der Federführung der Pax Americana, des Imperiums und seiner Machthaber, und was sie vor allem in Hinblick auf die Gegengewalt an Hass, an Verzweiflung produziert. Somit ist klar, dass die Welt vorher schon so schlecht war, wie sie angeblich an dem 11. September 2001 an die Öffentlichkeit gebracht wurde, und es hat sich seitdem nur bewahrheitet, dass diese Entwicklung strukturell angelegt war. Was wir heute erleben, ist ein Beleg dafür, dass diese Geschichte Komponenten hat, die durch dieses Ereignis nur gebündelt, aber nicht geschaffen worden sind. Es ist auch erst zwei Jahre her. Ich weiß nicht, was noch alles auf uns zukommt.

Franz Hinkelammert: Ich glaube, dass die USA in diesem Moment eine Politik betreiben, die ihnen den Griff zur Weltmacht erlaubt oder besser gesagt, den Griff zur Macht über die Welt. Ich sehe einige Parallelen zu dem, was die Nazis zu ihrer Zeit machten: Den Griff zur Macht über die Welt. Das hat interne Gründe, aber es hat eben auch diesen externen Hintergrund, das heißt, die multinationalen Unternehmungen und die den IWF und die Weltbank betreffenden Gründe. An dieser Stelle taucht für mich ein Problem auf, das mit dem 11. September 1973 in Chile eng zusammenhängt. Der 11. September in Chile konstituierte eine Diktatur der Nationalen Sicherheit, die dann fähig wurde, die gesamte traditionelle Wirtschaftsordnung und letztlich die Gesellschaft insgesamt auf terroristische Art umzuwenden, und zwar hin zu dieser neoliberalen Politik, die später in der Zerstörung der Volksbewegung und dem Aufkommen der Globalisierungsstrategie usw. endete. Mit anderen Worten, um eine “freie Hand” haben zu können, bedurfte es der Diktatur der Nationalen Sicherheit. Sie war das entscheidende Instrument für die Durchsetzung einer neoliberalen Politik, die sich von da an in vielen Ländern Lateinamerikas etablierte. Man könnte sich jetzt fragen: Ist das nicht heute genau das gleiche Phänomen? Braucht diese Strategie der Globalisierung heute eine Weltdiktatur der Nationalen Sicherheit, um sich weiter entwickeln zu können? Geschichtlich betrachtet haben ja die USA Pinochet nach Chile gebracht, nach Argentinien, nach Uruguay, dann auch nach Guatemala… und wo sie nicht überall Pinochets hingebracht haben. Jetzt brauchen sie selbst einen, und zwar um die Politik, die sie mit Hilfe der Pinochets in der Dritten Welt angeleitet und mit Hilfe Reagans zum guten Teil auch in den USA durchgesetzt haben, jetzt weltweit zu stabilisieren. Die Ähnlichkeit des Systems, das dann nach dem 11. September in New York durch den Patriotic Act eingeführt wurde, mit dem System Pinochets in Chile ist ja erstaunlich, ganz außerordentlich.

Manuel Ossa: Ich habe mehrmals gedacht, was wohl geschehen wäre, hätte Al Gore an Stelle von Bush die Regierungsaufgaben übernommen. Die Tatsache, dass dieser 11. September nach der Wahl von Bush geschehen ist, hat ihm unheimlich den Rücken gestärkt. Ich war erstaunt zu sehen, dass der ganze US-Kongress ihm zugestimmt hat. Das war für mich furchtbar. Das hat ihn wirklich zu einem Imperator gemacht. Zu dem, was Kuno und Franz bereits gesagt haben, möchte ich ergänzen, wie sich dies alles auf Chile ausgewirkt hat, und zwar am Beispiel dessen, wie sich Chile gegenüber dem Irak im Sicherheitsrat verhalten hat. Die amtliche Stellungnahme von Chile war ein zögerndes Nein zur Kriegserklärung. Am Anfang hat der Botschafter von Chile im Sicherheitsrat vorgeschlagen, die Großen mögen entscheiden, nicht die Kleinen. Dann fanden sehr viele Gespräche statt, geheime Unterredungen mit dem mexikanischen Präsidenten und zwischen der Außenministerin und dem Außenminister von England, usw. Nach vielem Hin und Her gab die chilenische Regierung letztendlich zu verstehen, dass sie mit Nein abstimmen würde. So haben sich die Vereinigten Staaten vom Sicherheitsrat zurückgezogen und den Sicherheitsrat wirklich als ein Werkzeug der Taugenichtse abgestempelt, um die Entscheidung in Absprache nur mit England zu fällen. Die Schwäche des chilenischen Neins zeigte sich dann in zwei darauf folgenden Entscheidungen der Regierung.
Die erste bezog sich auf eine Petition der Sozialistischen Partei und der PPD, der anderen linken Partei. Beide Parteien baten den chilenischen Präsidenten Lagos, die humanitäre Seite des Krieges im Irak zu verurteilen. Der Präsident lehnte dies aber ab. Dann wurde auf Initiative einiger Länder im Sicherheitsrat der Antrag gestellt, eine zu bildende Kommission möge den Irak auf Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen hin untersuchen. Der chilenische Botschafter in der UNO erhielt von der Regierung die Anweisung, ein Nein zu dieser Kommission zu verkünden. Der Botschafter, Juan Enrique Vega, wurde abgesetzt, weil er – vielleicht aus Gewissensgründen – weder Nein noch Ja sagte, sondern sich der Stimme enthielt. Er wurde daraufhin sofort nach Chile abgerufen, wo er formell abgesetzt wurde. Also an diesen beiden Fällen kann man zeigen, wie Chile von der Angst geprägt agierte. Mit großer Angst, was geschehen könnte, würde man gegen den Willen der USA ein Nein wagen. Nicht nur innerhalb der Bourgeoisie dachten viele, die Vereinigten Staaten würden uns mit einer Verzögerung des TLC-Vertrags (ALCA), der gesamtamerikanischen Freihandelszone, bestrafen. Mit anderen Worten: Die Vereinigten Staaten haben eine ungeheure Macht über unsere Länder, wie wir täglich im gesamten Kontinent erfahren. Die einzige Hoffnung ist jetzt Lula, aber auch er hat jetzt schon mit Kompromissen angefangen.

Franz Hinkelammert: Die Welt erlebt gegenwärtig, wie es möglich ist, ganz legal Menschen verschwinden zu lassen. Man kann ganz legal Menschen heimlich verurteilen und auch heimlich exekutieren. Man hat ein Konzentrationslager in Guantánamo und man hat zugleich eine öffentliche Meinung, die so kontrolliert ist, wie die von Chile es auch war.
Denn in Chile war die öffentliche Meinung in erster Linie nicht durch Zensur gesichert, sondern durch die Tatsache, dass die Besitzer der Kommunikationsmittel spontan Pinochet unterstützten. Man brauchte die Zeitungen, die Fernsehkanäle, Radiosender usw. nicht der Zensur zu unterziehen, wozu denn? Sie waren doch mit der Regierung konform. Gewiss gab es in gewissen Momenten auch Zensur, aber sie konstituiert nicht die einheitliche Meinung. Genau das haben wir jetzt in den USA.
Aus all diesen Gründen, und es ließen sich weitere aufzählen, glaube ich, dass wir es mit so etwas wie einer Weltdiktatur der Nationalen Sicherheit zu tun haben, die da im Entstehen ist. Bedenkt man dies alles, dann sind die beiden 11. September nicht ganz so weit voneinander entfernt.
Der erste 11. September geht auf einen Teil der Welt, wobei sich das Zentrum noch völlig sicher fühlt. Sie schicken Pinochet dahin, und hinterher rufen sie ihn wieder ab. Er war keine Gefahr. Jetzt aber kommt er in die USA, und das wieder an einem 11. September. Mit anderen Worten: Pinochet heißt jetzt Bush. Der zieht sich überall einen anderen Rock an: in Argentinien heißt er Videla, in Guatemala Ríos Montt. Kein Mensch wird mir erzählen, dass die enorme Aggressivität die Folge des 11. Septembers ist. Das ist zu disproportional. Ich kann verstehen, dass, wenn 3000 Menschen umgebracht worden sind, man auch 3000 Menschen irgendwo in der Welt umbringt. Das haben sie ja auch gemacht. Aber sie bringen noch viel mehr um, und sie wollen immer noch mehr umbringen. Das ist keine Rache, auch wenn es damit gerechtfertigt wird. In der Tat will man etwas anderes: man will jetzt die Macht über die Welt, selbstverständlich als USA. Aber die USA sind der Haudegen der privaten, transnationalen Bürokratien, die über die Globalisierungsstrategie ihre Macht in der ganzen Welt durchsetzen wollen. Und wir werden im Irak jetzt sehen, was heute deren Ideal für eine globalisierte Gesellschaft ist, was sie alles privatisieren wollen. Sie scheinen im Irak sogar die Polizei privatisieren zu wollen und sie durch eine US-Korporation aufzubauen, die eine Art Wach- und Schließgesellschaft ist. Ich bin überzeugt, dass man da die Aggressivität im Namen der Attentate weiterführen wird. Aber in Wirklichkeit geht es darum, jetzt die ganze Welt umzugestalten, und zwar nach dem Modell dieser globalisierten Wirtschaft.

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