Nummer 427 - Januar 2010 | Sachbuch

Revolutionärer Autoreifen

Das Buch Contra Continental handelt vom Arbeitskampf im mexikanischen Euzkadi-Werk und kann als Ideengeber für globale Arbeitskämpfe dienen

Marius Zynga

Was ist zu tun, wenn ein Unternehmen aus Europa in einem Land des Südens dort geltendes Recht bricht und internationale Normen missachtet? Welche Verantwortung tragen in solchen Fällen die Organe der Bundesrepublik Deutschland, die Regierung, das Parlament, die Justiz? Wie können die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Unternehmen mit Sitz in Europa, in ihrem Heimatland zur Rechenschaft gezogen werden können für rechtsverletzendes Verhalten in einem Land des Südens?
Der von Gregor Maaß und Lars Stubbe herausgegebene Band Contra Continental verschreibt sich diesen Fragen und sucht in zahlreichen Beiträgen und Interviews nach Antworten. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei der erfolgreich geführte Arbeitskampf der ArbeiterInnen der mexikanischen Euzkadi Reifenfabrik gegen die deutsche Continental AG. Mit Werksschließungen und Massenentlassungen, trotz höchster Effizienz und hohen Gewinnabwürfen der Produktionsstätten, machte der global agierende Konzern immer wieder negative Schlagzeilen. Nicht nur in Mexiko.
Die modernste Reifenproduktionsstätte Lateinamerikas, das mexikanische Euzkadi-Werk, gehörte bis 2005 der Continental AG und wird heute als Kooperative von den Arbeitern selbst geführt. Der Kampf der mexikanischen ArbeiterInnen gegen das rechtswidrige Verhalten Continentals wird ausführlich dokumentiert und ausgewertet. Dabei kommen auch ArbeiterInnen und deren Familien zu Wort, die den dreijährigen Kampf mit zum Erfolg geführt haben. So wird in einem Beitrag von Lisa Carstensen deutlich, wie schwer die Zeit des Arbeitskampfes speziell für die EhepartnerInnen der ArbeiterInnen war. Selbst die Kinder der Familien mussten in einigen Fällen ihre Schulausbildung vorübergehend abbrechen und arbeiten gehen, um die Familie finanziell zu unterstützen. Insbesondere der Beitrag von Cornelia Heydenreich vermittelt, wie NRO und gewerkschaftliche Basisgruppen in verschiedenen Ländern den Widerstand der mexikanischen ArbeiterInnen unterstützten und bei der Internationalisierung des Kampfes halfen. So wurde unter anderem erreicht, das Problem der mexikanischen ArbeiterInnen auf der Aktionärsversammlung in Deutschland anzusprechen.
In weiteren Beiträgen wird auf die Historie und die Zusammenhänge der globalen Arbeitskämpfe sowie die Bedeutung der Gewerkschaften grundsätzlich eingegangen. Dabei wird ein kritisches Augenmerk auf die deutschen Gewerkschaften und deren eher zaghafte Unterstützung der mexikanischen ArbeiterInnen in dem Fall Euzkadi geworfen. Eine der Schwachstellen der Gewerkschaften in Deutschland sei die fehlende Kommunikation zum Thema Standortkonkurrenz. Es gebe heute nur wenig internationale Solidarität von Seiten der deutschen Gewerkschaften. Es sei wohl, so die AutorInnen, schon schwierig genug, die eigenen Interessen durchzusetzen. Der Fall Euzkadi zeigt jedoch, dass Gewerkschaften in der heutigen, globalisierten Welt nur in internationaler Solidarität, also miteinander, gegen die Wellen des Kapitalismus anrudern können.
Die Artikel des Buches enthalten in diesem Sinne durchaus Strategien für einen erfolgreichen Arbeits- und Menschenrechtskampf, an denen sich NRO und Gewerkschaften orientieren können. Das Buch Contra Continental kann und sollte als Inspiration für weitere globale Arbeitskämpfe genutzt werden.

Gregor Maaß & Lars Stubbe (Hg.) // Contra Continental – Der Widerstand der mexikanischen Euzkadi-Arbeiter gegen den deutschen Reifenkonzern // Neuer ISP Verlag // Köln-Karslruhe 2009 // 176 Seiten // 22 Euro // www.neuerispverlag.de

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