El Salvador | Nummer 526 - April 2018 | Wahlen

WAHL DER NICHTWÄHLER*INNEN

Rechtsruck bei Parlamentswahlen in El Salvador

Mehr als 5 Millionen Salvadorianer*innen waren aufgerufen, am 4. März 2018 ein neues Kongressparlament sowie neue Kommunal­vertre­tungen zu wählen. Die Front Farabundo Martí zur Nationalen Befreiung (FMLN), die seit 2009 auch den Präsidenten stellt, musste bei den Wahlen starke Verluste hinnehmen.

Von Nis Melbye

Als mit Abstand stärkste Kraft ging die extrem rechte Partei Republikanische Nationalistische Allianz (ARENA) aus den Wahlen hervor. Auch bei der Wahl des Bürgermeisters der Hauptstadt San Salvador, welche in El Salvador stets richtungweisend war, setzte sich ARENA durch.

Während die FMLN bei den Präsidentschaftswahlen 2014 noch mit 50,11 Prozent der Stimmen einen knappen Sieg errang, blieb sie mit 24,44 Prozent bei den aktuellen Wahlen weit hinter ARENA zurück. Letztere konnte mit 42,34 Prozent das Ergebnis der letzten Wahlen halten. Die 1981 gegründete Partei ist nationalistisch und neoliberal sowie sehr antikommunistisch ausgerichtet. Ihre politische Verwicklung in den Bürgerkrieg ist bis heute nicht aufgearbeitet.

Den größten Anstieg verzeichnete hingegen die Anzahl der Stimmenthaltungen und der ungültigen Stimmabgaben. Waren es bei der letzten Wahl noch rund 30.000 ungültige Stimmen, verfünffachte sich diese Zahl nun. Der massenhafte Wahlboykott war als Protest organisiert worden und sollte die stetige Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Parteien zum Ausdruck bringen. Dabei hatten selbst Vertreter*innen der einflussreichen katholischen Kirche im Vorfeld zum Wählen aufgefordert. Letztlich dürfte es ausgerechnet die große Gruppe der ungültig wählenden oder sich der Stimme enthaltenden Bevölkerung gewesen sein, die ARENA ihren Erfolg bescherte. Die Politikverdrossenheit hängt auch mit der Vergangenheit der beiden großen Parteien zusammen. Sowohl ARENA als auch die FMLN haben als ehemalige Konfliktparteien im Bürgerkrieg eine bewegte Vergangenheit und haben sich nur bedingt den neuen demokratischen Verhältnissen angepasst.

Die als links geltende FMLN wurde im Jahr 1980 zunächst als Zusammenschluss marxistisch orientierter Bewegungen als eine Guerillaorganisation gegründet. 2009 gelang es ihr erstmals, sich bei den Präsidentschaftswahlen durchzusetzen und mit Salvador Sánchez Cerén den Präsidenten zu stellen. Zwar bewies sie, dass sie in der Lage ist, die Regierungsgeschäfte zu leiten, ein wirtschaftliches Verständnis mitbringt und das Land keinesfalls in ein zweites Venezuela verwandelt. Doch linke Wähler*innen halten die Partei offenbar nicht mehr für glaubwürdig.

2015 bildete die FMLN eine Koalition mit der neu gegründeten Allianz für nationale Einheit (GANA), eine Abspalterpartei von ARENA, die sich als rechtskonservativ versteht. GANA fungierte damals als Mehrheitsbeschafferin der FMLN. Für die diesjährigen Wahlen wurde die Zusammenarbeit noch weiter intensiviert. Für die Kommunalwahlen stellten GANA und die FMLN nunmehr in vielen Kommunen gemeinsame Kandidat*innen gegen ARENA auf. Nicht zuletzt wegen dieser strategischen Koalition leidet die FMLN unter einem Profilverlust: Die historisch linke Linie der Partei scheint nicht mehr glaubwürdig.

Zudem dominiert das Thema der Gewalt und die Bandenkriminalität der sogenannten Maras den Wahlkampf. Die hohe Mordrate in El Salvador ließ die Hauptstadt San Salvador zur gefährlichsten Hauptstadt der Welt avancieren (ohne solcher in Kriegsgebieten). Auch hier änderte die FMLN ihre Vorgehensweise. Während sie gegen Bandenkriminalität zuerst auf soziale Politik setzte, geht sie nun ähnlich repressiv vor wie die rechte Partei ARENA.

In einem Land, wo 40 Prozent der Menschen als arm gelten, fühlen sich offenbar nur wenige von den großen Parteien repräsentiert.

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