“Wir wollen uns inspirieren lassen”
Interview mit Juan Antonio Rojas, FARC-Vertreter in Europa
Am 26. Februar ging eine mehrwöchige Rundreise der FARC zusammen mit kolumbianischen Regierungsvertretern in Europa zu Ende. Welchen Zweck hatte diese Reise?
Die Idee war, verschiedene Länder zu besuchen, in denen ein funktionierendes Sozialsystem und eine soziale Verteilung des Reichtums existiert. Schließlich wurde es diesen Ländern so lange möglich, in Frieden zu leben und den Fortschritt voranzutreiben, etwa in Schweden, Norwegen oder der Schweiz. Wir wollen diese Systeme keineswegs kopieren, sondern uns davon inspirieren lassen.
Welches Interesse haben Länder wie Schweden oder Norwegen an der politischen Entwicklung in
Kolumbien?
Kein spezifisches. Es ist eine Hilfestellung, um die wir gebeten haben. Diese Länder eröffnen uns die Möglichkeit, die politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu studieren. Wir wollen auch in Kolumbien ein politisches System etablieren, in dem alle Parteien und Strömungen einen Platz finden.
Deutschland war keine Etappe der Rundreise…
Wir haben Deutschland nicht besucht, weil wir nur direkten Einladungen der Regierungen gefolgt sind. Die deutsche Regierung hatte daran anscheinend kein Interesse. Wir sind noch dabei, hinreichende Kontakte zur deutschen Regierung aufzunehmen, aber nach wie vor herrscht eine etwas angespannte Atmosphäre.
Während der Reise sind Vertreter der FARC auch mit Militärs der NATO zusammengetroffen.
Es gab eine Unterredung zwischen einem hochrangigen norwegischen NATO-Kommandeur und dem Kommandanten und Sprecher der FARC, Raul Reyes. Dieses Gespräch war für uns sehr wichtig, denn so konnten wir darlegen, dass in Kolumbien eine Guerillabewegung, eine politische Bewegung existiert, die einen bewaffneten Kampf führt. Es geht dabei um die Anerkennung der FARC als kriegführende Partei mit allen im internationalen Kriegsrecht festgeschriebenen Rechten und Pflichten.
Wollen sie mit solchen Treffen ein Gegengewicht zu einer drohenden Militärintervention der USA in Kolumbien schaffen?
Ja, denn die Vereinigten Staaten vermitteln ständig das Bild direkter Beziehungen zwischen dem Drogenhandel und der Guerilla. Daher auch die Bezeichnung der FARC als “Drogenguerilla”. Mit dieser Rundreise und den Gesprächen in Europa wird diese Propaganda widerlegt. Wir machen deutlich, dass ein konstruktiver Dialog mit Vertretern der Regierung, Parlamentariern und Wirtschaftsvertretern möglich ist. Wir suchen gemeinsam eine Lösung des bewaffneten Konflikts und des Problems des Drogenhandels, unter dem die ganze Welt leidet.
Bereits erschienen in junge Welt am 29.2.