Freies Geleit für Montesinos
Panama zählt zu den lateinamerikanischen Oasen, die nicht in der Wüste liegen. Zu den Steueroasen. Nicht weniger als 88 verschiedene Banken haben ihren Sitz in dem mittelamerikanischen Land, das daher zu einem magischen Anziehungspunkt für Asylsuchende einer etwas anderen Art geworden ist. Für die politischen Verfolger und nicht für die politisch Verfolgten. Für diejenigen, die sich auf Kosten der Bevölkerung in ihrem Land bereichert haben. Wie der Schah von Persien, der 1979 vor der Revolution nach Panama floh und sich für zwölf Millionen Dollar sein Asyl erkaufte. Oder der haitianische Ex-Diktator Raoul Cedrás, der bis heute von seinen Pfründen in Panama lebt. Ebenso wie José Serrano und Abdalá Bucarám, die korrupten Ex-Präsidenten Guatemalas und Ecuadors.
Der Name des vorerst letzten Asylsuchenden aus dieser Reihe ist Vladimiro Montesinos. Der ehemalige peruanische Geheimdienstchef floh bei Nacht und Nebel nach Panama. Zehntausende hatten zuvor in ganz Peru seine sofortige Verhaftung gefordert. Seine Verbrechen im Dienste des Fujimori-Regimes umfassen fast alle Delikte eines Strafgesetzbuches: Massaker, Mord, Entführung, Folter, Bombenanschläge, Drogenhandel, Waffenschiebereien, Erpressung und Bestechung. Die Früchte seiner Arbeit brachte er beizeiten in Sicherheit: Allein auf panamaischen Konten sollen mehrere hundertmillionen Dollar lagern, die Montesinos in Peru gestohlen hat. Ein Fall für Interpol, sollte man meinen. Doch die USA sind nicht bereit, wie vor zehn Jahren ganze Viertel von Panama-Stadt in Schutt und Asche zu legen, um dieses Mannes habhaft zu werden. Im Gegenteil: Das US-State Department ersuchte die panamaische Präsidentin Mireya Moscoso dringend, dem Asylantrag aus Peru stattzugeben.
Danach gab sich ein ganzes Dutzend lateinamerikanischer Staatschefs die Ehre. Ob Ernesto Zedillo, Fernando de la Rúa, Henrique Cardoso, Andrés Pastrana oder der Sozialist Ricardo Lagos – sie alle wählten Präsidentin Moscosos Telefonnummer und setzten sich persönlich für den Asylsuchenden ein. Die Fürsprache César Gavirias, des Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), liegt sogar schriftlich vor. Wie das State Department begründeten die lateinamerikanischen Präsidenten ihr Engagement mit der angeblichen Gefahr eines Militärputsches in Peru. Montesinos soll vor seinem Abflug nach Panama mit einem Staatsstreich gedroht haben, falls kein Land ihn aufnehmen wolle.
Montesinos Drohung war ein Bluff. Die USA hatten Montesinos schon seit dem offensichtlichen Wahlbetrug fallen gelassen, den der Geheimdienstchef für Fujimori organisiert hatte. Der spanischen Zeitung El País zufolge waren die USA sogar bereit, den erschwindelten Wahlsieg Fujimoris anzuerkennen, wenn dieser sich im Gegenzug von Montesinos getrennt hätte. Eine peruanische Militärdiktatur unter Führung von Vladimiro Montesinos wäre für die USA nicht akzeptabel gewesen. Auch aus innenpolitischen Gründen hätte ein solches Regime nicht lange Bestand gehabt. Denn die Generäle, die Montesinos an die Spitze der peruanischen Armee gesetzt hat, gelten als korrupt und werden nicht einmal im eigenen Offizierscorps unterstützt.
Über den Einsatz des State Department muss man sich nicht wundern. Vielleicht wollten sich die USA auf diese Weise bei Montesinos für eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken. Vielleicht wollten sie einfach nur verhindern, dass der Ex-Geheimdienstchef später einmal vor einem peruanischen Gericht über seine ausgezeichneten Verbindungen zur CIA plaudert. Enttäuschend ist das Engagement der lateinamerikanischen Staatschefs. Sie haben einen Schwerverbrecher vor der Strafverfolgung bewahrt. An dieser Tatsache ändert sich auch dann nichts, wenn die panamaische Regierung den Asylantrag auf Grund der zahlreichen Proteste im Land ablehnen sollte. In dem Fall hätte Montesinos, dessen Visum in Panama nach 30 Tagen abläuft, dank seiner prominenten Fürsprecher zumindest freies Geleit in ein Land seiner Wahl. Vermutlich nach Marokko oder Tunesien.