Editorial | Nummer 536 - Februar 2019

// KEINE FRAGE DER SICHERHEIT

Seit Mitte Dezember 2018 verweigern die USA Menschen auf der Flucht die Einreise und lassen sie in Mexiko auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Mexiko reagiert pragmatisch und garantiert ihnen bis dahin das humanitäre Bleiberecht, verspricht ihnen sogar Arbeit. Gleichzeitig wird die Not der Menschen von einem unentwegt twitternden Präsidenten instrumentalisiert, der statt Asylpolitik lieber Sicherheitspolitik an den Grenzen betreibt und versucht, die populistische Forderung einer (bereits zum großen Teil vorhandenen) Mauer durchzusetzen.

Menschenrechte spielen für die US-Regierung anscheinend keine Rolle; erst im Dezember starben ein siebenjähriges Mädchen und ein achtjähriger Junge aus Guatemala, nachdem sie vom Grenzschutz in Gewahrsam genommen wurden, an bisher unbekannten Ursachen. Flucht vor Armut und Gewalt wird immer wieder als Bedrohungsszenario missbraucht. Darin ähnelt der Umgang einiger europäischer Staaten dem der USA. Eine weitere Gemeinsamkeit neben der aus Bedrohungsfantasien resultierenden Sicherheitspolitik besteht in der inzwischen normalisierten Verlagerung von Außengrenzen in Nachbarländer. Die Verantwortung wird an Nachbarstaaten quasi verkauft, wenn diese für Geld Menschen an der Durchreise hindern sollen. So handelt die USA mit mittelamerikanischen Ländern und die EU mit der Türkei als auch mit nordafrikanischen Staaten.

Die größte Aufmerksamkeit ist wiedereinmal auf die nordamerikanische Grenze zwischen Mexiko und den USA gerichtet, ohne dass jedoch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den eigentlichen Fluchtursachen stattfindet. Stattdessen funktioniert das inzwischen übliche Ablenkungsmanöver, die Themen werden gezwitschert. Anschließend wird wie immer über Investitionen gesprochen, sogenannte Entwicklungsfonds, die in den Herkunftsländern Fluchtursachen bekämpfen und zynische PR-Kampagnen, wie „Weihnachten nach Hause“ (Navidad a tu casa), finanzieren sollen. „Wenn López Obrador Kooperation mit Mittelamerika sagt, meint er wirtschaftliche Hilfe und Entwicklung, US-Präsident Donald Trump meint damit Abschiebungen, ein Bollwerk gegen Migration und Infrastrukturaufträge für die USA“, sagt Carlos Heredia vom mexikanischen Zentrum für Wirtschaftsforschung und Lehre (CIDE) gegenüber der Le monde diplomatique. Verhandelt wird darüber mit den oft korrupten Eliten in den Herkunftsländern (siehe S. 22). Diese profitieren dann nicht nur indirekt von den jährlich 17,8 Milliarden US-Dollar Überweisungen, die aus den USA zurückfließen, sondern auch von der verhandelten „Entwicklungshilfe“.

Derweil sind die nächsten organisierten Karawanen aus Honduras in Richtung Norden unterwegs. Eine Woche nachdem sie Mitte Januar an der mexikanischen Grenze angekommen sind, wurden in Mexiko circa 12.000 Geflüchtete registriert, die damit die Möglichkeit auf ein humanitäres Bleiberecht erhalten. Das ist Teil des zeitgleich von der neuen mexikanischen Regierung verkündeten Plans zum Umgang mit der Einwanderung aus dem Süden. Mexiko reagiert damit auf die Notwendigkeit einer neuen Asylpolitik, seitdem die USA Geflüchteten die Einreise verweigert. Ob dieser Plan tatsächlich eine Verbesserung ihrer prekären Lage zur Folge hat, bleibt abzuwarten. Bisher bieten die Karawanen noch den besten Schutz vor Übergriffen krimineller Banden und Institutionen in Mexiko sowie die Möglichkeit international gesehen zu werden. Dafür notwendig ist eine kritische und solidarische Öffentlichkeit, die sich nicht ablenken lässt von den eigentlichen Problemen und Widersprüchen einer fehlgeleiteten Asylpolitik.

 

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