PACHAMAMA IN DEN ANDEN

Fotos: Jonas Klünemann

„In einem abgelegenen Teil Boliviens, weit weg von der Stadt, liegt ein Dorf namens Independencia, in dem ich aufgewachsen bin. Wir – seine Einwohner – gehören der Quechua-Kultur an.

Doña Isabel lebt als traditionelle Bäuerin, eine sogenannte Cholita

Unser Leben in den comunidades der Region steht in enger Verbindung mit der Pachamama (Mutter Erde). Für sie veranstalten wir Rituale mit Opfergaben wie die q’owa – ein verbrannter Lamafötus – und der ch’alla, das rituelle Begießen der Opfergabe mit starkem Alkohol oder Chicha, einem selbst gebrauten Maisbier. Sie werden von Tänzen begleitet, um Mutter Erde zu danken oder um ihren Segen zu erbitten. Außerdem praktizieren wir in den Gemeinden weiter die von unseren Vorfahren übernommenen Werte Ama llulla, Ama suwa und Ama qhella, was übersetzt so viel bedeutet wie „Lüge nicht, Stehle nicht, sei nicht faul“.

Don José trinkt chicha, ein selbstgebrautes Maisbier. Chicha ist wichtig für alle festlichen Momente in der Gemeinschaft, sie ist ein verbindendes Element: Es gibt nur eine Schale, die im Uhrzeigersinn herumgereicht wird und aus der alle Anwesenden trinken. Vor dem Trinken schüttet man einen Schluck auf den Boden, um die Chicha mit Pachamama zu teilen.

Es liegt in der Verantwortung unserer Bürgermeister, ihre Gemeinde auf dem richtigen Weg zu leiten und vor allem die Werte der indigenen Justiz durchzusetzen. Dazu gehört, dass Menschen, die auf Abwege geraten sind, von der Gemeinde und den Gemeindeautoritäten mit eigenen Händen bestraft werden und wieder in die Gemeinschaft eingegliedert werden müssen. Bei schlimmeren Vergehen kann es passieren, dass zum Beispiel Mörder oder Vergewaltiger bei lebendigem Leib verbrannt werden. In unserem engeren Umfeld richten wir uns überwiegend noch immer nach den Lehren unserer Großeltern.

Diese besagen etwa, dass man die eigene Kultur wertschätzen soll: die Musik der Region, die typische lokale Kleidung – wie die polleras und die aguayos (Tragetücher), die von den Frauen in den Gemeinden selbst hergestellt werden. Außerdem praktizieren wir die Prinzipien der mink’a – „Ich bekomme Essen von Dir und helfe Dir bei etwas anderem” – und der ayni – „Heute hilfst Du mir, morgen helfe ich Dir“ – bei denen wir gemeinsam arbeiten, um uns gegenseitig bei den Aufgaben in den Gemeinden zu unterstützen.

Don Angulo besitzt einen kleinen Bauernhof, auf dem er mit seiner Familie lebt. Wenn der Schulbus mal wieder ausfällt, laufen seine Kinder zwei Stunden zur Schule. Während der täglichen Arbeit auf dem Hof und auf den Feldern kaut Don Angulo Kokablätter.

In den Gemeinden verrichten die Bauern – begleitet vom Kokablatt, das sie mit Energie versorgt – Tag für Tag anstrengende Arbeit und streben so danach, etwas zum Leben zu haben.

Unsere kulturelle Identität ist fundamental mit Pachamama verknüpft, die uns jeden Tag neue Kraft gibt und uns im Kampf für eine bessere Zukunft unterstützt: ¡El pueblo unido jamás será vencido!“

Doña Maura in ihrem Garten. Auf der Wäscheleine trocknen ihre ajayo-Tücher und ihre polleras.


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