AM TISCH MIT MARADONA

Foto: (Unbekannt)

Die Abstandsregel wurde ausgesetzt: Covid-19-Pandemie hin oder her, wenn ein Großer des argentinischen Fußballs geht, sind die Emotionen schwer einzuschränken. Die Fans von Central Córdoba, der dritten Nummer in Rosario, hörten nicht auf, im Stadion Gabino Sosa für ihr größtes Idol zu singen: Tomás Felipe Carlovich, von allen nur „El Trinche“ (die Gabel) genannt, warum weiß keiner. Der 74-Jährige, dem im Februar Diego Maradona bei ihrem einzigen direkten Aufeinandertreffen ein Trikot schenkte mit der Widmung: „Für El Trinche, der besser war als ich“, erlag den Folgen eines Raubüberfalls, bei dem versucht wurde, ihm sein neues Fahrrad zu entwenden. „Wie zuvor schon vier ältere“, sagte sein Sohn Bruno. Nach zwei Tagen im künstlichen Koma starb„El Trinche“ am 8. Mai im Krankenhaus.

Mit dem Fahrrad war „El Trinche“ oft in seinem Viertel unterwegs. Er war nach dem Tod von Eltern und Geschwistern in sein Elternhaus zurückgezogen und seine lokale Verwurzelung war neben dem Talent des schlampigen Genies ein Grund für die abgöttische Verehrung, die Carlovich zuteil wurde und wird. Obwohl er es auf gerade einmal vier Erstligaspiele brachte und bei den letzten dreien, für Atlético Colón de Santa Fé, verletzt ausgewechselt wurde.

Es gibt kaum Videos von „El Trinche“, Zeitungsberichte und mündliche Überlieferungen allein begründen seinen Ruhm. Und ein legendäres Spiel im Jahre 1974 vor der in Deutschland anstehenden Fußballweltmeisterschaft. Argentiniens Nationalmannschaft reiste zum Testspiel nach Rosario, trat gegen eine Stadtauswahl an, die sich aus jeweils fünf Spielern der Erstligisten Newell’s Old Boys und Rosario Central zusammensetzte plus „El Trinche“, der beim damaligen Zweitligisten Central Córdoba seine Stiefel schnürte.

Der Mann des Spiels: „El Trinche“, der aus dem defensiven Mittelfeld die Fäden zog und spielte wie auf dem Bolzplatz: Hacke, Spitze, eins, zwei, drei. Beim Stand von 3:0 für Rosario und nachdem Argentiniens Nationaltrainer der Legende nach um Auswechslung von „El Trinche“ gebeten hatte, ging dieser nach 60 Minuten unter stehenden Ovationen vom Platz, zog sich um und war schon in der Stammkneipe in seinem Viertel bevor der Schlusspfiff ertönte.

Nationaltrainer Luis César Menotti soll „El Trinche“ vor der Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 in ein Trainingslager eingeladen haben. Mitspieler erzählen, dass er stattdessen am Río Paraná fischen ging. Ganz genau wusste es „El Trinche“ 2019 als er in einem Interview danach gefragt wurde, nicht mehr. Auf einer Stufe mit Maradona stellte er sich nicht: „Man kann Maradona nicht mit mir vergleichen, von ihm kann man viel lernen.“ „El Trinche“ dürfte so in Erinnerung bleiben, wie er sich das gewünscht hat: „Ich möchte so geliebt werden, wie ich jetzt geliebt werde, von den Bussen begrüßt oder angehupt werden, wie sie es jetzt tun, weil ich hier in Rosario überall mit dem Fahrrad fahre. Das macht mich glücklich.“ Zwei Bücher, Dokumentationen und ein Theaterstück wurden „El Trinche“ gewidmet. Es hatte am 5. April in Buenos Aires mitten auf der Avenida Corrientes im Centro Cultural de la Cooperación Premiere: „El Trinche, el mejor futbolista del mundo” (El Trinche, der beste Fußballer der Welt). Jorge Eines, Regisseur des Stücks, sagt, dass Carlovich „der perfekte Aufhänger war, um viele Dinge aus der Welt des Fußballs und der Gesellschaft zu erzählen“.

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