Film | Nummer 308 - Februar 2000

Das „Gesetz des Herodes“

Mexikos PRI versucht, einen mißliebigen Film über Korruption zu zensieren

Sandra Weiss

Das „Gesetz des Herodes“ nannte der mexikanische Regisseur Luis Estrada („Bandidos“, „Ambar“) seinen neuesten Film. Er ahnte dabei wohl nicht, daß er bald selbst mit diesem ungeschriebenen Gesetz Bekanntschaft schließen würde, das da besagt „o te chingas o te jodes“ (entweder wirst du erledigt oder zur Sau gemacht). Estradas umstrittene Politsatire spielt in den 40er Jahren und schildert die Karriere von Juan Vargas, einem harmlosen, etwas dämlichen Anhänger der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die seit 1929 Mexiko regiert. Vargas wird vom Gouverneur seiner Provinz zum Bürgermeister von San Pedro de los Saguaros ernannt, mit dem Auftrag, Fortschritt und Modernität in das von Indígenas bewohnte Wüstenkaff zu bringen. Angesichts der Ebbe in der Gemeindekasse holt Vargas sich bei seinem Gouverneur Rat und wird mit einer Pistole und einem dicken Gesetzbuch entlassen. „Wenn du das richtig einsetzt, wirst du eine Menge Geld einnehmen“, gibt ihm der Gouverneur mit auf den Weg. Und Vargas beherzigt diesen Rat, wobei er von einem fetten, raffgierigen Priester und einer rabiaten Bordellbesitzerin, die den frischgebackenen Bürgermeister schmiert, unterstützt wird.
Es folgen Szenen voller Machismo, Mord, Größenwahn und Einschüchterungen der Opposition. Letztere wird durch den Dorfarzt, einen Anhänger der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN), der zwar in der Öffentlichkeit die Fahne der guten Sitten hochhält, zu Hause aber seine Dienstmagd vergewaltigt, verkörpert.
Das Thema der Korruption und Doppelmoral in der Politik ist nicht neu im mexikanischen Film, wohl aber, daß Estrada die Regierungspartei PRI beim Namen nennt und deren Slogan von „Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit” bloßstellt. Das stieß natürlich dort auf Mißfallen. Die PRI hat ironischerweise über das staatliche Filminstitut (Imcine) den Streifen zu 60 Prozent mitfinanziert, dessen Aufführung sie nun verhindern will. „Wahrscheinlich haben sie bei Imcine geschlafen und nicht richtig gemerkt, worum es in dem Film eigentlich ging“, versucht eine Mitarbeiterin der mexikanischen Kulturbehörde diesen Widerspruch zu erklären.

Zensurversuche

Als der Direktor von Imcine, Amarena, „aufwachte“, versuchte er mit allen Mitteln, die Premiere beim Filmfestival von Acapulco im November zu torpedieren. Amarena habe ihm vorgeworfen, ohne Rücksprache das Ende des Films verändert zu haben, sagte Regisseur Estrada. Nach der Intervention des Regisseurs und der Schauspieler in den Medien, sowie des französischen Botschafters Delaye als Schirmherr der Veranstaltung, mußte Amarena einen Rückzieher machen. Der Film wurde gezeigt. Den Vorwurf der Manipulation des Schlusses habe er widerlegt, sagte Estrada. Amarena habe aber argumentiert, es sei außerdem zu „gefährlich“ den Film vor den Präsidentschaftswahlen zu zeigen und schlug vor, die Vermarktung auf später zu verlegen. Estrada lehnte ab. Daraufhin zeigte Imcine ohne dessen Einwilligung, ohne Vorankündigung und ohne Werbung drei Tage lang das „Gesetz des Herodes“ in zwei Programmkinos von Mexiko-Stadt. Offenbar mit der Absicht, Estrada in einen langwierigen Rechtsstreit zu verwickeln und so weitere Aufführungen vorerst zu verhindern.
Der Protest von Filmschaffenden aus Europa und den USA und die Presseberichterstattung, die der PRI Zensur vorwarf, brachte Verhandlungen zwischen beiden Seiten in Gang. Schließlich kaufte Estrada Imcine die Rechte an seinem Film ab und verpflichtete sich, ihr den Anteil an den Produktionskosten zurückzuerstatten. Nach der Einigung und drei Tagen Aufführung wurde die nicht-autorisierte Kopie des „Gesetz des Herodes“ vom Spielplan der Programmkinos genommen. Amarena wurde gefeuert; Estrada errang einen Etappensieg. Nun bleibt abzuwarten, ob die privaten Verleiher nach diesem Skandal weiterhin Interesse am „Gesetz des Herodes“ haben und den Film erwerben.

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