Kolumbien | Nummer 421/422 - Juli/August 2009

„Eine nachhaltige Produktion von Palmöl gibt es nicht“

Interview mit der kolumbianischen Menschenrechtsaktivistin Ana María Lozano

Ana María Lozano arbeitet bei der christlichen Menschenrechtsorganisation Justicia y Paz in Kolumbien. Im Interview spricht sie über den Widerstand der afrokolumbianischen Gemeinschaften an den Flüssen Curvaradó und Jiguamiandó gegen andauernde Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen durch Paramilitärs und staatliche Gewalt. Obwohl die Gemeinschaften offizielle Landtitel besitzen, werden auf dem Land illegal Ölpalmen in endlosen Monokulturen angebaut.

Jochen Schüller

Gibt es Ihrer Meinung nach eine nachhaltige Produktion von Palmöl?
Nein. Um rentabel zu produzieren, und das wollen die Unternehmen schließlich, sind Monokulturen nötig. Dadurch wird immer Umwelt zerstört und werden immer Bauern und Bäuerinnen gewaltsam vertrieben werden. Und damit wird auch die Produktion von Nahrungsmitteln beendet, mit denen sich die Kleinbauern selbst und das ganze Land ernähren könnten. Das bedeutet für Kolumbien: Anstatt einen Großteil für den Eigenbedarf zu produzieren, müssen wir nun importieren. Wir glauben weder daran, dass eine nachhaltige Produktion möglich ist, noch an die Sozialverantwortlichkeit der Unternehmen. Deren Kriterien übergehen immer die Bedürfnisse und das Leben der Gemeinschaften, die die eigentlichen „Besitzer“ des Landes sind.

Von ihrem Land wurden die Gemeinschaften bereits mehrfach vertrieben, oder?
Ja. Nach der ersten Vertreibung von 1996 versuchten einzelne Grüppchen in die Region zurück zu kehren. Doch 2001 wurden sie erneut vertrieben. Von Curvaradó sind alle geflohen, dort wurde dann damit begonnen, Palmölplantagen zu errichten. Die Vertreibung fällt genau mit dem Beginn der Pflanzungen zusammen. Sie fingen am Fluss Curvaradó an und setzten sich fort bis zum Gebiet des Jiguamiandó.
Die Firmen haben immer behauptet, dass sie Besitztitel für dieses Land hätten. Doch wir haben beweisen können, dass sich die Plantagen auf dem Land der afrokolumbianischen Gemeinschaften befinden. Die Palmölunternehmen haben auch behauptet, tausende Hektar gekauft zu haben. Auch hier konnte bewiesen werden, dass notarielle Dokumente und Unterschriften gefälscht worden sind, so dass die Unternehmen das Land zurück geben müssten, was jedoch bislang nicht geschehen ist.

Gab es auch Menschenrechtsverletzungen im Verlauf der Vertreibungen?
Wir haben seit 1996 an die 120 Fälle von Ermordungen und Verschwindenlassen dokumentiert. Als letztes wurde vergangenes Jahr Wilberto Hoyos in der so genannten Humanitären Zone von Caño Manso ermordet. Die Menschen an diesen beiden Flussläufen haben 15 Vertreibungen erlitten: für 13 sind Paramilitärs und Armee verantwortlich, für eine die Guerilla und eine geschah durch Gefechte.

Gibt es Verbindungen zwischen den Palmölunternehmen und Paramilitärs und der Armee?
Seit Beginn der Aussaat der Ölpalmen haben Armee und Paramilitärs die Plantagen bewacht. Die Zugangswege zum Gebiet des Curvaradó wurden von den Paras versperrt. Außerdem haben wir herausgefunden, dass in Caño Manso die Vereinigung ASOPROBEBA aktiv ist, deren Vertreterin Sor Teresa Gómez ist. Diese hat enge Verbindungen zur Familie Castaño [führende Paramilitärs; Anm. d. A.]. Zurzeit wird gegen sie wegen der Ermordung einer Bauernführerin in der Provinz Córdoba im Januar 2007 ermittelt. Außerdem ist sie die legale Vertreterin von FUNPASCOR, einer Organisation, die schon in den 1980er Jahren von der Familie Castaño gegründet wurde. Darüber hinaus sind auch einige Familien, zum Beispiel die Familie Zúñiga Caballero, hier aktiv, die mit dem Drogenhandel in Verbindung gebracht werden.

Und was haben die PalmölproduzentInnen damit zu tun?
Die Familie Zúñiga Caballero ist im Vorstand der zwei Unternehmen Urapalma und Palmado. Sie sind auch an der Ölmühle in Bajirá beteiligt, wo das Palmöl gepresst wird. Es gibt Indizien dafür, dass hier Drogengeld gewaschen wurde. Wenn Du in der Region bist, siehst Du ständig Leute mit Motorrädern, die von den Menschen hier als Paramilitärs wiedererkannt werden. Oft sind sie die Vorarbeiter in den Plantagen.

Wird gegen diese Leute ermittelt?
Seit Dezember 2007 wird gegen 23 Unternehmer wegen Vertreibung und Mord ermittelt. Doch das läuft sehr langsam, obwohl es mehr als 100 Zeugen gibt. Gegen die Vertreter der afrokolumbianischen Gemeinschaften wird auf der anderen Seite aber sehr wohl ermittelt. Sie werden als Terroristen der FARC-Guerilla (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) angeklagt.

Was ist mit der Verantwortung der Militärs?
Gegen Rito Alejo del Río wird gerade prozessiert. Der Fall betrifft die Gemeinschaft am Fluss Cacarica und die Ermordung von Marino López. Es wäre ein erster Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit, wenn Rito Alejo für die Verbrechen verurteilt würde, für die er als Kommandant der 17. Brigade verantwortlich war. Und es ist wichtig, die paramilitärischen Strukturen zu zerschlagen, die weiterhin operieren. Nicht mehr in Tarnuniformen und mit automatischen Gewehren, sondern in zivil, mit Pistolen bewaffnet. Sie verbreiten weiterhin Angst und Schrecken und bedrohen die Leute.

Auch Justicia y Paz wurde schon massiv bedroht. Nützen internationale Proteste etwas?
Wir glauben, dass sie sehr geholfen haben. Bei den Treffen mit der Regierung wurden internationale Protestbriefe erwähnt und kurze Zeit später sank das Niveau der Repression und der Bedrohung. Deshalb konnten wir im Curvaradó weitermachen, wir mussten die Region nicht verlassen. Ohne den internationalen Druck wäre es für uns sehr schwer, die Gemeinschaften weiter zu begleiten.

Und ist mittlerweile schon Land zurück gegeben worden?
Im Februar 2009 haben sie einen Teil des Landes der Gemeinschaften El Cetino und Camelia an das Landwirtschaftsministerium übergeben, das wiederum die Rückgabe regeln müsste. Doch auch das ist bislang nicht geschehen. Außerdem gibt es ein Problem mit den Plantagen auf diesem Land, die teilweise an einem Parasit erkrankt sind. Die Gemeinschaften wollen das Land mit den erkrankten Palmen und den damit verbundenen Kosten nicht übernehmen oder womöglich sogar für die weitere Ausbreitung der Plage verantwortlich gemacht werden. Das Ministerium muss dieses Problem lösen, da es nicht von den Gemeinschaften verursacht wurde.

Was genau sind die Forderungen der Gemeinschaften?
Dass ihnen das Land „gesund“ zurück gegeben wird. Ich bin keine Expertin in dieser Frage, aber man müsste die Palmen wohl fällen. Das ist die Erfahrung aus anderen Landesteilen, wo sich diese Plage ausgebreitet hat. Generell wollen die Leute aber überhaupt keine Palmölpflanzungen. Doch die Palmölunternehmen schlagen „strategische Allianzen“ vor. Die Leute sollen die Palmen behalten und ins Geschäft einsteigen. Wir kennen das aus anderen Regionen. Die Leute verlieren ihr Land wieder, weil sie diese Art des Anbaus nicht kennen und nicht beherrschen. Es sind ja keine Nahrungsmittel. Und die großen Unternehmen beherrschen den Markt und bestimmen den Kaufpreis. Aber das Palmölprojekt schreitet immer weiter voran, anstatt gestoppt zu werden. Bagger, Laster und Arbeiter tun weiterhin ihre Arbeit. Richtung Süden, im Gebiet des Jiguamiandó wird weiter der Urwald abgeholzt und es gibt eine neue Baumschule. Soweit wir wissen, hat der Unternehmer Jaime Sierra von Urapalma sie angelegt.

Was ist mit der Frage nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung?
Die Gemeinschaften fordern Gerechtigkeit für all die Verbrechen, die seit 1996 geschehen sind. Für die Leute bedeutet das in erster Linie, dass sie wieder so leben können wie früher, dass sie Bildung bekommen und auf ihrem Land säen und ernten können. Wir versuchen gerade einen Bewusstseinsprozess anzustoßen, dass die Leute sich darüber klar werden, was alles zerstört wurde, um eine „integrale“ Wiedergutmachung zu erreichen. Denn für die Regierung heißt Wiedergutmachung lediglich eine monatliche Zahlung an die Betroffenen. Doch die Leute wollen ein würdevolles Leben leben, auf ihrem Land, wo sie selbst entscheiden, was und wie sie dort anbauen.

Was ist Ihrer Meinung nach wichtig für die Zukunft, um den Konflikt zu lösen?
Es ist wichtig zu begreifen, dass die Agrokraftstoffe weder für den Klimawandel noch für die Energieproduktion eine Lösung sind. In einer Diskussion hat einmal ein Experte erklärt, dass wir drei Planeten bräuchten, um die Masse an Energie aus Agrokraftstoffen zu produzieren, wenn wir das aktuelle Modell des Energieverbrauchs beibehalten wollten. Das ist also nicht die Lösung! In Kolumbien bedeutet die Produktion von Agrokraftstoffen eine große Zahl an Menschenrechtsverletzungen, viele Menschen werden ermordet oder verlieren ihre Lebensgrundlage. Es sollte nichts gekauft werden, durch das die Menschenrechte verletzt werden, wie das bei Agrokraftstoffen geschieht.

// Interview: Jochen Schüller

Kampf um Land
Die afrokolumbianischen Gemeinschaften an den Flüssen Curvaradó und Jiguamiandó im Nordwesten Kolumbiens besitzen kollektive Landtitel. Im Fall Curvaradó sind es offiziell 46.084 Hektar und im Fall Jiguamiandó 54.973 Hektar kollektiver Gemeindebesitz. Doch trotz offizieller Landtitel werden auf dem Land illegal Ölpalmen angebaut. Ein großer Teil des Palmöl ist für den Export nach Eruopa bestimmt. Die Gemeinden wurden mehrmals vertrieben. Der Urwald, die kleinen Felder und Weiler der afrokolumbianischen Kleinbauernfamilien wurden zerstört. Der Staat setzt die Landrechte der Gemeinden nicht durch, im Gegenteil, die Plantagen werden von den staatlichen Streitkräften geschützt. Die Kleinbauernfamilien haben sich organisiert und fordern ihr Land zurück. Bislang haben sie jedoch keinen Zentimeter Land zurück bekommen.

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