Honduras | Nummer 408 - Juni 2008

Hungern für Gerechtigkeit

StaatsanwältInnen streiken gegen Straflosigkeit und Korruption

38 Tage befand sich eine Gruppe von StaatsanwältInnen im Hungerstreik. Nun wurde der Streik vorläufig ausgesetzt, doch die Forderungen bleiben bestehen.

Matthias Klassen

Am 15. Mai erklärten die StaatsanwältInnen, ihren 38 Tage andauernden Hungerstreik gegen Korruption und Straflosigkeit vorläufig auszusetzen. „Der Kampf wird weitergehen. Wir befinden uns in einer Periode der Neuorientierung unserer Aktionen“, so Jari Dixon, einer der Beteiligten.
Denn geändert hat sich an der Situation bislang nichts. In Honduras existiert eine traurige Tradition der Straflosigkeit, besonders wenn politische und ökonomische Eliten beteiligt sind. Um Abhilfe zu schaffen wurde 1994 eine neue Behörde gegründet: Das Ministerio Público, das als von der Regierung unabhängiges Ministerium Klagen von BürgerInnen gegen FunktionärInnen des Staates wegen Rechtsverstößen verfolgen soll. Genützt hat es wenig. So untersagte Leónidas Rosa Bautista, Generalstaatsanwalt und Chef des Ministerio Público, den ermittelnden StaatsanwältInnen beispielsweise, die Archive der Steuerbehörde zu öffnen. Hinzu wurden in der Vergangenheit engagierte StaatsanwältInnen häufig abberufen oder versetzt, in den schlimmsten Fällen sogar verschleppt und ihre Stellen mit „gehorsamen“ BeamtInnen besetzt. Am 7. April reichte es acht StaatsanwältInnen: Sie begannen vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tegucigalpa einen Hungerstreik und forderten vor allem die Entlassung von Rosa und seines Stellvertreters Omar Cerna. Beiden werfen sie vor, Korruptionsprozesse gegen SpitzenvertreterInnen der honduranischen Politik und Wirtschaft zu verschleppen, da bestimmte Verfahren oftmals solange nicht aufgenommen werden, bis sie verjährt sind.
Mit ihrem Hungerstreik – dem sich bis zu seiner vorläufigen Aussetzung 43 weitere Personen angeschlossen hatten – rührten die StaatsanwältInnen an einem Hauptproblem des honduranischen Rechtssystems: dem enormen Einfluss der Elite des Landes, die sich im Grunde aus wenigen Familien zusammensetzt. Die Familienclans dominieren die beiden einzigen im Parlament vertretenen Parteien, die regierende Liberale Partei (PL) sowie die Nationale Partei (PN). Auch Rosa und Cerna sind Vertreter dieser Parteien. Dass deren Vorgänger 2005 auf Grund der gleichen Vorwürfe zurücktreten mussten, verweist auf die strukturelle Problematik der Strafverfolgung gegen die Mächtigen. Daher fordern die Streikenden auch die Einrichtung eines Mechanismus, der die Nichteinmischung durch hohe FunktionärInnen bei der Strafverfolgung garantiert. Außerdem verlangen sie die Freigabe der Akten von 16 Korruptionsfällen, die die Generalstaatsanwaltschaft unter Verschluss hält. Inzwischen fordern einige der Streikenden sogar die Auflösung des Parlaments, das für die Einsetzung von Rosa und Cerna verantwortlich war. „Dieses Parlament ist keine Volksvertretung. Es steht auf der Seite der Mächtigen und deckt ihre Korruption“, erklärt Jari Dixon. Zwar hatten die StaatsanwältInnen 2005 keine Einwände gegen die Ernennung von Rosa und Cerna, inzwischen lehnen sie ihre Autorität jedoch ab.
Die Aussetzung des Hungerstreiks ist kein Ergebnis der Verhandlungen zwischen Delegationen des Nationalkongresses und der StaatsanwältInnen, die seit Anfang Mai stattfanden. Vielmehr erfolgte sie in Absprache mit den Organisationen, die sich den Forderungen der JuristInnen angeschlossen haben. Dazu gehören Gewerkschaften, Teile der Kirche sowie Studierenden- und Indigenenverbände. In den letzten Wochen hatten diese in mehreren Städten Solidaritätsdemonstrationen organisiert, an denen tausende Personen teilnahmen. Angesichts der in den letzten Monaten enorm gestiegenen Lebensmittelkosten, befürchteten die AktivistInnen aber, dass der Hungerstreik eine zu große Ablenkung der Medienaufmerksamkeit von diesem Problem und den Protesten dagegen darstelle .

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