Mexiko | Nummer 402 - Dezember 2007

Die Kolumbianisierung Mexikos

Der Plan México zeigt langsam seine beunruhigenden Konturen

Seit Monaten kursieren in der mexikanischen und US-Presse Gerüchte über ein umfangreiches Sicherheitsabkommen zwischen beiden Länder. Offizielles Hauptargument ist wie beim Plan Colombia die Bekämpfung des Drogenhandels. Doch inzwischen deutet sich ein weit umfangreicheres Vorhaben an.

Carolina Hernández, Manuel Burkhardt

Der Plan México nimmt allmählich Formen an, zumindest sein finanzieller Rahmen. Ende Oktober beantragte US-Präsident George W. Bush beim Kongress die Bewilligung von 500 Millionen US-Dollar, um den Plan México in Kraft zu setzen. Insgesamt will Bush in den nächsten drei Jahren den Plan mit 1,4 Milliarden US-Dollar unterstützen. Mexiko will in diesem Zeitraum sogar sieben Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen.
Doch was verbirgt sich hinter dem Plan México genau? Diese Frage beschäftigt angesichts der spärlichen und widersprüchlichen Informationspolitik die Öffentlichkeit und Parlamente beider Länder. Klar ist, dass es sich um eine bilaterale Sicherheitskooperation bisher unbekannten Ausmaßes handelt, auf deren Grundzüge sich Bush und der mexikanische Präsident, Felipe Calderón, im März dieses Jahres verständigten.
Laut Stellungnahme der US-Regierung vor dem Kongress ist die Hauptintention des Plans die Unterstützung Mexikos beim Kampf gegen den Drogenhandel. Daneben gehe es um den Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen sowie um Grenzsicherung; der Plan sei daher von herausragender Bedeutung für die Sicherheitsinteressen der USA. Der Pressesprecher des Weißen Hauses äußerte zudem, der Plan beinhalte Maßnahmen zur Verbesserung der Strafverfolgung in Mexiko und den USA.
Die mexikanische Seite gibt sich noch bedeckter. Als Außenministerin Patricia Espinoza vor Monaten erstmals von der Presse auf den Plan angesprochen wurde, stritt sie dessen Existenz rundweg ab. Im Oktober erklärte sie bei einer Senatsanhörung, es handele sich vor allem „um ein Programm, das bei vollständiger Berücksichtigung der mexikanischen Souveränität erlaubt, die technischen, personellen und operativen Fähigkeiten des mexikanischen Staates in der Bekämpfung des Drogenhandels zu steigern“. Allerdings musste sie auf Anfrage bestätigen, dass der Plan auch die Verschärfung der Kontrollen der mexikanischen Südgrenze sowie die digitale Erfassung aller Migrationsbewegungen Richtung Norden beinhaltet.
Die wenigen Details, die über das Vorhaben bisher bekannt sind, stammen vor allem aus der US-Presse. Im Dallas Morning und der Washington Post hieß es, der Großteil der Gelder solle in die Aufrüstung und Ausbildung der mexikanischen Streitkräfte fließen. Geplant sei unter anderem die Lieferung von US-Hochtechnologie, wie Überwachungshelikopter und Truppentransportflugzeuge sowie Spionageausrüstung zur Telefon- und Radarüberwachung. Allerdings solle diese Technik nur geliefert werden, wenn Mexiko den USA die Überwachungsergebnisse zur Verfügung stelle.
In der mexikanischen Öffentlichkeit wird das Vorhaben derweil heftig diskutiert und kritisiert. Befürchtet werden vor allem die Abtretung mexikanischer Souveränitätsrechte an die USA sowie eine „Kolumbianisierung“ Mexikos. So erinnert das Vorhaben stark an den Plan Colombia, der Sicherheitskooperation zwischen den USA und Kolumbien, der ebenfalls mit dem Argument der Bekämpfung der Drogenökonomie Ende der 90er Jahre auf den Weg gebracht wurde. Inzwischen haben allein die USA über 4 Milliarden US-Dollar in den Plan Colombia investiert, doch die Resultate sind verheerend. Von einer Reduzierung des Drogenhandels kann keine Rede sein, stattdessen verstärkt der Plan die Militarisierung der kolumbianischen Gesellschaft, unterhöhlt die institutionelle Kontrolle über die Streitkräfte und führt zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Um Vergleiche mit dem umstrittenen US-kolumbianischen Projekt zu vermeiden, tauften die Regierungen beider Länder den Plan inzwischen in „Initiative Mérida“ um.
Soweit bislang ersichtlich, unterscheidet sich der Plan México von seinem kolumbianischen Pendant vor allem in einem Punkt: US-Soldaten sollen an den Operationen auf mexikanischem Territorium nicht teilnehmen, weder in ausführender Form noch beratend oder vorbereitend. Ein solcher Schritt wäre in Mexiko derzeit politisch nicht durchsetzbar. Andererseits ist klar, dass das mexikanische Militär allein bei Bedienung und Wartung der zu liefernden Technologie auf die USA angewiesen sein wird.
Jorge Castañeda, Außenminister unter Präsident Fox (2000-2006), äußerte in der US-Zeitschrift Newsweek, dass es zu teuer sei, größere mexikanische Einheiten zu Schulungszwecken in die USA zu schicken. Stattdessen würden private US-Sicherheitsfirmen zum südlichen Nachbarn geschickt werden, um mexikanische Militärs und/oder Paramilitärs zu trainieren. Der renommierte US-Sicherheitsexperte Sam Logan glaubt, der größte Nutznießer des Deals werde Blackwater USA sein, jener private „Dienstleistungsanbieter“ im Bereich Militär und Sicherheit, der vor allem wegen der Erschießung von ZivilistInnen im Irak und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen immer wieder in die Schlagzeilen gerät. Für Verärgerung sorgt in Mexiko die intransparente Art und Weise, wie die Regierung vorgeht. Über Monate gab es nur ausweichende und widersprüchliche Stellungnahmen. So hatte der mexikanische Botschafter in Washington, Arturo Sarukhán, in einem Interview gesagt, Mexiko würde in den nächsten Jahren 7 Milliarden US-Dollar in den Plan investieren. Calderóns Pressesprecher beeilte sich daraufhin zu erklären, Sarukhán würde sich irren. Inzwischen musste die Regierung zugeben, dass die Summe stimmt.
Doch nicht nur die Presse muss um Informationen betteln. Die Geheimhaltungsstrategie der Regierung treibt auch PolitikerInnen in die Verzweiflung. „In Gottes Namen, geben Sie uns das Dokument zur Analyse. Oder müssen wir die USA darum bitten?“, waren jüngst die sarkastischen Worte des Senatsabgeordneten Ricardo Monreal gegenüber Außenministerin Espinoza.
In der Tat weigert sich die Regierung weiterhin, die schriftliche Fixierung des Plans zumindest der Legislative in Mexiko zur Verfügung zu stellen. Espinoza erklärte, da es sich nicht um einen bilateralen Vertrag, sondern bloß um eine „politische Vereinbarung“ handele, müsse der Plan nicht vom Senat bestätigt werden. Und da die finanziellen Mittel durch Umschichtungen des bestehenden Etats gewonnen werden, bedürfe es auch keiner Absegnung dieser durch das Parlament.

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