Nicaragua | Nummer 598 - April 2024

Trotz aller Hürden ein Erfolg

Der UN-Klimafonds kündigt Finanzhilfen für Umweltschutzprojekt in indigenen Gebieten in Nicaragua auf

Es waren gleich zwei herbe Rückschläge für Nicaraguas Präsidenten Daniel Ortega und Vizepräsidentin Rosario Murillo: Zuerst entzieht der UN-Klimafonds dem Land das millionenschwere Umweltschutzprogramm Bio-Clima, das den besseren Schutz der Biosphärenreservate in Nicaraguas Karibikregion gewährleisten sollte. Kurz darauf kündigt die neue Chefin der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration einen Paradigmenwechsel an und bringt die nicaraguanische Regierung mit der vorläufigen Aussetzung weiterer Darlehen in eine Kreditklemme.

Von Elisabeth Erdtmann
Von Gewalt und Plünderungen heimgesucht Mayangna auf dem Rio Lakus (Foto: Joe Townsend via Flickr (CC BY-NC-ND 2.0 Deed))

Der Grüne Klimafonds (GCF) geht auf die UN-Klimaschutzkonferenz COP16 im Jahr 2010 zurück. Er ist der Finanzierungsmechanismus des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen, der eingerichtet wurde, um die Bemühungen der Entwicklungsländer zur Bewältigung des Klimawandels zu unterstützen.

Für Nicaragua hatte die Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) den Finanzierungsvorschlag für das Umweltschutzprojekt Bio-Clima beim GCF eingereicht und wurde von diesem im November 2020 genehmigt. Das Projekt sieht integrierte Klimaschutzmaßnahmen zur Verringerung der Entwaldung und Stärkung der Anpassungsfähigkeit in den Biosphärenreservaten Bosawás und Río San Juan vor. Am 12. August 2021 unterzeichneten BCIE und GCF eine entsprechende Finanzierungsvereinbarung über 116,6 Millionen US-Dollar, wovon die BCIE ihrerseits 44,2 Millionen über ihr Armutbekämpfungsprogramm beisteuern sollte.

Am 7. März 2024 kündigte der GCF die endgültige Annullierung des Bio-Clima-Projekts an. Grund dafür seien eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die Vertragsvereinbarungen. Zudem hatte es in den indigenen Territorien Bosawás und Indio Maíz, die als Projektgebiete ausgewiesen waren, immer wieder Gewalt durch Siedler gegeben.

Dem vorausgegangen war, dass im Juni 2021 Mitglieder betroffener indigener und afro-deszendenter Gemeinschaften Beschwerde beim unab­hängigen Rechtsbehelfsmechanismus (IRM) des Fonds eingereicht hatten. Die Begründung der Beschwerde stützte sich im Wesentlichen auf drei Punkte: Erstens das Fehlen einer angemessenen Konsultation der betroffenen Gemeinden; zweitens die Wahrscheinlichkeit verstärkter Umweltzerstörung und die Zunahme von Angriffen bewaffneter nicht-indigener Siedler; drittens die wahrscheinliche Nichteinhaltung beziehungsweise Unfähigkeit der akkreditierten und durchführenden Institutionen, die GCF-Richtlinien und -Verfahren sowie die vom GCF-Verwaltungsrat des Projekts auferlegten Bedingungen einzuhalten. Der IRM leitete daraufhin eine Untersuchung ein, deren Ergebnis dazu führte, das Bio-Clima-Projekt dauerhaft auszusetzen. Ausschlaggebend hierfür war die Anerkennung der von den Beschwerdeführer*innen vorgetragenen Argumente, dass davon auszugehen sei, dass Richtlinien und Verfahren zum Umweltschutz nicht eingehalten würden und der Schutz der in diesen Gebieten lebenden Bevölkerung nicht gewährleistet sei.

Aussetzung des Projekts ist Bestätigung für widerständige Gemeinden

Der ins Exil gezwungene nicaraguanische Umweltaktivist Amaru Ruiz, Leiter der renommierten Umweltschutzorganisation Fundación del Río, erklärte hierzu gegenüber der Nachrichtenplattform Confidencial, die Aussetzung des Projekts sei eine enorme Bestätigung für den Widerstand der indigenen und afro-deszendenten Gemeinschaften Nicaraguas. Dies gelte insbesondere für das Mayangna Sauni As-Gebiet, „das am stärksten Widerstand geleistet hat, in dessen Territorium eingedrungen wurde und wo sich die Massaker konzentriert haben”. Die Ablehnung des Projekts stehe im Zusammenhang damit, dass in den vergangenen zehn Jahren in Nicaragua mehr als 70 Miskitos y Mayangnas aufgrund der Invasion von bewaffneten Siedlern in Indigenengebiete ermordet wurden, ohne dass die Eindringlinge für ihre Taten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würden.

Vizepräsidentin Murillo kommentierte die Ereignisse auf eigene Art: „Wir lehnen das Sekretariat des Grünen Klimafonds ab, das durch intransparente Prozesse und Verfahren und unethische Praktiken die Finanzierung des Bio-Clima-Projekts gestrichen hat, das für den Schutz und die Verteidigung der Biosphärenreservate (…) durch Reduzierung der Abholzung, Steigerung der Wiederaufforstung und die Schaffung von Anpassungsfähigkeit konzipiert wurde”. Zu den Umweltzerstörungen, Überfällen und Morden kein Wort. Für Amaru Ruiz dagegen ist klar, dass der GCF mit seiner Entscheidung der Tatsache Rechnung getragen hat, dass „die Ortega-Murillo-Diktatur nebst ihren Komplizen in der Karibik” in Nicaragua „diejenigen sind, die die meisten natürlichen Ressourcen geplündert haben und plündern (vor allem für Gewinne aus Holz, Gold, Viehzucht und Palmöl)”.

Der nächste Schlag kam mit der Berufung von Gisela Sánchez an die Spitze der BCIE. Diese erklärte am 7. März in einem Interview mit Redacción Regional, einem zentralamerikanischen Medienkonsortium, dass die Bank Nicaragua und El Salvador nur noch begrenzt neue Kredite gewähren könne, da beide Länder „die Grenzen der Kredite, die sie erhalten können, bereits überschritten haben”. Auch ihre Mitteilung, mit der Übernahme der Leitung des Finanzressorts werde sie den Kurs ihres Vorgängers Dante Mossi korrigieren, dürfte bei Ortega und Murillo für Unruhe sorgen. Mossi hatte sich den Ruf erworben, ein Bankier der Diktatoren und finanzieller Loyalist von Daniel Ortega, Nayib Bukele und dem honduranischen Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández, der inzwischen wegen Drogenhandels und Waffendelikten in den USA verurteilt wurde, zu sein. In einem zwei Tage später veröffentlichten „Erläuternden Kommuniqué” kündigte Sánchez an, ihr Darlehensportfolio in Zentralamerika zu diversifizieren „und damit allen Ländern der Region mehr Finanzierungsspielraum zu eröffnen”. Damit wolle sie zum Ausdruck bringen, dass sie allen Ländern besser dienen könne, wenn die BCIE ihre Beteiligung in jenen Ländern erhöhe, in denen das Portfolio mehr Wachstumspotenzial bietet. Im Klartext: mehr Gewinnchancen generiert. Ausgesprochen positiv über die Strategie von Sánchez äußerte sich der ehemalige BCIE-Direktor für Costa Rica, Eduardo Trejos, am 10. März in einem Interview in der Sendung Esta Semana auf dem Confidencial-Youtube-Kanal: „Es ist die richtige Entscheidung. Wir haben uns schon seit zweieinhalb Jahren damit beschäftigt, da sowohl El Salvador als auch Nicaragua ihre Grenzen erreicht hatten. Damals hatte man unter der Leitung von Mossi einige technische Tricks angewandt, damit sich die Darlehensbeschränkungen nicht direkt niederschlugen und man weiterhin Kredite vergeben konnte.”

Der Kurswechsel der BCIE ist also keineswegs der katastrophalen Menschenrechtslage in Nicaragua geschuldet, von daher kein Vorgang, über den sich Regimekritiker*innen freuen könnten. Wie wenig indigene Belange selbst bei internationalen Institutionen und offiziellen Akteur*innen bei der Kanalisierung von Geldern über beteiligte Regierungen tatsächlich zählen, zeigt sich an der Nachlässigkeit oder dem absichtlichen Versagen von Kontrollmechanismen am Beispiel des Bio-Clima-Projekts in Nicaragua besonders deutlich. Unter Missachtung der vertraglichen Vereinbarungen, den Schutz indigener Gemeinschaften sicherzustellen und den weiteren Raubbau an der Natur ihres Lebensraums zu verhindern, hat die Diktatur zugunsten eigener wirtschaftlicher Interessen in den indigenen Gebieten auf die Siedlergewalt nicht reagiert und stattdessen Miskito- und Mayangna-Waldhüter verhaften lassen. Erst im vergangenen Februar wurden vier indigene Mayangna zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, Anführer krimineller Banden zu sein, doch nach Angaben lokaler Autoritäten handelt es sich um anerkannte Waldhüter (entsprechend hiesigen Förstern) des Gebiets Mayangna Sauni As. Es vergeht praktisch kein Monat, ohne dass sich Übergriffe, Überfälle und Morde in den indigenen Dörfern ereignen.

Kein Monat ohne Übergriffe

Die BCIE, per Definition dafür verantwortlich, „sicherzustellen, dass die erste Stufe durch die dem Projekt am nächsten stehenden Akteure mit der nötigen Sorgfaltspflicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde”, hat sich dagegen um Vertuschung bemüht. Die Untersuchung des Grünen Klimafonds durch den IRM ergab, dass wichtige Informationen wie die Situation der systematischen Gewalt gegen die indigene Bevölkerung verschwiegen wurden. Bei mehreren Gelegenheiten erklärte die BCIE − damals unter der Leitung von Dante Mossi − „dass sie mit den Gebieten, in denen das Projekt durchgeführt wird, sehr vertraut ist”. Detaillierte Informationen über das Ausmaß und die Schwere der Gewalt blieb sie jedoch schuldig. Vielmehr zog sich sie darauf zurück, wegen fehlender Datenlage eine um­fassendere Analyse auf eine spätere Phase des Projekts verschieben zu wollen.

Aber auch die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) trifft der Vorwurf der Komplizenschaft, da sie den Finanzierungsvorschlag ausgearbeitet hat, den die BCIE anschließend beim Grünen Klimafonds einreichte. Das Sekretariat des Grünen Klimafonds wurde vom IRM dafür kritisiert, dass es die Unterlagen der BCIE nicht überprüft und vor der Genehmigung des Projekts keinen Kontakt zu den lokalen Gemeinden aufgenommen hatte.

Das Büro der Vereinten Nationen für Projektdienste (UNOPS) und das Welternährungsprogramm (WFP) sind beides Beobachterorganisationen, die an den Konsultationsverfahren mit den indigenen Gemeinschaften beteiligt waren. Sie räumten ein, dass es zwar massive Defizite bei der Durchführung gegeben habe, ihre Beamten, die an den Konsultationen teilnahmen, jedoch trotz dieser Beobachtungen den Prozess positiv bewerteten: „in gutem Glauben, transparent, einvernehmlich, umfassende Information wurde zur Verfügung gestellt”.

Der Ältestenrat der Indigenenregion Moskitia widersprach dieser Version und kritisierte, dass die Versammlungen zu kurz waren und keine Zeit für Debatten zuließen. Zudem habe es auch Drohungen gegen Stimmen gegeben, die sich gegen das Projekt aussprachen, die Rückübertragung ihres Landes forderten oder die Regierungsbehörden in Frage stellten.

Amaru Ruiz bewertet die Entscheidung, das Projekt zu streichen, trotz aller Hürden positiv, denn der Ausgang des Verfahrens stärke den Grünen Klimafonds. Die wichtigste Botschaft sei, dass indigene und lokale Gemeinschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und unabhängige Akteur*innen wissen, dass sie Projekte anfechten können, die ihre Gebiete direkt betreffen.

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