Chile | Nummer 237 - März 1994

Rotes Gold – rote Zahlen

Finanzskandal in der staatlichen Kupfergesellschaft

Im Streit um die Privatisierung der staatlichen Kupfergesellschaft CODELCO wittert die oppositionelle Rechte Morgenluft. Spekulationsgeschäfte auf den internationalen Metallmärkten bescherten der CODELCO einen Verlust, den ExpertInnen auf mindestens 200 Millionen US-Dollar schätzen, der jedoch auch auf 300 Millionen US-Dollar anwachsen könnte. Für die reaktionäre UDI stellt der Finanzskandal “den Beweis dafür dar, daß die Verwaltung der CODELCO nicht mehr steuerbar ist.” Bergbauminister Alejandro Hales indes hält von einer Privatisierung des weltgrößten Kupferproduzenten wenig – aus gutem Grund, denn die CODELCO erwirtschaftet nicht nur vierzig Prozent der Exporteinnahmen Chiles, sondern stellt darüber hinaus eine wichtige Einnahmequelle für den Fiskus dar, obwohl bereits nahezu die Hälfte der Kupferproduktion nach der Vergabe staatlicher Konzessionen in den Händen privater Unternehmer liegt. Doch die neue Regierung unter Präsident Frei wird zunächst ohne den Zuschuß der CODELCO auskommen müssen. Der geschätzte Verlust stellt zwei Drittel der 1993 erzielten Exporteinnahmen von 466 Millionen US-Dollar dar und versetzt dem ohnehin arg gebeutelten Unternehmen einen neuerlichen Schlag.

Joachim Göske

Die Preisentwicklung auf dem inter-nationalen Kupfermarkt nährt seit einigen Jahren Zweifel am Modell-charakter der Wirtschaftspolitik Chiles. Die hohe Abhängigkeit von den Exporteinnahmen der CODELCO spiegelt die Verwundbarkeit der chilenischen Volkswirtschaft wider. Noch 1990 beliefen sich die Exportgewinne für Kupfer auf 1,5 Milliarden US-Dollar. Bedingt durch Preiseinbrüche und Kostensteigerungen schrumpfte diese Summe für 1993 auf klägliche 467 Millionen US-Dollar zusammen.
In dieser Situation bis zu 300 Millionen US-Dollar zu verlieren, trifft die CODELCO hart. Seit August des vergangenen Jahres hatte das Unternehmen 1,8 Milliarden US-Dollar in den Kauf von Gold, Silber und Kupfer investiert, um durch den späteren Verkauf zu höheren Preisen einen Spekulationsgewinn einzustreichen. Mit diesen Transaktionen überschritt die CODELCO jedoch das für derartige Geschäfte vorgeschriebene Limit um ein Zehnfaches. Das Direktorium der Kupfergesellschaft hatte nach Bekanntwerden des Skandals den Schuldigen schnell zur Hand: den Unterabteilungsleiter José Pablo Dávila, der postwendend öffentlich erklärte, ohne das Wissen seiner Vorgesetzten gehandelt zu haben. Dies würde freilich nicht den Mangel an Kontrollmechanismen innerhalb des Verwaltungsapparates erklären.
Es überrascht nicht, daß die Top-Manager sowie die Direktoren der CODELCO keine Verantwortung für das Geschehene übernehmen. Doch von den betroffenen Ministern für Bergbau und für Finanzen, Hales und Foxley, wurde eigentlich harsche Kritik an der Unternehmensführung erwartet. Hales und Foxley stellten sich jedoch schützend vor die CODELCO. Zum Teil taten sie das aus persönlichem Interesse heraus, denn beide sind Mitglieder des umstrittenen Direktoriums, und die Forderung der Koalitionspartnerin, der “Sozialistischen Partei” (PS), nach dem Rücktritt der gesamten Führungsriege macht auch vor den Ministern nicht halt. Darüber hinaus geht die Liebe zu marktwirtschaftlichen Modellvorstellungen nicht so weit, daß die Regierung freiwillig auf die Gewinne aus dem Kupferexport verzichten würde.

Gewerkschaften uneins

Die beiden Minister erhalten die Unterstützung des chilenischen Dachverbandes der Gewerkschaften, der CUT. Deren Vorsitzender, Bustos, bescheinigte dem Direktorium, “verantwortungsbewußt und mutig” gehandelt zu haben, als es den Finanzskandal öffentlich machte. Auch die CUT hat keinerlei Interesse daran, die Debatte um eine Privatisierung der CODELCO anzuheizen. Obwohl sich die Betriebsgewerkschaft des Staatsunternehmens, die FTC, gegen die von der extremen Rechten und den Unternehmerverbänden geforderten Privatisierung sträubt, fordert sie den Rücktritt des Direktoriums. Die Tatsache, daß in den letzten Jahren 4200 Kumpels ihren Arbeitsplatz verloren, um die Produktionskosten zu senken, schmerzt doppelt, nachdem bekannt wurde, wie leichtfertig große Summen des Betriebsvermögens aufs Spiel gesetzt worden sind.
Ein gemeinsamer Rücktritt der Top-Leute von CODELCO hätte einerseits nur symbolischen Charakter, denn zeitgleich mit dem Amtsantritt der neuen Regierung am 11. März würde das Direktorium ohnehin automatisch ausgewechselt. Andererseits geht es darum, die Verantwortlichen nicht durch das Bauernopfer eines entlassenen Unterabteilungsleiters ungeschoren davonkommen zu lassen.
Licht ins Dunkel der Verantwotlichkeiten
Licht in das Dunkel von Verantwortlichkeiten und mangelnden Kontrollmechanismen sollen umfassende Untersuchungen bringen. Auf Antrag des Staatspräsidenten ernannte der Oberste Gerichtshof einen Untersuchungsrichter. Die Deputiertenkammer des chilenischen Parlaments setzte eine Untersuchungskommission ein. Zusätzlich zu den von CODELCO beauftragten externen PrüferInnen durchforstet die Controlaría de la República – vergleichbar dem Bundesrechnungshof – die Bücher des Kupfergiganten. Von den Ergebnissen dieser Untersuchungen wird es zum einen abhängen, ob Verantwortliche vor Gericht gestellt werden und zum anderen, in welche Richtung die Auseinandersetzung um die Privatisierung der CODELCO geführt wird.
Eine der wichtigsten Interessengruppen hat sich noch nicht öffentlich zu Wort gemeldet: das Militär. Ein Zehntel der CODELCO-Gewinne fließen in den Kriegshaushalt, ohne daß Rechenschaft über die Verwendung dieser Gelder abgelegt werden müßte. Die Säulenheilige neoliberaler Politik, die reaktionäre UDI, spricht denn auch nur von “Teilprivatisierungen”.

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