Honduras | Nummer 331 - Januar 2002

Konservative Oppositionspartei ersetzt konservative Regierungspartei

Ricardo Maduro von der „oppositionellen“ Nationalen Partei tritt am 27. Januar 2002 das Präsidentenamt in Honduras an

Nach acht Regierungsjahren gibt die Liberale Partei die Macht im zentralamerikanischen Staat Honduras wieder ab. Der neue Staatspräsident Ricardo Maduro wird von der Nationalen Partei gestellt. In bewährter Tradition löst damit eine der beiden konservativen Parteien die andere an der Regierungsmacht ab. Die drei honduranischen Linksparteien haben nichts zu sagen.

Anne Becker, Laurissa Mühlich

Seit dem Ende der Militärdiktatur in Honduras 1982 scheinen alle Regierungswechsel nach demselben Schema zu verlaufen: Die Liberale Partei (PL) ist acht Jahre an der Macht, dann wird sie von der Nationalen Partei (PN) für eine Legislaturperiode abgelöst und ist danach wieder an der Reihe. Ob es für die PN des 55-jährigen Unternehmers und zukünftigen Präsidenten Honduras’, Ricardo Maduro, ebenfalls in vier Jahren wieder vorbei ist, wird sich zeigen. Etwa 3,4 Millionen Wahlberechtigte haben den Unternehmer am 25. November mit knapp 53 Prozent zum neuen Präsidenten gewählt. Sein Gegenkandidat von der Liberalen Partei, Rafael Pineda Ponce, erhielt knapp 44 Prozent der Stimmen. Voraussichtlich am 27. Januar wird Maduro die Nachfolge von Präsident Carlos Roberto Flores Facussé antreten, der selbst nicht noch einmal kandidieren durfte. Neben dem Präsidenten wählten die HonduranerInnen außerdem 128 Kongressabgeordnete, die jetzt mehrheitlich von der PN gestellt werden; und 298 Bürgermeister sowie deren 20 Parlaments-Vertreter. Auch hier ging die PN als Siegerin hervor. Die kleinen Linksparteien spielen in der Parteienlandschaft eine untergeordnete Rolle, vor allem weil die andauernden Repressionen und von den Liberalen und Nationalen eingeführte juristische Hürden ihre Etablierung erschweren. Dass sie bei dieser Wahl auf vorraussichtlich vier Sitze im Kongress statt auf einen kommen, ist im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode ein kleiner Aufschwung (vgl. Interview).

Armut und Bereicherung

Die liberale Regierung unter Flores hat das Land in den letzten vier Jahren derart heruntergewirtschaftet, dass ein Regierungswechsel absehbar war. Denn bis heute hat sich Honduras von den Schäden nicht erholt, die der Hurrikan “Mitch” 1998 angerichtete. Nach der Katastrophe, bei der 10.000 Menschen ums Leben kamen, flossen reichlich Hilfsgelder nach Honduras. Doch das Geld wanderte zum größten Teil in die Taschen der Regierungsfunktionäre. Auch heute wohnen noch tausende Mitch-Geschädigte in Auffanglagern, weggespülte Brücken wurden nicht einmal provisorisch wieder errichtet und die Armutssituation im Land hat sich verschärft. Lebten beim letzten Machtwechsel 1998 noch knapp 70 Prozent der HonduranerInnen unter der offiziellen Armutsgrenze, sind es heute 80 Prozent der Bevölkerung. 1997 erhielten die HonduranerInnen noch für 13 Lempira einen US-Dollar, heute müssen sie dafür knapp 16 Lempira zahlen.
Der zukünftige Präsident wird den wirtschaftlichen Problemen des Landes wohl keine wirklich neuen Strategien entgegenzusetzen haben. In seiner Zeit als Wirtschaftspolitiker unter der Regierung von Callejas (1990–1994) hat er sich bereits einen Namen als neoliberaler Ökonom gemacht. Maduro war damals Präsident der Zentralbank und Chef des Wirtschaftskabinetts. Er führte die neoliberalen Strukturanpassungsprogramme ein, die Honduras vom Internationalen Währungsfonds (IWF) 1990 zum Schuldenabbau auferlegt worden waren. Im Sinne der IWF-Politik leitete er eine Privatisierungswelle ein und hob die Preisbindungen für Grundnahrungsmittel auf. Daraufhin verloren zehntausende HonduranerInnen ihren Arbeitsplatz und die Bevölkerung litt unter dem enormen Anstieg der Preise für die alltägliche Grundversorgung – es profitierten allein die Mitglieder der Callejas-Regierung.
Maduro studierte in den USA an der Universität Stanford Ökonomie und ist heute oberster Verwalter eines familieneigenen Imperiums aus Fischereibetrieben, Supermarktketten, Hotels, einem Autohandel und einer Bank. In seinem Wahlkampf ging es vor allem um zwei Themen, die auf der Hand liegen in einem der vier ärmsten Länder Lateinamerikas: Die Bekämpfung der Kriminalität und der Armut. Mit „harter Hand“ und Null-Toleranz werde er gegen Verbrecher und korrupte Staatsangestellte vorgehen, versprach er, und zur Bekämpfung der Armut wolle er eine Bildungsoffensive starten. Außerdem soll es eine Justizreform geben, um die Unabhängigkeit von Rechtssystem und Parlament zu stärken. Maduro will zudem die Kartelle im Bier-, Mehl- und Zuckersektor gegen den Widerstand der Wirtschaft brechen. Als Vertreter der freien Marktwirtschaft sieht er darin die Möglichkeit durch staatliche Regulierung das Vertrauen der Bevölkerung und ausländischer Investoren zu gewinnen, hieß es.
Die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes bescherte Maduro einerseits sein Amt, da sich in den Wahlen die Unzufriedenheit der Bevölkerung nach acht Jahren liberaler Regierung ausdrückte. Andererseits hat sich die wirtschaftliche Lage Honduras noch verschlechtert seit im Zuge der Anschläge vom 11. September der Tourismus zurückgeht und die internationalen Kaffeepreise weiter fallen. Die Frage bleibt, was sich mit der Fortsetzung liberaler Wirtschaftspolitik in dem von Mitch, Dürre und Hochwasser immer wieder gebeutelten Land ändern kann.

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