Honduras | Nummer 426 - Dezember 2009

Der rückwärtsgewandte Durchbruch

Das ausgehandelte Abkommen zur Beilegung der Krise in Honduras entpuppt sich als Finte

Der anfangs so gefeierte Durchbruch, der Honduras endlich aus der politischen Krise führen sollte, hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Der De-facto-Präsident Roberto Micheletti hält sich hartnäckig und trotz des unterzeichneten Abkommens, das Honduras zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückführen sollte, an der Macht. Nun hat er in Eigenregie die „Regierung der nationalen Einheit“ zusammengestellt. Ein Akt, der sich für viele wie ein zweiter Putsch darstellt.

Erika Harzer

Das Kongresspräsidium war in der ersten Novemberwoche nicht gewillt, die im ganzen Land erwartete Plenarsitzung zur Entscheidung über die mögliche Wiedereinsetzung Zelayas einzuberufen. Der legitime Präsident sitzt also weiterhin in der militärisch abgeriegelten brasilianischen Botschaft fest. Zur selben Zeit forderte Putschpräsident Micheletti Zelaya dazu auf, seine Liste mit zehn Mitgliedern für die Regierung der Nationalen Einheit bekannt zu geben. Doch Zelaya fühlt sich getäuscht und lehnte dies ohne seine Wiedereinsetzung als Präsident ab. Stattdessen bezeichnete er das am 30. Oktober geschlossene Abkommen als nunmehr nichtig. Micheletti hingegegen begreift sich nach wie vor als Leitfigur, unter deren Regie die laut Abkommen zu formierende Regierung der nationalen Einheit zu gründen sei.
Eine Fortsetzung des Status quo mit geringfügigen Veränderungen sei eine „Verarschung des nationalen Widerstands und der internationalen Gemeinschaft“, betonen einzelne VertreterInnen des Widerstandsbündnisses, das sich aus vielen unterschiedlichen Basisorganisationen der sozialen Bewegungen Honduras‘ zusammensetzt. „Während Zelaya weiterhin jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt in der brasilianischen Botschaft verharrt, spielt Goriletti [wie Micheletti von seinen GegnerInnen genannt wird; Anm. d. Red.] mit Kniefall vor den USA den nationalen Retter.“ Die Frau, die dies auf dem Vorplatz des Kongressgebäudes in der Haupstadt Tegucigalpa sagt, ist empört, fühlt sich betrogen und sieht sich einem zweiten Putsch gegenüber.
Laut dem Abkommen, das in Verhandlungen in Tegucigalpa und der costaricanischen Hauptstadt San José getroffen wurde, sollte bis zum 5. November eine Einheitsregierung gebildet werden, unter deren Regie die Wahlen am 29. November stattfinden. Kurz vor Ablauf der Frist entließ Micheletti die alten Kabinettsmitglieder und gab über die landesweite Einheitsschaltung der Radio- und Fernsehstationen kurz vor Mitternacht die neue Regierung bekannt. Auch wenn „bedauerlicherweise“ von seiten Zelayas dazu keine Vorschläge eingereicht worden seien, so habe er sich doch nur an die Vorgaben gehalten. Micheletti demonstriert Stärke und sieht keinen Grund für sich, auch nur einen Milimeter zu weichen. Unterstützt wird er darin von den Aussagen des Unterhändlers des US-Außenministeriums Thomas Shannon. Dieser sprach nach der Unterzeichnung des Abkommens von Tegucigalpa/San José davon, dass die USA nunmehr bei Einhaltung des Abkommens die Wahlen anerkennen würden, egal wie der Kongress zur Frage der Wiedereinsetzung Zelayas entscheiden würde.
„Ich befürchte Schlimmes, ich befürchte dass die von uns allen erwartete historische Entscheidung des honduranischen Kongresses ein heftiger Schlag gegen das in unserem Lande noch sehr zögerlich wachsende Pflänzchen namens Demokratie werden wird.“ Bitternis begleiten diese Worte von Karla Lara, der honduranischen Sängerin, die seit Anbeginn des Putsches sich sowohl bei den Feministinnen als auch den KünstlerInnen im Widerstand engagiert. Für sie ist das Abkommen vom 30. Oktober ein rückwärtsgewandter Durchbruch. Und die Folgetage und Michelettis Regierungserklärung haben sie darin bestätigt. „Ohne eine Verurteilung des Putsches und ohne die Wiederherstellung der vor dem 28. Juni bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung, können hier weder transparente, demokratische Wahlen durchgeführt werden, noch kann sonst zur wie auch immer gearteten Tagesordnung übergegangen werden.“ Alles Aussagen, die hunderttausendmal getroffen worden sind, die allen, die politisch mitdenken, klar sein müssten, fügt Karla Lara hinzu.
Aus der brasilianischen Botschaft appelliert Rassel Tome, Zelayas Assistent, an alle Kongressabgeordneten, sich in dieser historisch wichtigen Phase mit ihrer Stimme für die Wiederherstellung der Demokratie in ihrem Land zu entscheiden, sich schlicht und einfach richtig zu entscheiden. Auf die Frage, ob sie damit gerechnet hätten, dass der Kongress die Entscheidung verzögern werde und die Wiedereinsetzung in Frage stellen könnte, antwortet Rassel Tome mit der Aufforderung an die internationale Staatengemeinschaft, weiterhin den Prozess in Honduras in allen Details zu verfolgen. Ein notwendiger Appell, denn die bis vor dem Abkommen klare Verurteilung und Ablehnung der Putschregierung und möglicher Wahlen unter diesem Regime, bröckelt seit Anfang November.
Während Präsident der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Manuel Insulza, noch davon sprach, keine Zweifel daran zu haben, dass Manuel Zelaya noch in der ersten Novermberwoche wiedereingesetzt werden würde, sah Thomas Shannon, in dessen Gegenwart das Abkommen getroffen wurde, die Wiedereinsetzung in einem CNN Interview nicht als notwendige Voraussetzung. Und in der Tat wird dies im Abkommen nicht explizit formuliert.
Die anfängliche Freude der Widerstandsbewegung ist längst einer beständig anwachsenden Skepsis gewichen. Der Wahlkampf der beiden großen Parteien läuft mittlerweile auf Hochtouren und in den Zeitungen und Radio- und Fernsehberichten der putschunterstützenden Medien wird wiederholt davon berichtet, dass die Wahlen nunmehr international anerkannt würden und Honduras‘ politischer Konflikt damit vor dem großen Durchbruch in neue Zeiten stünde. Die Nationale Partei mit ihrem Präsidentschaftskandidaten Porfirio „Pepe“ Lobo wird immer präsenter mit ihren großflächigen Wahlplakaten in der Stadt. Man munkelt, dass er im Vieraugengespräch mit Shannon zugesichert habe, die Abgeordneten der Nationalen Partei würden für die Wiedereinsetzung Zelayas stimmen – schließlich gilt Lobo als Kandidat mit den größten Chancen, bei den kommenden Wahlen als Sieger hervor zugehen. Von daher war gerade ihm viel daran gelegen, dass die Wahlen international anerkannt werden. Zelaya hingegen hat seine AnhängerInnen bereits aufgefordert, die Wahlen zu boykottieren, falls er nicht zuvor wieder in sein Präsidentenamt eingesetzt worden sei.
Vor der US-Botschaft bilden sich bereits wieder Schlangen von Menschen, die Visa beantragen. Dort zumindest ist die Normalität zurück gekehrt, die im sonstigen politischen Alltag des Landes nicht spürbar ist. Planmäßig bildete sich am 3. November die Überwachungskommission zur Implementierung des Abkommes, in der neben den honduranischen Kontrahenten die US-Arbeitsministerin Hilda Solis und der ehemalige chilenische Präsident Ricardo Lagos sitzen. Zunächst einmal wurde ausführlich debattiert, ob neben dem Obersten Gerichtshof auch der Ombudsmann für Menschenrechte, Dr. Ramón Custodio, der sich deutlich auf Seite der Putschisten positionierte, und weitere Staatsorgane das Abkommen vorher zur Prüfung erhalten sollten.
Nichts hat sich bisher in bewegt im Land. Es wird weiterhin von einer Putschregierung regiert. Das Abkommen gleicht einer Augenwischerei, oder wie die in vielen Zirkeln der Widerstandsbewegung diskutiert wird, einem Hinterhalt, in den Zelaya getappt ist. Den Instanzen, die den Putsch vom 28. Juni bisher legitimierten, wurde mit diesem Abkommen die demokratische Fähigkeit zugesprochen, Honduras aus der Krise führen zu können, die sie in trauter Eintracht mit den Streitkräften verursacht haben. „Wenn die internationale Gemeinschaft ohne die Wiedereinsetzung Zelayas die Wahlen anerkennt, ist der Putsch als politisches Mittel legitimiert“, empören sich die vielen vor dem Kongressgebäude versammelten Menschen der Widerstandsbewegung. Sie werden sich aber weiterhin gegen die Putschisten auflehnen, solange, bis ihre Forderungen erfüllt werden.

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