Honduras | Nummer 431 - Mai 2010

Balanceakt der Regierung

Die honduranische Landbevölkerung erreicht einen Etappensieg bei der von ihr angestrebten Landfreform

Der Konflikt um die ungerechte Landverteilung im Norden von Honduras schwelt schon seit Jahrzehnten vor sich hin. Doch nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen, denn die arme Bevölkerungsmehrheit fordert seit dem Putsch im Juni letzten Jahres immer stärker ihre Rechte ein. Die Regierung reagiert mit einer Mischung aus Zugeständnissen und Repression.

Marius Zynga

Auf den ersten Blick sieht es nach einem Erfolg aus. Am 14. April unterzeichneten die Mitglieder der Vereinten Bauernbewegung des Aguáns (MUCA) im Departement Colón im Norden des Landes mit dem neuen Präsident Porfirio Lobo ein Abkommen, welches den landlosen Kleinbauern- und bäuerinnen 11.000 Hektar Land zuspricht. An den Verhandlungen, die von starker Militärpräsenz in der Region begleitet waren, nahmen auch Rafael Alegría, Vertreter des Bauernverbandes Vía Campesina, der Menschenrechtler Andrés Pavón und Cecar Ham von linken Partei Demokratische Vereinigung teil. Ham hatte im vergangenen Jahr trotz des Boykottaufrufs als Präsidentschaftskandidat an den Wahlen teil genommen und wurde anschließend von Lobo zum Leiter des Nationalen Agrarinstituts INA benannt.
Pünktlich zum Auftakt der Verhandlungen zwischen der MUCA und Lobo am 10. April stationierte die Regierung innerhalb kürzester Zeit mehr als 2.500 SoldatInnen und PolizistInnen im Aguán-Tal. Laut Regierung sollten die Truppen ausschließlich zur Bekämpfung der Kriminalität und des Drogenhandels dienen. Doch in den Diffamierungskampagnen der honduranischen Mainstream-Medien, sind es gerade die Bäuerinnen und Bauern, die angeblich unterstützt von kolumbianischen, venezolanischen und nicaraguanischen Guerillatruppen eine Bedrohung der honduranischen Gesellschaft darstellten. Belege für die behaupteten Verbindungen zu Guerillas bleiben diese Medien indes schuldig. Berichte mit Schlagzeilen wie „Terror im Bajo Aguán“ sollen jedoch den Eindruck erwecken, dass es sich bei den Bäuerinnen und Bauern um eine ungebildete, marodierende Meute handle. Die Aussage von Porfirio Lobo, dass er keine bewaffneten Gruppen im Land dulde, interpretieren kritische BeobachterInnen zudem als Drohung an die Macheten tragende Bauernschaft. „Wir haben unter vorgehaltener Pistole verhandelt, sie haben versucht, uns Angst einzujagen“, bestätigt ein Sprecher der MUCA gegenüber dem Real News Network.
Dabei haben die ca. 3.500 landlosen Bäuerinnen und Bauern aus Protest friedlich Ländereien besetzt, die sich früher in ihrem Besitz befanden. Sie wollen damit eine gerechte und umfassende Landreform erreichen, um Mais, Bohnen und Reis auch für den Eigenbedarf anzubauen und so Ernährungssouveränität herstellen. Schon einmal hatten honduranische Bäuerinnen und Bauern durch Landbesetzungen eine Landreform erzwungen, wonach jeder Familie fünf Hektar Land zugesprochen wurden, die nicht weiter verkauft werden durften. Diese in den 1970er Jahren durchgesetzte Reform beinhaltete aber auch, dass ausschließlich auf den Export ausgerichtete Erzeugnisse, also hauptsächlich Palmöl, Früchte und Zucker, angebaut werden durften. Zudem musste die Ernte an vorgeschriebene HändlerInnen und zu deren Preisen verkauft werden. Anfang der 1990er Jahre wurde dann das Verkaufsverbot für das Land aufgehoben und korrupte Bauernführer verkauften das Land an reiche AgrarproduzentenInnen. Gleichzeitig versprachen sie den Bauern, dass sie viel Geld mit der Arbeit auf den Plantagen verdienen würden. Fakt ist, dass heute 75 Prozent der ländlichen Bevölkerung in Honduras nicht einmal 1,50 US-Dollar pro Tag verdient.
Heute sind die meisten der Ländereien im Aguán- Tal in den Händen von drei Großgrundbesitzern und Agrarproduzenten: René Morales, Reynaldo Canales und Miguel Facussé. Auf ihrem Land werden überwiegend Ölpalmen und Bananen für den Export in Monokultur angebaut, während die Mehrheit der Kleinbauern- und bäuerinnen kein eigenes Land besitzt und unter prekären Bedingungen auf den Plantagen beschäftigt ist. Gegen diese Macht- und Besitzkonzentration waren die Bauern nun ein weiteres Mal erfolgreich.
Doch muss erst bewiesen werden, dass die im aktuellen Abkommen getroffenen Abmachungen seitens der Regierung eingehalten werden. In einem ersten Schritt soll den Bauern 3.000 Hektar Land, das mit Ölpalmen bepflanzt ist, übergeben werden. Weitere 3.000 Hektar noch unbepflanztes Land sollen innerhalb von drei Monaten folgen. Darüber hinaus verspricht die Regierung 4.000 Hektar unbepflanztes und 1000 Hektar bepflanztes Land innerhalb eines Jahres an die Familien zu verteilen. Honduranischen Medienberichten zufolge wird die Regierung die Ländereien zu marktüblichen Preisen von Miguel Facussé & Co. kaufen und an die Bauern weitergeben. Der Verkauf des Landes soll untersagt sein und die Erzeugnisse müssen weiterhin an die von den Großgrundbesitzern kontrollierten Exporteure verkauft werden.
Trotz dieser Einschränkungen freuen sich die meisten Bäuerinnen und Bauern über den Ausgang der Verhandlungen. Sie werden schon Ende April auf ihr eigenes Land umsiedeln können. Dieser Erfolg ist auch dem im ganzen Lande erwachten politischen Bewusstsein geschuldet und der starken Unterstützung der Bauern durch die Widerstandsfront gegen den Staatsstreich. Weiterhin wird von ihnen eine verfassunggebende Versammlung gefordert, die eine weit reichende Landverteilung beinhaltet.
Warum sich die drei Großgrundbesitzer überhaupt auf einen solchen Handel eingelassen haben, bleibt unklar. Denn bisher wurden die Proteste und Landbesetzungen mit angeheuerten Todesschwadronen beantwort, die seit Mitte Dezember sechs Mitglieder der Bauernbewegung MUCA ermordet haben. Doch auch in diesem Punkt zeigt sich die Spaltung der Gesellschaft, die nach dem Putsch stark sichtbar geworden ist. Während auf der einen Seite von getöteten und unrechtmäßig verhafteten Bauern gesprochen wird, berichten rechtsgerichtete Medien von acht ermordeten Wachleuten auf den Fincas von Miguel Facussé. Auch der honduranische Reporter Nahún Palacios, der als einer von Wenigen die Seite der Bauern in den Medien vertrat, wurde am 14. März in Tocoa von zwei Bewaffneten Männern in seinem Auto erschossen. Insgesamt wurden alleine im März fünf JournalistInnen getötet.
Die Gewalt im Rahmen des Landkonflikt dient Präsident Lobo als Rechtfertigung, um die Militarisierung des Landes zu forcieren. So hat er angeordnet, dass das Militär auf unbestimmte Zeit die Polizeiarbeit in Honduras unterstützen wird, um für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Mit dem populären Argument „Sicherheit“ rechtfertigt die Regierung auch die Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit mit den USA. Ein kurz nach dem Abkommen im Bajo Aguán unterschriebener Vertrag sieht die Errichtung einer zweiten Militärbasis im nordöstlichen Departement Gracias a Dios vor. Laut dem US-Botschafter in Honduras, Hugo Llorens, sollen zu der Basis vier Kriegsschiffe entsandt werden.
Aus den Mainstream-Medien, die in den Händen der Oligarchie sind, ist unterdessen ein Rumoren zu vernehmen, das darauf schließen lässt, dass die Elite mit ihrem neuen Präsidenten nicht zufrieden ist. KommentatorInnen kritisieren das Landverteilungsabkommen als Zeichen der Schwäche der konservativen Regierung gegenüber der nach wie vor aktiven Widerstandsfront gegen den Staatsstreich. Die Regierung Lobo steckt in keiner einfachen Situation. Einerseits muss sie ihr Klientel bedienen, die im Juni letzten Jahres Präsident Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht hat. Andererseits kommt sie nicht um gewisse Zugeständnisse an die arme Bevölkerungsmehrheit herum, von denen viele nach wie vor die neue Regierung als illegitim betrachten. Das Landverteilungsabkommen kann somit als Schritt interpretiert werden, sich gegenüber ihren GegnerInnen zu legitimieren und der Widerstandsbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn Zelaya war gerade aufgrund seiner Landreformpläne populär. Der Balanceakt kann durchaus schief gehen. Das Abkommen schafft einen Präzedenzfall, der die arme Landbevölkerung ermutigen könnte, auf weiter gehende Landreformen zu drängen.

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