Agent Green – Mit Biowaffen gegen Drogenpflanzen
Der geplante Einsatz von Pilzen im Drogenkrieg unterminiert das Biowaffenverbot
Ende der 80er Jahre schickte das US-Landwirtschaftsministerium Forscher weltweit auf die Suche nach möglichen Schädlingen von Koka, Cannabis und Schlafmohn. Bei Coca-Cola und in einem Biowaffenlabor wurden sie fündig. Fusarium oxysporum, ein Pilz, der in kürzester Zeit ganze Kokafelder vernichten kann, wurde auf einer ehemaligen Kokaplantage des Getränkeherstellers auf Hawaii gefunden. Ein effektiver Schädling der opiumproduzierenden Mohnpflanzen war hingegen bereits vom offensiven Biowaffen-Programm der früheren Sowjetunion isoliert und dann in einem Labor in Taschkent im heutigen Usbekistan eingelagert worden, wo er von den USA schließlich gefunden wurde.
In der Folgezeit wurde der Mohnschädling mit US-Geldern in einem usbekischen Labor weiterentwickelt. Im Sommer 2001 sollten die Arbeiten beendet sein und ein einsatzfertiges Produkt zur Vernichtung der umfangreichen Schlafmohnfelder in der Region zur Verfügung stehen. Noch ist unklar, ob sich die beteiligten Länder und vor allem das UN-Drogenkontrollprogramm UNDCP, unter dessen formalen Leitung das Projekt durchgeführt wurde, tatsächlich für einen Einsatz entscheiden werden.
Die Koka vernichtenden Pilze wurden parallel in US-amerikanischen Labors getestet. Für das Jahr 2000 standen erste Freilandversuche in Kolumbien an. Auch hier sollte formal das UNDCP die Abwicklung übernehmen, um, so die damalige Außenministerin Madeleine Albright, „den Eindruck zu vermeiden, dass es sich um eine reine US-Initiative“ handele.
Nachdem der Plan bekannt wurde, regte sich massiver Widerstand in Kolumbien und anderen Andenstaaten. Im Sommer 2000 verboten Ecuador und Peru gesetzlich die Anwendung der Pilze in ihren Ländern, hohe Politiker anderer Anrainerstaaten sprachen sich gegen eine „biologische Kriegsführung“ aus, wie es der frühere Drogenbeauftragte Brasiliens, Walter Maierovich, nannte. Auch das deutsche und das europäische Parlament machten ihre Ablehnung der Killerpilze deutlich, und selbst innerhalb der USA waren die Pilze nicht willkommen. Der Umweltminister von Florida erteilte Plänen zum Einsatz von Agent Green gegen Cannabis-Felder in Florida eine klare Absage.
Andererseits befand sich die kolumbianische Regierung unter dem massiven Druck der US-Amerikaner. Der milliardenschwere Plan Colombia wurde an die Versuche mit Agent Green gekoppelt. Erst im August 2000 ruderte die damalige Clinton-Administration zurück und hob diese Verknüpfung wieder auf. Im Januar vergangenen Jahres zog dann die kolumbianische Regierung nach und verkündete, dass keine Verträge zur Entwicklung von Agent Green mit der UNDCP oder den USA geschlossen würden.
Doch noch ist das Projekt nicht endgültig vom Tisch. In den USA wird weiterhin kräftig an den Pilzen geforscht. Auch andere Schädlinge – zum Beispiel Insekten – werden mit Mitteln des Landwirtschaftsministeriums mittlerweile daraufhin untersucht, ob sie sich nicht für den Drogenkrieg eignen.
Die Risiken
Eine Freisetzung dieser Pilze in die südamerikanische Umwelt könnte katastrophale ökologische Folgen nach sich ziehen. Einmal in die Umwelt entlassen, werden die Anti-Drogen-Pilze nicht mehr zu kontrollieren sein. Als infektiöse Organismen können sie sich schnell auch außerhalb des Zielgebietes verbreiten und lange Jahre im Boden überleben. Bereits bei ersten Gewächshausexperimenten haben sich die Pilze als unkontrollierbar erwiesen.
Die größte ökologische Gefahr droht von einer mangelnden Spezifität der Pilze. Wenn nicht nur die Zielpflanzen – Koka, Schlafmohn oder Cannabis – befallen werden, sondern auch andere, nahe verwandte Arten, kann das in den fragilen Ökosystemen zum Beispiel des Amazonasgebietes einen katastrophalen Effekt haben. Mit einer unglaublichen Ignoranz haben die beteiligten Forscher diese Frage bislang völlig vernachlässigt. Die Pilzstämme wurden zwar an verschiedenen Nahrungsmittelpflanzen getestet – man möchte ja schließlich keinen Schaden in der Landwirtschaft anrichten – aber Wildpflanzen und natürliche Ökosysteme wurden praktisch völlig ausgeblendet. Dabei ist bekannt, dass viele Stämme des Koka-Killers Fusarium oxysporum ein großes Wirtsspektrum haben. Bei ersten Infektionstests wurden bereits zwei weitere Pflanzenarten von dem Pilz geschädigt, die nicht besonders eng mit den Kokapflanzen verwandt sind. In Südamerika wachsen über 200 verschiedene Arten der Gattung Erythroxylum, zu der auch der Kokastrauch gehört. Vier von ihnen stehen bereits auf der roten Liste und gelten als bedroht. Viele andere Organismen sind wiederum auf die Erythroxylum-Pflanzen als Nahrungsquelle und Lebensraum angewiesen. Eine unkontrollierte Ausbreitung von Agent Green würde dieses fragile Netzwerk zu zerstören drohen.
Auch die gesundheitlichen Gefahren sind enorm, denn Fusarium gehört heute zu den häufigsten lebensbedrohlichen Pilzinfektionen. Zwar werden in der Regel nur immungeschwächte Personen von Pilzen infiziert, doch in solchen Fällen kommt oft jede Hilfe zu spät. So haben Fusarium-Infektionen eine Sterblichkeitsrate von circa 70 Prozent, das heißt über zwei Drittel der Infizierten sterben an dem Pilz. Interne Dokumente belegen, dass dieses Risiko den Entwicklern von Agent Green bereits früh bekannt war. Trotzdem wurde ein großflächiger Einsatz geplant, bei dem sicherlich Zehntausende von Menschen mit dem Pilz direkt in Kontakt gekommen wären.
Biologische Waffe
Vor allem aber droht bei einem Einsatz von Agent Green die Unterminierung des globalen Biowaffen-Verbotes. Nach dem Geist und Wortlaut der Biowaffen-Konvention sind Entwicklung, Produktion und Einsatz der Killerpilze eindeutig verboten, denn jede feindselige Anwendung biologischer Mittel fällt unter das Verbot. Gerade im kolumbianischen Bürgerkrieg steht der Waffencharakter der Pilze außer Frage. Diese Auffassung wird auch von vielen Vertragsstaaten der Konvention geteilt. Die USA können sich aber offensichtlich darauf verlassen, dass kein anderes Land der Supermacht offiziell einen Verstoß gegen die Biowaffen-Konvention vorwerfen wird.
Gegen Ende der Clinton-Administration begann ein langsames Umdenken. So begründete Bill Clinton die Streichung von Agent Green aus dem Plan Colombia damit, dass hier auch mögliche Probleme mit Bezug „auf die Verbreitung von Biowaffen und auf den Bioterrorismus“ eine Rolle spielen könnten. Doch es steht zu befürchten, dass George W. Bush auch hier das Rad der Geschichte zurückdrehen wird. So sagte erst im Dezember 2001 der US-amerikanische Chefunterhändler bei den Biowaffen-Verhandlungen in Genf, es müsse doch wohl noch möglich sein, das Medellín-Kartell zu bekämpfen.
Die beteiligten Wissenschaftler versuchen, Agent Green in eine Methode der biologischen Schädlingsbekämpfung umzudefinieren und so zu legitimieren. Tatsächlich sind Koka, Mohn oder Cannabis jedoch kein Unkraut, keine Schädlinge, sondern sie werden von den Bauern als Nutzpflanze und Lebensgrundlage angebaut. Ihr Anbau zur Herstellung illegaler Drogen ist aus europäischer oder US-amerikanischer Sicht vielleicht nicht wünschenswert, aber das macht sie noch nicht zum Unkraut. Biologische Schädlingskontrolle dient dem Schutz der angebauten Nutzpflanze, nicht ihrer Zerstörung.
Wenn Agent Green tatsächlich zum Einsatz kommen sollte, wäre das ein schwerer Schlag für die Biowaffen-Konvention, denn es würde ein Präzedenzfall sein für die Anwendung von biologischen Mitteln für feindselige Zwecke. Eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Biowaffen wird schnell zur Entwicklung einer ganzen Bandbreite verschiedener biologischer Waffen führen, die Materialien zersetzen, Nutzpflanzen angreifen oder andere „nicht-tödliche“ Missionen erfüllen. Bislang gelten biologische Waffen ohne jede Ausnahme und kompromisslos weltweit als geächtet. Der Einsatz von Agent Green droht diesen Konsens in den Grundfesten zu erschüttern und eine Tür zum biologischen Wettrüsten aufzustoßen.
Der Autor ist promovierter Zellbiologe und Mitarbeiter des Sunshine-Projects, einer internationalen Organisation mit Sitz in Hamburg und Austin / Texas, die zum militärischen Missbrauch der Bio- und
Gentechnologie arbeitet. Internet: www.sunshine-project.de.