AN DEN WAFFEN GESCHEITERT
Die Frist für die Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen FARC und Regierung ist ohne Ergebnis verstrichen
Eine Einigung ist vorerst ausgeblieben. Die bevorstehenden Entscheidungen haben die Verhandlungen in eine Sackgasse manövriert. Am 23. März, der ursprünglichen Frist für die Unterzeichnung des Abkommens, informierte Humberto de La Calle, Verhandlungsführer der Regierung, dass mit der FARC gewichtige Differenzen in zentralen Forderungen bestünden. Deshalb endete die erste Runde des letzten Verhandlungszyklus ohne große Ankündigungen. Ein neue Frist für die Unterzeichnung wurde nicht gesetzt.
Knackpunkt in den Verhandlungen ist die Entwaffnung der geschätzten 7.000 Kämpfer*innen der FARC. Der Ort und Zeitpunkt für die Entwaffnung der Gueriller@s beeinflusst, ob die Resozialisierung der Kämpfer*innen gelingen oder scheitern wird. Allerdings scheint ein Kompromiss in dieser Frage schwer. Die Regierung fordert, dass die Entwaffnung 60 Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens beginnen und in abgelegenen Regionen stattfinden soll. In den dann polizeilich überwachten Gebieten sollen die Aufständischen innerhalb eines Jahres ihre Strafen oder Freisprüche erhalten. In isolierten Gebieten versammelt, würde vermieden, dass Bilder von Gueriller@s, die sich unter die Bevölkerung mischen, Verbreitung finden. Die kolumbianische Armee könnte aber auch Gebiete zurück erobern, die sich noch unter der Kontrolle der FARC befinden.
Die FARC-Unterhändler wehren sich dagegen, nach der Unterzeichnung des Abkommens in „Gefängnisse unter freiem Himmel” eingesperrt zu werden. Sie fordern, die Waffen in so genannten Terrepaz (Friedenszonen) abzugeben. Damit sind Gebiete gemeint, welche die FARC seit Beginn des Konflikts kontrollieren, in denen Familienangehörige der Kämpfer*innen sowie Anhänger*innen und Sympathisant*innen leben. Gerade dort müssen die Kämpfer*innen die Möglichkeit erhalten Politik zu machen, verlangt der Oberbefehlshaber der Guerrilla, Timochenko, seit Beginn der Gespräche. Hinsichtlich der Drohungen von Paramilitärs müssen die entwaffneten Aufständischen den Menschen nahe stehen können, die sie seit 51 Jahren unterstützen, sagte er am 23. März. Am selben Tag stellte der Oberbefehlshaber der FARC das von der Guerrilla verfasste Buch „Die Herausforderung nach dem Konflikt” vor und erklärte seine Gründe für die Vertagung der Unterschrift. „Der Paramilitarismus ist weder zufällig noch eine Sache der Vergangenheit. Ausgerechnet Differenzen in diesem Thema sind die Gründe für die Nicht-Unterzeichnung des endgültigen Abkommens”.
Und die Gefahr durch den Paramilitarismus ist real. Laut einer Studie der Stiftung Paz y Reconciliación, die am 23. März dem Verhandlungstisch vorgelegt wurde, sind 25,5 Prozent der ländlichen Gemeinden in Kolumbien von paramilitärischer Gewalt bedroht. Wie die Gemeinde El Bagre, Antioquia: Laut Berichten von Colombia Informa wurden in dem Verwaltungsbezirk im Nordwesten Kolumbiens 600 Menschen von den Paramilitärs Autodefensas Gaitanistas zwangsvertrieben. Als William Castillo, Gründer der Kleinbäuer*innenorganisation Aheramigua und Anhänger der FARC-nahen Partei Marcha Patriótica, auf die Situation in seiner Gemeinde aufmerksam machte, wurde er von Auftragsmördern erschossen.
Im Verwaltungsbezirk Cauca sind in diesem Jahr bereits 45 Menschen aus politischen Gründen ermordet worden, berichtet der Radiosender Contagio Radio. Die paramilitärischen Gruppierungen Los Urabeños und AUC patrouillieren auf den Landstraßen und erpressen die Bevölkerung. Mit Flugblättern kündigten sie ethnische Säuberungen an. Anfang März und binnen einer Woche ermordeten sie vier Menschenrechtsaktivist*innen in Cauca, darunter die Präsidentin einer Umweltschutzorganisation in Playa Rica, Maricela Tombé, sowie Willar Alexander Oimé Alarcon, Gouverneur der indigenen Gemeinde Río Blanco im Süden Kolumbiens.
Nach Angaben des kolumbianischen Bürgerbeauftragten erhielten im letzten Jahr 472 Gewerkschafter*innen, 628 Menschenrechtsaktivist*innenen und 131 Journalist*innen Drohungen. Mittlerweile wurden 69 dieser Aktivist*innen von Auftragsmördern der Paramilitärs erschossen. Wie für die Sicherheit der entwaffneten Kämpfer*innen gesorgt werden soll, ist also weiterhin ungeklärt.
Menschenrechtsorganisationen, die für den 23. März zumindest einen bilateralen Waffenstillstand erhofft hatten, dürften enttäuscht sein. Colombia Informa berichtete nach dem Mord an William Castillo am 7. März, dass in dieser Region seit Anfang des Jahres zwischen den beiden Guerrillas FARC und ELN einerseits, und der Autodefensas Gaitanas andererseits, Gefechte andauern.
Ausgerechnet in der letzten Phase der Verhandlungen erweckte zudem eine politische Veranstaltung in Conejo den Eindruck, die FARC könnte ihre Forderungen im Zweifelsfall auch mit Waffengewalt durchsetzen wollen. Das plötzliche Auftauchen von hochrangigen FARC-Delegierten und 500 zum Teil bewaffneten Guerriller@s in der 2000 Einwohner*innen Gemeinde im Norden Kolumbiens wurde zum Skandal (siehe LN 501). Nicht nur Kritiker*innen aus der ultra rechten Partei Centro Democrático sahen sich in der Annahme bestätigt, dass Santos zunehmend die Kontrolle über das Land verliere. Nach aktuellen Umfragen von Gallup lehnen 69 Prozent der Kolumbianer*innen seine Politik ab.
Der Journalist Antonio Caballero meinte dazu im Interview mit dem Nachrichtensender RCN, dass der Präsident im Laufe der Verhandlungen mit der FARC richtig gehandelt habe, innenpolitisch dennoch gescheitert sei. Bemerkenswert war auch die Art wie Santos die Vertagung der Unterschrift ankündigte. Auf einer kleinen Veranstaltung in der Stadt Pereira am 9. März sagte er, dass er kein schlechtes Abkommen unterzeichnen werde. Einen Tag später schloss sich Timochenko den Worten des Präsidenten via Twitter an und die Unterschrift wurde vertagt. Es dauerte dann bis zum 28. März, ehe sich Präsident Santos dazu äußerte und eine neue Unterzeichnungsfrist von der Guerrilla forderte.
Ohnehin waren viele Punkte, über die verhandelt wurden, noch völlig unklar. Die Frage, wie verhindert werden soll, dass geschätzte 400.000 Waffen der FARC den Weg in den Schwarzmarkt finden, war genauso unklar, wie das Problem des entstehenden Machtvakuums. Andere Formen krimineller Gruppierungen und potentielle FARC-Dissidenten, könnten diese Vakuum füllen, sagte Eduardo Álvarez Vanegas von der Stiftung Ideas para la Paz im Interview mit der Tageszeitung El País.
“Viele Punkte der Agenda wurden unter Vorbehalt beschlossen”, bemerkt darüber hinaus der Journalist Antonio Caballero im Interview mit RCN. Zum Schluss müsse nicht nur über die Entwaffnung der Gueriller@s diskutiert werden, sondern auch über alle umstrittene Punkte, die bis jetzt vertagt worden sind. Deshalb meinte er bereits am Ende Januar, dass noch ein weiteres Jahr für die Friedensgespräche nötig sein wird.