Argentinien | Nummer 200 - Februar 1991

“Argentinien ist im Krieg”

“Argentinien befindet sich im Krieg mit dem Irak”, so lautet Präsident Menems Definition der Ereignisse am 17.Januar. Ungeklärt ist die Frage, ob die argentini­schen Schiffe im Golf an den Kampfhandlungen teilnehmen werden. Das Parla­ment ist gespalten und ein innenpolitisches Fiasko für Menem vorprogrammiert.

Roman Herzog

80% der ArgentinierInnen sind nach einer neuesten Umfrage gegen eine Beteili­gung argentinischer Truppen am Golfkrieg. Ungeachtet dieser eindeutigen Stimmung innerhalb der Bevölkerung wird Menem der Rolle des guten Verbün­deten der USA gerecht. “Dies ist ein entscheidender Schritt Argentiniens inner­halb der neuen Weltordnung, denn es erfüllt die Resolutionen, die vom UN-Si­cherheitsrat gefällt wurden”, sagte er in einer Pressekonferenz direkt nach Krie­gausbruch. Die beiden Kriegsfregatten sollen nach seiner Auffassung den kämp­fenden US-amerikanischen und britischen Truppen logitische Unterstützung lie­fern. “Länder wie Argentinien, Frankreich und Italien haben Schiffe zur logisti­schen Unterstützung entsandt, was nicht notwendigerweise Kampfbeteiligung bedeutet”, fuhr der Präsident fort. Nach dem Eintritt Frankreichs in die direkten Kampfhandlungen dürfte nach dieser Logik der argentinische Beitrag nicht lange auf sich warten lassen.
Menem spielt in Argentinien den souveränen Weltpolitiker, der “echte Verant­wortung” zu übernehmen weiß. Insgeheim hofft die Regierung allerdings darauf, daß sich diese Aufgabe des neutralen Status des Landes – eine der Prämissen der Außenpolitik unter Menems Vorgänger Alfonsín – finanziell auszahlen wird. Bis­her hat die kuwaitische Exilregierung 18 Millionen Dollar für die Entsendung be­zahlt. Doch Menem will am Krieg verdienen: “Der Krieg im Persischen Golf kann Argentinien helfen, so wie das auch beim Zweiten Weltkrieg der Fall war. Ar­gentinien hat Nahrungsmittel und einen Überschuß an Treibstoff, die in Nach­barländer exportiert werden können.” Kurz nach dem Kriegsbeginn informierte der paraguayische Industrieminister die Weltöffentlichkeit über das Angebot Ar­gentiniens, zu 100% die Ölversorgung des Nachbarlandes zu übernehmen.

Eklat im Parlament

Eine Debatte im Argentinischen Parlament nach Beginn der Krieghandlungen endete mit einem großen KrachKrach. Die regierende peronistische Partei stellte den Antrag, die logistische Unterstützung, die die argentinischen Schiffe leisten sollten, offiziell abzusegnen. Präsident Menem ging schon vor dieser Debatte da­von aus, daß “die Zustimmungdes Parlaments bei solchen sekundären Angele­genheiten nicht notwendig ist.” Das Parlament müsse lediglich einen Kriegsein­tritt Argentinien befürworten. Diesen hatte der Präsident aber kurz zuvor offizi­ell definiert: “Argentinien befindet sich im Krieg mit dem Irak”.
Die größte Oppositionspartei UCR kritisierte die Haltung der Regierung und der Vereinigten Staaten, und forderte den Einsatz von “UNO-Blauhelmen” anstelle der alliierten Truppen. Die Peronisten konterten mit der Begründung, die Ent­sendung der Schiffe im Namen der UNO sei “das Beste für das Schicksaal der Menschheit”. Gleichzeitig griffen sie die UCR für die Lieferungen der Condor-II-Raketen an den Irak an (s. Artikel im Heft). In der Erwartung eines negativen Ausgangs der Abstimmung zogen schließlich die peronistischen Abgeordneten aus und ließen die Parlamentssitzung platzen.
Die Äußerungen des Präsidenten darüber, daß das Land sich zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren im Krieg befindet, haben innerhalb der Regierung zu völliger Verwirrung geführt. Menems Bruder, Senator Eduardo, widersprach dem Präsidenten: “Nein, nein, Argentinien befindet sich nicht im Krieg!” Außen­minister Domingo Cavallo meinte dazu “Argentinien ist nicht neutral. Das heißt allerdings nicht, daß es sich im Krieg befindet.” Auf die Frage nach der Entsen­dung der Schiffe antwortete er: “Alle Länder sind verpflichtet, logistische Unter­stützung zu erteilen. Es ist richtig, daß Argentinien das einzige Land Lateiname­rikas ist, das Truppen an den Golf geschickt hat. Wir haben dies getan, weil wir am neuen internationalen Sicherheitssystem teilhaben wollen.”
Präsident Carlos Menem reagierte nach den ersten Bombenangriffen der Alliier­ten Truppen euphorisch und setzte auf einen schnellen Sieg: “Es war ein so machtvoller und starker Angriff, daß die Irakis keine Kapazitäten mehr für eine Reaktion haben.” Gleichzeitig wünschte er zwei Wochen nach der Begnadigung der Foltergeneräle Saddam Hussein “den sofortigen Tod, weil er die Menschen­rechte verletzt hat.” Diesem Zweckoptimismus wich allerdings ebenso schnell wie in den europäischen Ländern die Einsicht, daß das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist und die erste Offensive eben nicht so entscheidend war.
Wenn der Krieg sich Monate hinziehen wird, wird auch Menem in Argentinien enorme Schwierigkeiten bekommen. Die Opposition gegen die argentinische Be­teiligung am Krieg ist schon jetzt in der Mehrheit. Die Entscheidung des Präsi­denten wird sich dann spätestens bei den im Herbst anstehenden Parlaments- und Gouverneurswahlen bemerkbar machen.

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