Karibik | Nummer 298 - April 1999 | Ökonomie | St. Lucia

Bananen, Gras und friendly fire

Die Karibik nimmt den Fehdehandschuh der USA auf

Seit den neunziger Jahren wird die Handelspolitik der USA zunehmend agressiver. Mal wird Japan, mal China mit Sanktionen bedroht, wenn sie sich den Wünschen der USA nach Marktöffnung nicht gefügig zeigen. Nun steht die Europäische Union (EU) wegen ihrer umstrittenen Bananenmarktordnung im Kreuzfeuer. Seit dem 3. März belegen die USA bestimmte europäische Exportprodukte mit einem Strafzoll und verstoßen damit gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Für Europa ist die Bananenmarktordnung weniger von Bedeutung als für die durch sie bevorzugten BananenproduzentInnen in der Karibik. Die Caribbean Community (CARICOM) reagierte prompt: Mit sofortiger Wirkung wurde das Abkommen „Partnerschaft für Wohlstand und Sicherheit“ mit den USA, das unter anderem die gemeinsame Drogenbekämpfung vorsieht, auf Eis gelegt.

Martin Ling

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist für die USA die Karibik mit Ausnahme von Kuba nur noch als Partner in Sachen Drogenbekämpfung von Interesse. Die wirtschaftlichen Belange der Karibik werden hin und wieder rhetorisch gewürdigt, aber de facto mit Füßen getreten. Die neueste krumme Tour der USA brachte den Generalsekretär der CARICOM, Edward Carrington, auf die Palme: „Es ist, als ob man durch freundliches Feuer getötet wird.“ Grund seiner Entrüstung ist der vehemente Angriff der USA auf die Bananenmarktordnung der Europäischen Union, die ihnen schon seit ihrer Einführung 1993 ein Dorn im Auge ist und zum Gegenstand mehrerer Klagen vor dem Schiedsgericht der WTO avancierte.
Im September 1997 erklärte die Welthandelsorganisation die Bananenmarktordnung für regelwidrig und forderte die EU zur Nachbesserung auf. Diese besserte nach – jedoch nach Ansicht der USA nicht ausreichend. Die nächste Klage folgte auf dem Fuße und am 12. April soll die WTO den Schiedsspruch verkünden. Anstatt diesen abzuwarten – wie es die Regeln der WTO besagen – griffen die USA zur Axt und belegten rückwirkend zum 3. März 1999 16 Produktgruppen der EU mit Strafzöllen von 100 Prozent. Der diesbezügliche Handel kam zum Erliegen und den betroffenen Unternehmen in Europa drohen Umsatzverluste in Millionenhöhe, sollten die WTO die Bananenmarktordnung erneut für regelwidrig erklären und die USA ihre Strafzölle aufrechterhalten.

Ostkaribik vor dem Ruin

In der Karibik drohen mit dem Fall der Bananenmarktordnung nicht nur Umsatzverluste – ganze Volkswirtschaften stünden vor dem Ruin. Insbesondere die Windward Inseln St. Lucia, St. Vincent, Grenada und Dominica, allesamt Mitglieder der CARICOM, hängen extrem vom Bananenexport ab. In Dominica und St. Lucia basieren über 70 Prozent der Exporterlöse auf Bananen. Produziert werden die Bananen in kleinen und mittelständischen Betrieben, deren Kosten und Preise weit über den Dollarbananen der mittelamerikanischen Plantagen US-amerikanischer Konzerne wie Chiquita, Dole und Del Monte liegen. So sichern nur die von der EU gewährten Präferenzen im Rahmen des Lomé-Abkommens den Export. Mit dem Lomé-Abkommen räumt die EU den Entwicklungsländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik, den sogenannten AKP-Staaten einseitige Handelspräferenzen ein – zumindest bis zum 29. Februar 2000, denn dann läuft die Version IV des Abkommens aus und der Fortbestand der einseitigen Handelspräferenzen gilt als fraglich.

In puncto Bananen stellt die von der EU am 1. Juli 1993 verabschiedete Gemeinsame Marktordnung für Bananen die Grundlage für den präferentiellen Handel dar, deren revidierte Fassung seit dem 1. Januar 1999 gilt und von den USA erneut als regelwidrig kritisiert wird. Die CARICOM zeigt sich darüber erbost. Bill Clinton hatte schließlich bei seiner ersten und einzigen Reise in die Karibik 1997 vollmundig angekündigt, gemeinsam mit den karibischen Staaten eine für alle Seiten zufriedenstellende Marktordnung für karibische Bananen anzustreben und dabei anerkannt, daß der bevorzugte Zugang zum europäischen Markt für die karibischen Länder von essentieller Bedeutung sei. Diese Absichten wurden im Abkommen „Partnerschaft für Wohlstand und Sicherheit“ festgehalten. Es blieb bei den Absichten. Mit diesem Vorgehen brüskiert die USA die CARICOM nicht zum ersten Mal. Seit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen den USA, Mexiko und Kanada am 1. Januar 1994 verliert die karibische Industrie gegenüber der mexikanischen zunehmend an Boden. Während letztere zollfreien Zugang in die USA genießen, trifft dies auf die karibischen nur mit Einschränkungen zu. Vor allem die karibische Textilindustrie ist ins Hintertreffen geraten. Die Forderung der CARICOM nach NAFTA-Parität, also nach gleichem Marktzugang wie Mexiko und Kanada, wurde vom US-Kongreß bereits zweimal zurückgewiesen. So steht die Ära Clinton aus Sicht der CARICOM vor allem für enttäuschte Hoffnungen.

Während die CARICOM bisher außenpolitisch rhetorisch durchaus progressive Positionen vertrat – so wurde die Integration Kubas in die Region und in die Weltwirtschaft mehrfach angemahnt – blieb dies realpolitisch ohne Konsequenzen. Daß die MinisterpräsidentInnen auf ihrem jüngsten Gipfel in Surinams Hauptstadt Paramaribo nun das besagte Abkommen fristlos aussetzten, ist eine neue Qualität. Damit wird den USA zumindest ein Nadelstich versetzt, denn die im Abkommen geregelte Kooperation in Sachen Drogenbekämpfung ist auf Eis gelegt. Der Sprecher der CARICOM, Leonard Robinson, machte klar, daß die MinisterpräsidentInnen der Bananenindustrie höchste Bedeutung beimäßen, es sich um eine Sache handele, bei der es um Leben oder Tod ginge. Die BananenproduzentInnen in St. Lucia scheinen die Angelegenheit lockerer zu nehmen: Sie kündigten an, im Ernstfall den Bananenanbau durch Marihuana zu ersetzen. In diesem Sektor ist man auch ohne Präferenzen wettbewerbsfähig. Widerstand auf karibische Art oder wie Bob Marley es auszudrücken pflegte, if you are the big tree, we are the small axe, sharpened to cut you down (Wenn ihr (die USA) der große Baum seid, sind wir die kleine Axt, geschärft, um euch zu fällen).

CHIQUITA GEGEN EUROPA

Seitdem die Europäische Union (EU) die Gemeinsame Marktordnung für Bananen (GMO) am 1. Juli 1993 eingeführt hat, geriet sie zunehmend zum Zankapfel zwischen den USA und der EU. Die GMO sah einen Schutz der Bananenproduktion in den EU-Ländern Spanien, Frankreich, Griechenland, Portugal sowie in den Ex-Kolonien der Afrika-, Karibik- und Pazifikstaaten (AKP) vor. Um diesen Schutz zu gewährleisten, wurde ein kompliziertes Instrumentarium entwickelt, daß den Bananen aus diesen Ländern einen zollfreien Zugang auf den europäischen Markt ermöglichte, während die sogenannten Dollar-Bananen US-amerikanischer Konzerne aus Lateinamerika samt und sonders mit Zoll belegt wurden. Dabei wurden die ersten 2 Millionen Tonnen mit 20 Pfennig pro Kilo belegt, darüber hinausgehende Importe gar mit 170 Prozent Strafzoll.
Diese Benachteiligung stieß den US-amerikanischen Konzernen bitter auf. Während die Konzerne Dole und Del Monte mit einer geänderten Unternehmensstrategie reagierten und Plantagen in Afrika aufkauften sowie europäische Bananenhandelsgesellschaften übernahmen, um der Benachteiligung durch die GMO zu begegnen, schlug Chiquita Brands International eine andere Strategie ein. Schon seit Ende des Kalten Krieges waren in der Hoffnung auf den osteuropäischen Absatzmarkt die Plantagen in Lateinamerika ausgebaut worden. Die Nachfrage in Osteuropa blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück und die GMO stellte nun einen weiteren Schlag ins Kontor von Chiquita dar. So setzte Chiquita um den Bananenkönig Carl Henry Lindner auf seine Verbindungen nach Washington. Der 79jährige Multimillionär zückte seine pralle Brieftasche und bedachte seine republikanischen Freunde, aber auch Bill Clinton und die Demokratische Partei mit Millionenspenden.

Das zeigte Wirkung. Die republikanischen Senatoren Bob Dole, Trent Lott und John Glenn schrieben Unterstützungsbriefe. Im April 1994 reichte der frühere Handelsbeauftragte und Clinton-Intimus Mickey Kantor den Fall zur Prüfung bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ein. Wenige Wochen darauf sollen auf den Konten der demokratischen Partei in zwei Dutzend Bundesstaaten eine halbe Million Dollar eingegangen sein – sämtlich aus den Kassen von Lindner und anderen Chiquita-Managern. Der Sprecher der Washingtoner Handelsbehörde Jay Ziegler wiegelte ab: „Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun“. Wie auch immer, der Bananenstreit kam ins Rollen und die EU wurde von der WTO im September 1997 zur Nachbesserung aufgefordert.

Die revidierte Fassung ist seit 1.1.1999 in Kraft. Danach erhalten die AKP-Länder weiterhin zollfreien Zugang auf den EU-Markt und zwar in Höhe eines Kontingents von 857 700 Tonnen. Das Kontingent der Dollar-Bananen wurde auf 2,553 Millionen Tonnen aufgestockt, wobei pro Tonne 150 DM Zoll fällig werden. Abgesehen von den neu festgelegten Kontingenten besteht der zentrale Unterschied zur alten Marktordnung im System der Importlizenzen. Während es bis dato für europäische Importeure möglich war, nicht ausgeschöpfte Importlizenzen gewinnbringend weiterzuverkaufen, so ist dies nun untersagt.
Chiquita und damit der USA ging die Nachbesserung nicht weit genug, so daß noch vor dem nächsten Schiedsspruch der WTO am 12. April zur Vergeltung geschritten wurde. Unbestritten benachteiligt die GMO die amerikanischen Multis. Daß sich die Regierung der USA jedoch zum Büttel von Chiquita macht und dessen falsche Unternehmensstrategie mit allen handelspolitischen Mitteln zu bereinigen sucht, dafür gibt es nur ein Argument: Geld. So meinte Randall Robinson, Lobbyist einer Washingtoner Gruppe für die Belange der Dritten Welt, lakonisch, Lindner habe „Amerikas Politik gekauft“.

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