Nummer 453 - März 2012 | Panama

Barrikaden gegen Bergbau und Wasserkraft

Gewalt eskaliert bei der Auflösung von Protesten und vertieft die Gräben zwischen Indigenen und Regierung

In Panama dauern derzeit die Verhandlungen zwischen Vertreter_innen der indigenen Gemeinschaft Ngöbe-Buglé und der Regierung um ein neues Gesetz zum Schutz der indigenen Gebiete an. Indigene halten weiterhin wichtige Straßen besetzt, nachdem Anfang Februar Demonstrationen gewaltsam aufgelöst und drei Indigene getötet wurden. Auslöser der Proteste war der einstimmige Beschluss des Parlaments, einen Artikel aus dem Gesetzesentwurf zu streichen, der den Schutz der natürlichen Ressourcen in den Gebieten der Ngöbe-Buglé vorsah.

Laura Zierke

Ihre Wut, wieder einmal von der Regierung übergangen zu werden, äußerten die Ngöbe-Buglé ab dem 31. Januar mit Straßensperren und Demonstrationen. Die Comarcas, die autonomen indigenen Gebiete, sind reich an Bodenschätzen und Wasserressourcen, die in der Elektroindustrie oder zur Energiegewinnung verwendet werden sollen. Panamaische Unternehmen planen den Bau von Wasserkraftwerken in der Comarca der Ngöbe-Buglé, außerdem befindet sich dort die zweitgrößte Kupfermine der Welt. Seit über einem Jahr stehen transnationale beziehungsweise ausländische Unternehmen, insbesondere aus Südkorea, mit Regierungschef Martinelli in Verhandlungen, das Erz abzubauen. Eigene Versprechen, diese Gebiete besonders schützen zu wollen, schienen der Regierung angesichts der Aussichten auf Wachstum nun im Wege zu stehen. Der Artikel fünf des neuen Gesetzes zum Schutz der indigenen Gebiete sollte eigentlich ein Abkommen vom Februar 2011, das sogenannte Abkommen von San Felix, umsetzen. Damals hatte sich die Regierung verpflichtet, Konzessionen für die Exploration und den Abbau von Bodenschätzen in den autonomen indigenen Gebieten zu annullieren, auch keine weiteren zu erteilen sowie die Natur- und Wasserressourcen zu schützen. Kurzerhand ließen die Regierungsmitglieder die Vereinbarungen dieses Abkommens unter den Tisch fallen, indem der Artikel schlicht gestrichen werden sollte.
Während der einwöchigen Proteste Anfang Februar legten die Ngöbe-Buglé und Sympathisant_innen den Verkehr auf der Interamericana, der großen Verbindungsstraße Zentralamerikas, lahm. Im ganzen Land und auch in Costa Rica fanden Solidaritätskundgebungen statt. Nach mehreren Tagen der Besetzung räumte die Polizei gewaltsam die Straße. Unter Einsatz von Helikoptern, Tränengas und Schusswaffen ging die Polizei gegen die Demonstrant_innen vor. Dadurch verloren drei Indigene ihr Leben, etliche Protestierende wurden verletzt und 149 Personen wurden festgenommen. Außerdem werden noch über 200 Ngöbe-Buglé vermisst.
Das Kollektiv Diana Morán der Frauen der Ngöbe-Buglé verurteilte insbesondere das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegenüber Frauen. Gloria Esther Castillo, Sprecherin des Kollektivs, sagte in einer Pressekonferenz: „Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch und Gewalt gegenüber Minderjährigen sind als Mittel der Einschüchterung und Erniedrigung gegen die Ngöbe-Buglé eingesetzt worden.“ Sie fordern die Entlassung und Bestrafung des Ministers für Innere Sicherheit, José Raúl Mulino, und des Generaldirektors der Nationalen Polizei, Gustavo Pérez, die sie für das Massaker an den Ngöbe-Buglé verantwortlich machen. Von Peréz sei das besonders gewaltsame Vorgehen gegen die Indigenen ausgegangen. Die Staatsdiener_innen hingegen bezeichneten die Proteste öffentlich als überflüssig. So argumentiert etwa Raúl Hernández, Abgeordneter und Präsident der Wirtschaftskommission, die Proteste und die Gewalt seien unnötig gewesen, alles hätte auch gleich besprochen werden können. Ebenso wird in der Presse betont, dass die Proteste nicht nur Personenschäden verursacht, sondern die tagelangen Straßensperren auch Millionenverluste für die Wirtschaft gebracht hätten.
Nach der gewaltsamen Beendigung der Demonstrationen, erklärte sich die Regierung am 7. Februar zu Verhandlungen mit den Ngöbe-Buglé bereit, die sich nach einer Dauer von mittlerweile mehr als drei Wochen als äußerst zäh erweisen. Die Ngöbe-Buglé sind klar in ihren Forderungen: „No hidroeléctricas, ni proyectos mineros“ – „Weder Wasserkraft- noch Bergbauprojekte“ lautet ihr Motto. Die Regierung hingegen gibt zu verstehen, dass die Indigenen mit ihren Forderungen den Fortschritt des Landes aufhielten. Fernando Díaz, Direktor der staatlichen Energiebehörde SNE, sagte der konservativen Tageszeitung Prensa: „Der Fortschritt des Landes darf nicht durch Sturheit ausgebremst werden. Das Gold Panamas sind schließlich unsere Wasservorkommen.“ Wenn die Konzessionen für die geplanten Wasserkraftwerke in dem Gebiet der Ngöbe-Buglé annulliert werden müssten, würden die Energiepreise für die panamaischen Verbraucher_innen um mehr als 25 Prozent steigen, behauptete Díaz weiter. Auch der Regierungsminister Jorge Ricardo Fábrega erklärte gegenüber Prensa, dass die Wasserressourcen nicht einer bestimmten Region, sondern dem gesamten Land gehören würden.
Bereits im letzten Jahr (siehe LN 443) hatte die Regierung Martinelli mit einem Gesetzesentwurf den Abbau von Bodenschätzen, insbesondere für ausländische Investor_innen, erleichtern wollen. Indigene Gruppen wären von diesen Eingriffen in die Umwelt besonders betroffen, da sich zumeist die Bodenschätze in ihren autonomen Gebieten befinden. Auch damals hatten heftige Proteste der Indigenen und die Aufmerksamkeit einer internationalen Öffentlichkeit die Regierung zu Verhandlungen bewogen. Indigene Vertreter_innen handelten mit der Regierung das Abkommen von San Felix vom Februar 2011 aus, mit dem sich die Regierung verpflichtet, „ein Gesetz zu erlassen, das explizit die Ausbeutung und den Abbau durch den Bergbau in der Comarca Ngöbe-Buglé verbietet und den Schutz der Natur- und Wasserressourcen vorsieht.“
Derzeit kündigen Regierungsvertreter_innen großspurig an, dass nach den Verhandlungen über Bergbau und Wasserkraftprojekte über Entwicklungspläne der Comarcas gesprochen werden soll. Auf die Forderungen von Regierungsminister Fábrega hin, die Indigenen sollen sich auf die Regierung zubewegen und ebenso flexibel sein wie diese, gehen die Indigenen nicht ein. Die Kazikin der Ngöbe-Buglé Silvia Carrera beschrieb gegenüber der Presse die Uneinigkeit mit den Worten: „Es gibt noch keinen weißen Rauch, es steigt immer noch schwarzer Rauch auf.“


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