Argentinien | Nummer 335 - Mai 2002

Bastelanleitung für ein Piquet

Timo Berger

Natürlich handelt es sich hierbei um ein Rezept, das nur in Ländern auf der Südhalbkugel mit extremster Armut und unfähigen PolitikerInnen (eine Situation also ganz anders als in Deutschland) Verwendung findet und auf gar keinen Fall in heimischen Gefilden nachgebaut werden darf!
Was wird benötigt?
Bei eintägigen Aktionen: etliche Stapel alte Autoreifen, Benzin, alte Lappen, Stöcke oder Eisenstangen, Tücher, Kapuzen zum Vermummen (nur bei Bedarf), eine Hand voll Krähenfüße, Transparente mit Forderungen wie „¡Fuera Duhalde y FMI!“, „Pan y Trabajo“, „¡El pueblo unido jamás será vencido!“, etc. (Che-Guevara-Poster sind zumindest in Argentinien schon längst nicht mehr angesagt…)
Bei mehrtägigen Aktionen zusätzlich: Zelte, große Kochtöpfe, Feuerholz, Zutaten für die Volksküche, Kochsalzlösung, Kontakt zur Presse oder besser eine digitale Kamera mit Webanschluss, damit die Bilder direkt ins Internet kommen, einen „Kampfplan“; eine Gruppe, die in den umliegenden Geschäften Lebensmittelspenden sammelt; Leute, die in den vorderen Reihen auch mal ein paar Prügel der Sicherheitskräfte aushalten.
Wie wird vorgegangen?
Einen guten Platz aussuchen: möglichst eine viel befahrene Nationalstraße oder Zufahrtsstraße zu einem Industriezentrum. Einigung darüber, ob Totalsperrung gemacht werden soll oder ein, zwei Fahrbahnen freigelassen werden, damit der argentinische ADAC ein Auge zudrückt, (außerdem kommt es dann leichter zu Solidarisierungseffekten bei den PKW-FahrerInnen). Die Behörden werden nicht informiert, aber die NachbarInnen der umliegenden Viertel. Die Straße wird mit Reifenstapeln gesperrt. Die werden in Brand gesteckt, die Stangen nimmt man in die Hand. Damit man wenigstens etwas in der Hand hat. Wenn einen die Polizei schon einmal auf dem Kieker hatte (in Argentinien heißt das, man ist „fichado“), einfach die Kapuze überziehen. Immer schön freundlich bleiben. Die AutofahrerInnen pochen auf ihr Recht auf freie Bahn, der Piquetero verweist auf seinen knurrenden Magen…
Merke 1: Ein Piquete ist eine kollektive Aktion. Also: Je mehr TeilnehmerInnen, desto besser. Denn dann nehmen einen die AutofahrerInnen ernst (das heißt sie halten und breschen nicht einfach durch die Blockade durch), und die Polizei geniert sich eine Weile, bis sie mit der Repression beginnt.
Merke 2: Ein Piquete sollte keine isolierte Aktion sein. Deshalb nach Möglichkeit versuchen, sich mit anderen Protestierenden zu vernetzen.
Merke 3: Ein Piquete ist eine illegale Aktion und als solche vom Demonstrationsrecht nicht gedeckt. Bei der Niederschlagung von Straßenblockaden sind schon etliche AktivistInnen ums Leben gekommen. Über 3000 sitzen im Gefängnis, wo sie viel Zeit haben, über ihr gesellschaftsschädigendes und verbrecherisches Verhalten nachzudenken.

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