El Salvador | Nummer 561 - März 2021

BUKELE WIRD ZUM ALLEINHERRSCHER

Erdrutschsieg für die Partei des salvadorianischen Präsidenten

Die Partei „Neue Ideen“ des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele konnte bei den Parlamentswahlen einen überwältigenden Sieg feiern. Den traditionellen großen Altparteien von rechts und links, ARENA und FMLN, droht die politische Bedeutungslosigkeit.

Von Martin Reischke

Nayib Bukele Die Regierungspartei errang mehr als die Hälfte der Parlamentssitze (Foto: PresidenciaSV CC BY-SA 4.0)

Das Ergebnis der Parlamentswahlen ist ein politischer Epochenwechsel für El Salvador – schließlich war das Land fast drei Jahrzehnte lang von zwei Parteien dominiert worden, die aus dem 1992 beendeten Bürgerkrieg hervorgegangen waren: Der rechten ARENA-Partei und der linken FMLN, der politischen Kraft der ehemaligen Guerilla. Beiden Parteien droht im neuen Parlament die politische Bedeutungslosigkeit, da die Regierungspartei „Nuevas Ideas“ („Neue Ideen“) nach vorläufigen Ergebnissen über eine komfortable Zweidrittelmehrheit verfügt. Mit dieser kann sie selbst Verfassungsänderungen ohne die Zustimmung der Opposition durchsetzen.

„Die Mehrheit ist einfach enttäuscht von den früheren Regierungen“

Es gibt keinen Zweifel: Die Partei von Präsident Nayib Bukele hat die Parlamentswahlen am 28. Februar im zentralamerikanischen El Salvador klar gewonnen. Aus dem Stand errang die neue politische Gruppierung weit mehr als die Hälfte der 84 Parlamentssitze. Anders als bisher kann Bukele nun ohne Absprachen mit der Opposition durchregieren.

„Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist sich der Gefahren bewusst, die diese Machtkonzentration mit sich bringt“, sagt Jessica Estrada vom salvadorianischen Think Tank Stiftung für Entwicklung (FUNDE). „Aber die Mehrheit ist einfach enttäuscht von den früheren Regierungen und unterstützt Bukele fast bedingungslos.“ Tatsächlich haben es weder die rechte ARENA-Partei noch die linke FMLN seit Ende des Bürgerkrieges geschafft, die grundlegenden Probleme des Landes wie Armut, Gewalt und Korruption in den Griff zu bekommen.

Besonders bitter ist das starke Abschneiden der neuen Regierungspartei für die FMLN – schließlich hatte der erst 39 Jahre Präsident Bukele seine politische Karriere als Bürgermeister eines kleinen Vorortes von San Salvador in der Ex-Guerilla-Partei begonnen. Überraschend schnell war er schon 2015 zum Bürgermeister der Hauptstadt aufgestiegen – ebenfalls für die FMLN, hatte sich dann aber mit der Partei überworfen. „Niemand hat es damals für möglich gehalten, dass eine neue politische Kraft auftauchen würde, die ARENA und die FMLN verdrängt“, sagt Estrada. Andere Parteineugründungen in der Vergangenheit waren schließlich gescheitert, die Dominanz der zwei großen Altparteien galt als unüberwindbar.

Noch heute reiben sich viele politische Beobachter*innen verwundert die Augen angesichts der Geschwindigkeit, mit der Präsident Bukele das traditionelle Parteiengefüge verändert hat. Vor zwei Jahren war er als Kandidat der kleinen Partei GANA mit überwältigender Mehrheit zum Staatsoberhaupt gewählt worden – seine eigene Partei „Nuevas Ideas“ war zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell zugelassen. Der Sieg bei den Parlamentswahlen zeigt nun, dass es sich bei Bukeles Wahlerfolgen offenbar um ein dauerhaftes Phänomen handelt.

Andere Parteien im Parlament von El Salvador werden zu Statisten

Dabei ist der junge Präsident in El Salvador keineswegs unumstritten: Er gilt als äußerst autoritärer Staatschef, der sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt und demokratische Grundprinzipien wie die Gewaltenteilung und den respektvollen Umgang mit dem politischen Gegner missachtet. Als wenige Wochen vor der Wahl zwei Mitglieder der FMLN von Anhängern des Präsidenten nach einem Disput auf offener Straße erschossen worden waren, rief Bukele nicht zu Gewaltverzicht und Mäßigung auf, sondern machte sich über die Tat lustig. „Es scheint, dass Bukele diese Art von Zusammenstößen, bei denen seine Anhänger ihn bis aufs Blut verteidigen, sogar genießt“, meint Jessica Estrada.

Doch selbst der pietätlose Umgang mit dem Mord an den zwei FMLN-Anhängern hat den Wahlausgang offenbar nicht beeinflusst, Präsident Bukele gilt als einer der beliebtesten Regierungschefs Lateinamerikas. Sympathien dürfte ihm vor allem die drastische Reduzierung der hohen Gewaltrate eingebracht haben – Kritiker*innen monieren allerdings, dass diese nur durch geheime Absprachen mit den gewalttätigen Jugendbanden, den sogenannten maras zustande gekommen ist. Sie kontrollieren ganze Stadtviertel und sind für die hohe Mordrate im Land maßgeblich mitverantwortlich.
Aufgrund der überragenden Beliebtheitswerte von Bukele war auch der nun zu Ende gegangene Parlamentswahlkampf von „Nuevas Ideas“ komplett auf den Präsidenten zugeschnitten. Die neuen Abgeordneten der Partei gelten alle als äußerst loyal gegenüber Bukele, der nun keine Schwierigkeiten haben wird, sämtliche Gesetzesvorhaben geräuschlos durch das Parlament zu bringen. Alle anderen im Parlament vertretenen Parteien werden de facto in eine Statistenrolle gezwungen, da Bukele ihre Stimmen für keine seiner zukünftigen politischen Entscheidungen benötigt – den Staatshaushalt oder neue Gesetzesvorhaben, aber auch weitreichende Verfassungsänderungen kann er allein mit der Zweidrittel-Mehrheit von „Nuevas Ideas“ beschließen.
Zudem steht demnächst die Ernennung von neuen Richter*innen für den Obersten Gerichtshof an, auch ein neuer Generalstaatsanwalt oder eine neue Generalstaatsanwältin muss bald schon ernannt werden – ebenfalls Entscheidungen, die Bukele nun im Alleingang treffen kann und so seinen Machtzugriff auf die Judikative deutlich erweitert.

Der Wahlsieg von „Nuevas Ideas“ könnte auch Auswirkungen auf die künftige Zusammenarbeit mit den USA haben, die Zentralamerika von jeher als ihre direkte Einflusssphäre betrachten. US-Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump wieder stärker um den Kampf gegen die Korruption als wichtigen Teil der Fluchtursachenbekämpfung zentralamerikanischer Migrant*innen kümmern zu wollen. Allerdings dürfte Präsident Bukele kaum Interesse daran haben, seine oft intransparente Amtsführung von einer unabhängigen Kontrollinstanz prüfen zu lassen.

„Washington kann damit drohen, die internationalen Hilfsgelder für El Salvador zu kürzen“

Doch welche konkreten Druckmittel hätte die US-Regierung, um innenpolitischen Einfluss im Land zu nehmen? „Washington kann zum Beispiel damit drohen, die internationalen Hilfsgelder für El Salvador zu kürzen oder die Zusammenarbeit sogar ganz einzustellen“, erläutert Jessica Estrada. „Das hätte dramatische Auswirkungen auf große Infrastrukturprojekte der Regierung Bukele, die von den USA unterstützt werden.“

Zudem könnte Bukele ein Gesetz in die Quere kommen, das der US-Kongress erst im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet hat. Es sieht die jährliche Veröffentlichung derjenigen Personen aus Guatemala, Honduras und El Salvador vor, die der US-Regierung als korrupte und undemokratische Akteur*innen bekannt sind. Eine Veröffentlichung in der „Liste Engel“ – benannt nach dem früheren Kongress-Abgeordneten Eliot Engel, der das Gesetz initiiert hat – kann weitreichende Sanktionen wie den Entzug der Einreisegenehmigung oder die Beendigung geschäftlicher Tätigkeiten in den USA nach sich ziehen. Bukele muss nun befürchten, dass Mitglieder seiner eigenen Regierung auf der „Liste Engel“ öffentlich gebrandmarkt werden. „Wir wissen noch nicht, wie er darauf reagieren wird“, sagt Estrada. „Washington hat allerdings klargemacht, dass es Machtmissbrauch und Korruption nicht länger tolerieren wird.“

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