Der Blinde unter den Einäugigen
Balaguer behauptet sich durch massiven Wahlbetrug
Eine Überraschung stellte der Wahlbetrug indes nicht dar. Die Fälschungen sowie die Reaktionen auf die zu erwartende internationale Kritik waren von langer Hand vorbereitet. In einem rassistisch geführten Wahlkampf warf die regierende Reformierte Sozialchristliche Partei dem farbigen Peña Gómez immer wieder den Ausverkauf nationaler Interessen vor. Peña Gómez ist Vizepräsident der Sozialistischen Internationalen und setzte auf ausländische WahlbeobachterInnen, um faire Wahlen zu garantieren.
Peña Gómez, der aus dem verarmten Norden des Landes stammt, ist der Vertreter der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Über 80 Prozent der DominikanerInnen sind dunkler Hautfarbe. Balaguer stützt sich vor allem auf die weßen Oberschichten, die alle wichtigen Bereiche des wirtschaftlichen Lebens kontrollieren.
Bereits Wochen vor der Wahl hatten die Oppositionsparteien von der Zentralen Wahlkommission verlangt, ihnen die Wählerverzeichnisse auszuhändigen. Erst drei Tage vor den Wahlen lagen die Listen vor. Als schließlich diese Verzeichnisse mit dem offiziellen Wahlregister verglichen wurden, stellten BeobachterInnen fest, daß tausende von Namen fehlten. Außerdem wurde vielen WählerInnen der Zutritt zu den Wahllokalen verwehrt. Insgesamt 200.000 Menschen konnten ihre Stimme nicht abgeben. In erster Linie handelte es sich dabei um AnhängerInnen der Opposition. Um sich zusätzlich abzusichern, ließ Balaguer seine eigenen Gefolgsleute zum Teil sogar ein zweites Mal wählen. In einigen Wahlkreisen lag die Wahlbeteiligung bei über 100 Prozent.
Internationale Verschwörung
Diese Vorwürfe wurden von internationalen WahlbeobachterInnen bestätigt. Die US-Administration sowie die Regierungen anderer Länder erklärten daraufhin umgehend, die Wahlergebnisse nicht anzuerkennen. Da der 87jährige blinde Balaguer ein Profi in Sachen Wahlbetrug ist, reagierte er schnell. Seine Strategie gleicht der, die bereits vor vier Jahren ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt hatte: Zunächst einmal alles leugnen. Die Wahlen seien sauber gewesen und die Vorwürfe ein Vorwand der Opposition und ihrer ausländischen Komplizen, um die Macht an sich zu reißen. Anschließend solle das Land mit dem Nachbarstaat Haiti vereinigt werden. Jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Dominikanischen Republik werde die Regierung entschlossen entgegentreten. Der Einmischung der dominikanischen Bevölkerung in ihre eigenen Angelegenheiten trat das Regime entgegen, indem es Militärs auf den Straßen der großen Städte patroullieren ließ. Balaguer verhängte umgehend ein nächtliches Ausgehverbot. Peña Gómez hatte seine AnhängerInnen dazu aufgerufen, friedlichen Widerstand gegen den Wahlbetrug zu leisten.
Auf die Peitsche folgte das Zuckerbrot. Der Diktator ließ verlauten, Unregelmäigkeiten bei den Wahlen befänden sich im Bereich des Möglichen. Nur handele es sich eben nicht um Betrug, sondern um Schwächen des neuen Wahlsystems. Der weitverbreitete Analphabetismus habe sein übriges getan, um die Wahlen in ihrem Ablauf zu behindern. Die Zentrale Wahlkommission stoppte die Bekanntgabe der Wahlergebnisse und kündigte an, die Stimmen erneut auszählen zu lassen, um dann gegebenenfalls Neuwahlen in einigen Landesteilen auszurufen. Eine generelle Wiederholung des Urnengangs komme wegen verfassungsrechtlicher Vorschriften nicht in Betracht.
Balaguer will Zeit gewinnen und setzt darauf, daß die internationale Kritik nach der pflichtgemäßen Äußerung ihrer Empörung verstummt. Das Schweigen der USA will er sich erkaufen. Dem US-Gesandten für Haiti, William Grey, versprach der greise Staatspräsident, das von den Vereinten Nationen gegen Haiti verhängte Embargo nicht länger zu mißachten. Die grüne Grenze zum Nachbarn soll nun undurchlässig gemacht werden. Werden sich die USA auf dieses Geschäft einlassen, um der Beilegung der Krise in Haiti einen Schritt näher zu kommen? Sind sie bereit dazu, wieder einmal wegzusehen, wenn sich der blinde Balaguer zum siebten Mal an die Macht mogelt? Balaguer handelt offenbar weitsichtiger als das State Department denkt.