Kolumbien | Nummer 249 - März 1995

Die Drogenhändler müssen sich totlachen

Die Frage, ob die Clinton-Administration der kolumbianischen Regierung Samper auch dieses Jahr die Wohlverhaltensbescheinigung für Kooperation im Kampf gegen den Drogenhandel ausstellen wird, hat im Verhältnis der beiden Regierungen zu einer ernstzunehmenden Krise geführt. Nur durch einen Canossa-Gang mehrerer kolum­bianischer Regierungsmitglieder konnte möglicherweise eine zumindest bedingte An­erkennung der kolumbianischen Anstrengungen bei der Drogenbekämpfung im US-amerikanischen Senat erreicht werden.

Robert Dettmering

Nach einer Reihe von Treffen mit ho­hen Funktionären des State Department in Washington schloß Justizminister Néstor Humberto Martínez Neira daß “die Stati­stiken, die wir hier in Washington vorge­legt haben, zeigen, daß leider im Gegen­satz zu dem, was in Peru und Bolivien ge­schieht, in Kolumbien der (Koka-) Anbau weiter im Wachsen begriffen ist”. Hiermit war klar, daß die kolumbianische Regie­rung auch in diesem Jahr nicht ohne Wei­teres ihr Wohlverhalten von der US-Re­gierung bescheinigt bekommen würde.
Bereits 1993 hatte es nicht gut ausgese­hen für besagte Wohlverhaltensbescheini­gung durch die USA, aber, so die kolum­bianische Zeitung El Espectador, “wie immer am Ende des Jahres strengte sich der gute Schüler an, und… lieferte den to­ten “Kopf” des Medellín-Kartells Pablo Emilio Escobar Gaviria”. Daraufhin be­kam die Regierung Gaviria zuletzt doch die volle Bestätigung seitens der USA und bleibt dadurch in dem Genuß finanzieller Hilfen durch die US-Regierung, die Welt­bank und den internationalen Währungs­fonds.
In diesem Jahr jedoch konnte die neue Regierung unter Samper bislang keinen nennenswerten Erfolg im Kampf gegen die Drogenproduktion in Kolumbien vor­weisen, und so mehrten sich die Stimmen in den USA, die neben der Verweigerung der Wohlverhaltensbescheinigung auch drastische Sanktionen forderten.
Der US-amerikanische Botschafter in Kolumbien, Myles Frechette, äußerte, “daß sein Land Schwierigkeiten habe, Kolumbien die volle Mitarbeit im Kampf gegen den Drogenhandel zu bescheini­gen”. Währenddessen ging der ehemalige “Antidrogenzar” William Bennet weiter: “Solange die Regierung (Samper) keine wirklichen Anstrengungen im Kampf ge­gen den Drogenhandel unternimmt, müs­sen wir sowohl den Import kolumbiani­schen Kaffees, wie auch aller anderen Produkte aus diesem Land verbieten”.
Die Reaktionen der kolumbianischen Presse waren dementsprechend heftig. Eine Bogotaer Zeitung forderte, den Bot­schafter zur persona non grata zu erklä­ren. Die Krise, die in dieser Auseinander­setzung zutage trat, hat freilich tiefere Wurzeln.
Die Wohlverhaltensklausel
Bereits seit 1961 existiert in den USA ein Gesetz, das zur Bekämpfung des Han­dels und der Produktion illegaler Drogen die Befugnisse der Exekutive erweitern soll. 1986, als in der Ära Reagan die Ko­kainproduktion vor allem in Kolumbien ihre größte Blüte erreichte, verabschiedete der US-amerikanische Kongress ein Ge­setz, das es dem Präsidenten gestattete, eine Länderliste der bedeutendsten Drogenproduzenten und -transporteure zu erstellen und nach eigenem Ermessen de­ren Kooperation bei der Bekämpfung des Drogenhandels einzustufen. Für ein Land, das sich voll der Bekämpfung des Dro­genhandels verschreibt und die US-ameri­kanischen Auflagen erfüllt, fließen militä­rische, wirtschaftliche und humanitäre Hilfe ungehindert weiter. Vor allem aber werden weiterhin intensive logistische und finanzielle Hilfen für die Drogenbekämp­fung zur Verfügung gestellt.
Wird ein Land allerdings nicht als be­dingungslos kooperativ eingestuft, ist die Exekutive berechtigt, die nicht-humanitäre Hilfe an dieses Land solange auszusetzen, bis sich dessen Regierung dem Kampf ge­gen die Drogenwirtschaft anschließt. Gleichzeitig verpflichtet ein negatives Votum die Regierung bei den internatio­nalen Finanzinstitutionen ein Veto gegen Kredite an das in Ungnade gefallene Land einzulegen.
Der kolumbianische Fall
Das strategisch wichtigste Land für Drogenhändler, und -produzenten auf dem amerikanischen Kontinent ist mit Sicher­heit Kolumbien. Fast die gesamte Kokain­produktion und Distribution läuft in Ko­lumbien ab; dort befinden sich fast sämtli­che Labore, in denen mithilfe von Chemi­kalien wie Äther und Aceton die Droge Kokain aus der – zum großen Teil aus Peru und Bolivien importierten Kokapaste raffiniert wird. Allgemein wird der Anteil allein des sogenannten Cali-Kartells an sämtlichem in den USA konsumierten Kokain auf etwa 80 Prozent geschätzt. In den letzten Jahren haben sich die Anbau­flächen für Koka, sowie von Schlafmohn, dem wichtigsten Rohstoff zur Herstellung von Heroin, vor allem in Kolumbien ra­sant vergrößert. Es ist davon auszugehen, daß die Einnahmen aus Drogengeschäften teilweise für die niedrige Inflationsrate in den letzten zehn Jahren mitverantwortlich sind, da der starke Zustrom von Dollars aus Drogengeschäften dessen Wert ge­genüber dem Peso drückt.
Im Gegensatz zu dem Kartell von Me­dellín, dessen Mitglieder nie die Integra­tion in die gesellschaftliche Elite des Lan­des erlangt haben, ist das Kartell von Cali bis hinein in die Regierung mit dieser ver­flochten und somit weitaus schwerer an­zugreifen. Gerüchte sprechen auch davon, daß ein Teil der Präsidentschaftskampa­gne des jetztigen Präsidenten Samper mit Geldern des Cali-Kartells finanziert wurde (vgl. LN 241/242). Gerade in diesen Tagen brachte die kolumbianische Zeit­schrift Cambio 16 eine Liste zutage, auf der eine Reihe von Namen auftauchen, die in Sampers Wahlkampf wichtige Positio­nen einnahmen und angeblich auf der “Gehaltsliste” von Gilberto Rodríguez Orejuela, dem mutmaßlichen Kopf des Kartells standen.
Clinton und die Republikaner über­zeugen
Es ist daher nicht verwunderlich, daß man in den Vereinigten Staaten den Be­mühungen der Regierung Samper bei der Vernichtung von Anbauflächen und der Bekämpfung des Kartells von Cali mit ei­nem gewissen Mißtrauen begegnet. Zumal die Clinton-Administration der Ansicht ist, daß Samper seit seinem Amtsantritt vor einem halben Jahr keine signifikanten Ergebnisse vorweisen kann.
In Kolumbien sieht man das freilich anders. Aber da die Regierung nicht auf die Hilfen aus den USA und den interna­tionalen Institutionen verzichten will, flo­gen in der vergangenen Woche der kolumbianische Botschafter in den USA, Carlos Lleras de la Fuente, Verteidi­gungsminister Fernando Botero Zea und der Außenminister Rodrigo Pardo García Pena (der den Platz des unter Korrupti­onsvorwürfen ausgeschiedenen General­staatsanwalts Gustavo de Greiff einnahm) in die USA, um dort mit verschiedenen Mitgliedern des Kongresses zusammen­zutreffen. Ihre Aufgabe war in den letzten Tagen eine positive Stimmung für Ko­lumbien zu hinterlassen, bevor Bill Clin­ton dem Senat die Untersuchungen und Einschätzungen zur Abstimmung über die Wohlverhaltensbescheinigung für das süd­a­merikanische Land unterbreitet. Keine ein­fache Aufgabe angesichts der Tatsache, daß seit den letzten Wahlen der Kongreß von den Republikanern be­herrscht wird. Auch Clinton mußte sich bereits den neu­en Machtverhältnissen beugen und eine här­tere politische Gangart einschlagen, um sich nicht vor­zeitig die Chancen auf eine Wiederwahl in zwei Jahren zu verbauen.
Auch aus diesem Grunde hat Bill Clin­ton nun die Flucht nach vorn angetreten und nach zwei Jahren verminderter Inten­sität im Drogenkrieg nun, wie bereits seine republikanischen Vorgänger Reagan und Bush, den Kampf gegen den Drogen­handel zur obersten Priorität erklärt. Auf 14,6 Milliarden US-Dollar will der ame­rikanische Präsident nun die Mittel zur Drogenbekämpfung aufstocken, was ei­nem Anstieg von fast 10 Prozent ent­spricht. Davon sollen etwa 64 Prozent (9,3 Milliarden US$)in die Bekämpfung von Anbau und Transport im Ausland aufge­wendet werden, während 34 Prozent (4,9 Milliarden US$) in die Prävention und den Drogenentzug fließen sollen. Da der damals demokratisch dominierte Kongress be­reits im letzten Jahr die vorgeschlage­nen Aufwendungen für Prävention und Be­handlung zusammenstrich, ist aller­dings die Frage, ob Clinton sich bei den Re­publikanern mit seinem Vorschlag durch­setzen kann.
Die Tendenz jedoch wird klar bei der Betrachtung des neuen Vorstoßes von Clinton, mit dem er seinen politischen Feinden, wie dem republikanischen Sena­tor Jesse Helms, den Wind aus den Segeln zu nehmen versucht. Und ver­ständlich wird so auch, daß die kolumbia­nische Re­gierung nach beendeter Mission in den USA viel ruhiger ist: nach Ein­schät­zung des kolumbianischen Botschaf­ters Carlos Lle­ras de la Fuente ist die Wahr­schein­lichkeit einer negativen Beur­tei­lung durch die US-amerikanische Re­gie­rung nur gleich 5 Prozent, während er mit 75prozentiger Sicherheit von zu­min­dest einer bedingt positiven Einschät­zung (im nationalen Interesse der USA) aus­geht. Zu diesem Ergebnis kam der Di­plo­mat, nachdem die jeweiligen “Gesprächs­partner auf die von Außenmi­nister Rodri­go Pardo vorgelegten Fakten in Sachen Ver­nich­tung von Anbauflächen durchweg positiv reagiert hätten”. Die Ankündigung Sampers, im Falle einer nur bedingten Approbation durch die USA zu prüfen, ob man die Hilfen der USA über­haupt annehmen will, darf aber lediglich als eine starke Geste verstanden werden, mit der Samper versuchen will, in der ko­lum­bianischen Öffentlichkeit nicht als Hand­langer der US-Amerikaner dazuste­hen.
Für dieses Jahr scheint die Krise be­wältigt, wenngleich sich dies letztendlich erst nach dem 1. März entscheidet, wenn Clinton dem Kongreß seine Fakten auf den Tisch legt. Aber es kann mit Sicher­heit davon ausgegangen werden, daß sich die USA in den kommenden Jahren bei steigendem Koka-Anbau in Kolumbien nicht mit einer PR-Veranstaltung der ko­lumbianischen Regierung zufriedenstellen lassen werden. Der Druck, den die Repu­blikaner auf Clinton ausüben, wird sich in den nächsten Jahren mit einer ständigen Verschärfung der US-amerikanischen An­ti­drogenpolitik bemerkbar machen. Die Dro­genbarone aus Cali, die sich in diesem Jahr nach den Worten von Vizepräsident Humberto de la Calle angesichts des pein­lichen Verlaufs der Debatte in Kolumbien noch “totlachen müssen”, werden sich in den nächsten Jahren zunehmend leiser gebärden.


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren