Literatur | Nummer 380 - Februar 2006

Die Literatur diene dem Leben

Eine Ausnahmepublikation porträtiert den österreichischen Lateinamerika-Kenner Erich Hackl

Dem Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber und Journalisten Erich Hackl ist nach seinem 50. Geburtstag eine Sondernummer der Zeitschrift Die Rampe gewidmet, die weit über das hinausgeht, was Redaktionen üblicherweise zu leisten willens und in der Lage sind. Es ist ein richtiges Buch geworden, und dürfte nicht nur diejenigen interessieren, die von Hackl schon etwas gelesen haben.

Valentin Schönherr

In der Sonderausgabe der Linzer Zeitschrift Die Rampe haben sich viele FreundInnen und KollegInnen über Erich Hackl und seine Texte geäußert, dazu kommen Selbstauskünfte Hackls und eine umfassende Bibliographie. Die Beiträge sind insofern einseitig, als dass Hackls KritikerInnen höchstens zitiert werden. Hier schreibt, wer ihn schätzt, und man schreibt, was man an ihm schätzt. Aber aus der Menge der Zustimmung ist eine angenehme Erkenntnis herauszulesen: Man ist nicht allein, wenn man die Denk- und Schreibhaltung des Erich Hackl mag und braucht. Wo es im Literatur- und Kulturwesen unüblich geworden ist, Fiktion und Realität zu unterscheiden, oder AngreiferInnen und Angegriffene, kommt einer wie Hackl und sagt: Doch, schau es dir doch an.

Anekdoten

Von Lateinamerika ist viel die Rede: Peter Schultze–Kraft schreibt über die Erfahrungen gemeinsamen Übersetzens (abgedruckt ist sogar ein Beispiel dieser Tandemarbeit, der Übersetzungsentwurf eines Gedichts voller Anstreichungen und Zusätze). Der von Hackl und Schultze–Kraft übersetzte Kolumbianer Memo Ánjel erzählt von einem Stadtspaziergang mit Hackl durch Wien und seine (Wiens, Hackls, Ánjels) Geschichte. Sara Méndez, die Hauptperson aus Sara und Simón, erinnert sich an Hackls schmerzhaft insistierendes Fragen bei den Recherchen für das Buch, und der Kubaner Jorge A. Pomar berichtet, wie er Anfang der 90er Jahre als Dissident inhaftiert war und sich Hackl öffentlich für ihn eingesetzt hat. Der guatemaltekische Lyriker Humberto Ak’abal schließlich widmet ihm ein freundschaftliches Gedicht.

Geschichten auffinden

Das Anekdotische kommt also nicht zu kurz. Besonders glückliche Abschnitte sind für mich ein biographisches Alphabet von Karl–Markus Gauß sowie eine Reihe von Fotos, die Hackl selbst kommentiert. Hier sind all die Menschen zu sehen, die man aus seinen Büchern kennt: von Sidonie von Adlersburg aus Abschied von Sidonie bis hin zum Vater jener Hildegart, die in Auroras Anlaß von ihrer Mutter nach modern scheinenden Prinzipien erzogen und schließlich getötet wird.
Was aber bleibt noch? Das Plädoyer für eine Haltung zur Literatur, die das außerliterarische Leben nicht ausschließt. Für Hackl beginnt die Literatur im Leben, und sie kann dort auch wieder hinführen. Wenn er eine Geschichte auffindet (er findet auf, statt zu erfinden, und immer sind es Menschen, die dem Unrecht ausgesetzt sind und es nicht hinnehmen wollen), gehen dem Schreiben gründlichste Erkundungen voraus. Wenn er schreibt, sollen die – stets authentischen – Personen ihre Geschichte bekommen, soweit dies möglich ist. Wo Lücken bleiben, bleiben Lücken, die Distanz des Erzählers bleibt gewahrt, Wertungen müssen sich erst ergeben und werden nicht verraten. Ins Leben zurück findet Hackls Schreiben auf eine Weise, die die spanische Schriftstellerin Belén Gopegui in ihrem Beitrag aufzeigt. Es dürfe keine Flucht aus dem Leben geben, keine Hinnahme der Verhältnisse.
“Du kannst es zumindest tun (dich wehren), da es jemand tun konnte. Du brauchst sie (die Bücher von Hackl), weil auf keiner Seite das Bewusstsein fehlt, dass das wahrhaft Notwendige darin besteht, die Entschlossenheit, Zuversicht und Ausdauer zu erlangen, die notwendig sind, um sich jetzt aufzulehnen.”

Die Rampe, Ausgabe 3/05. Porträt Erich Hackl. Herausgegeben vom StifterHaus Linz, 168 Seiten, 10,90 Euro. Vertrieb: Trauner Verlag Linz,
www.trauner.de


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