Honduras | Nummer 428 - Februar 2010

„Die Putschisten werden sich zu verantworten haben“

Interview mit Silvia Ayala Figueroa, Abgeordnete der honduranischen Links-Partei Demokratischer Zusammenschluss (UD)

Interview: Sebastian Henning

Bis jetzt haben nur wenige Regierungen Lateinamerikas und die USA die Anerkennung der Wahlen vom 29. November signalisiert. Wer hatte sich zur Amtseinführung von Porfirio Lobo am 27. Januar angesagt?
Nur die USA, Kolumbien, Peru, Panama und Costa Rica hatten ihre Teilnahme mit offiziellen Delegationen an der Amtsübergabe am 27. Januar angekündigt. Die PutschistInnen haben deswegen versucht, die Abwesenheit offizieller Delegationen der Staaten der Welt bei der Amtseinführung durch die Einladung von Unternehmerverbänden und VertreterInnen rechter Parteien zu kaschieren, so wie sie es seit dem Putsch getan haben.

Was werden die Strategien der Regierung Lobo sein?
Die Regierung Porfirio Lobo wird definitiv eine Fortsetzung des De-facto-Regimes sein, vor allem aber jener Machtgruppen, die den Putsch gegen Präsident Zelaya betrieben haben. Auch Porfirio Lobo folgt denselben politischen und ökonomischen Interessen dieser tatsächlichen Machthaber. Die Erfahrungen aus dem Putsch vor Augen, wird sich Lobo hüten, von der Linie der machthabenden Interessengruppen abzuweichen, damit ihn nicht dasselbe Schicksal wie Zelaya ereilt. Im Gegensatz zu Micheletti, der über keinerlei Bildung verfügt und kulturell und politisch sehr primitiv agiert, ist Lobo sehr gut auf sein Amt vorbereitet. Zumindest im Diskurs wirkt Lobo sehr offen für den Dialog, geht viel intelligenter und weniger konfrontativ vor.

Die PutschistInnen verschaffen sich gerade eine Amnestie, was bedeutet, das für die Aufklärung der seit dem 28. Juni begangenen Straftaten?
Leider sind die Kräfteverhältnisse im Kongress nicht so, dass wir die Amnestie verhindern könnten. Allerdings können einerseits die begangenen Straftatbestände des Landesverrats in Honduras verfolgt werden, sobald die Judikative nicht mehr in den Händen der PutschistInnen ist. Außerdem haben solche Amnestien keinerlei Bestand vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Die PutschistInnen werden sich also für die von ihnen am honduranischen Volk begangenen Straftaten noch zu verantworten haben.

Die Frauenbewegung in Honduras ist sehr stark und spielt eine bedeutende Rolle in der Widerstandsbewegung. Wie hat sich diese Bewegung entwickelt?
In den letzten Jahren hatte es bereits ein Erstarken der feministischen Bewegung mit außerordentlichen Erfolgen gegeben, die vor allem auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden haben. So war eine Frauenquote für politische Ämter eingeführt worden sowie Gesetze, die zumindest formell die Situation der Frauen verbessern. Diese Kraft wird zudem helfen, uns dem Erstarken des religiösen Fundamentalismus entgegenzustellen.

Wie hat sich die Situation für Frauen nach dem Putsch verändert?
Von den Schwierigkeiten und der Repression, die die honduranische Bevölkerung seit dem Putsch durchleben muss, sind wir Frauen leider am stärksten betroffen. Es sind zahlreiche sexuelle Übergriffe sowie Schläge, Haft, Folter und Morde an Frauen dokumentiert worden. Dies hindert die AktivistInnen jedoch nicht daran, sich am Widerstand auch weiterhin an vorderster Front zu beteiligen.

Der Menschenrechtsverteidiger Walter Tróchez hatte kurz vor seinem gewaltsamen Tod im Dezember auch auf die Ermordung zahlreicher Transgender und Schwuler seit dem Putsch aufmerksam gemacht. Ist die spezifische Situation für diese Bevölkerungsgruppe vergleichbar mit der systematischen Repression von Frauen?
Eine Militärdiktatur wie sie in Honduras besteht, bietet ideale Voraussetzungen für jede Art von Übergriffen. Das trifft neben Frauen eben auch diese besonders verletzliche Personengruppe, die auch sonst starken Diskriminierungen, Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt ist. Die derzeitige Straflosigkeit erlaubt es, die Ressentiments gegen diese Menschen ganz offen auszuleben, sie anzugreifen, ihnen ihre Rechte zu nehmen, und – wie im Fall von Walter Tróchez – jede Information über die Menschenrechtssituation in Honduras zu unterdrücken.

Wer sind die Täter?
Ausgeführt werden die Übergriffe vor allem von Angehörigen von Armee und Polizei. Wir haben auch Hinweise darauf, dass die Todesschwadronen reaktiviert wurden. Derzeit untersuchen wir die Indizien und werden eine Dokumentation dazu vorlegen. Direkt verantwortlich sind natürlich auch die geistigen Urheber, die Machtgruppen, die den Militärputsch geplant und ausgeführt haben.

Abgesehen von der Forderung an unsere Regierungen, die Wahl vom November nicht anzuerkennen – was erwartet die honduranische Widerstandsbewegung von uns, den solidarischen Gruppen in Europa?
Es wäre für uns sehr wichtig, wenn Ihr in Euren jeweiligen Ländern auf die Aktivitäten rechtsgerichteter Organisationen – wie hier in Deutschland die Friedrich-Naumann-Stiftung – hinweisen könntet. Die rechten Parteien betreiben eine rege Lobbyarbeit zur Anerkennung jener, die für die Straftaten gegen die honduranische Bevölkerung im letzten halben Jahr verantwortlich sind. Der eklatanteste Fall ist natürlich, dass die Liberale Internationale den Putschpräsidenten Roberto Micheletti zu ihrem Vizepräsidenten gemacht hat.

Die Kirchen unterhalten in Honduras beste Kontakte zu den PutschistInnen, wie können sich ChristInnen in Europa dazu verhalten?
Auch wenn die obersten Instanzen der katholischen und der evangelischen Kirche in Honduras aktiv an dem Putsch mitgewirkt haben und ihn unterstützen, gibt es viele katholische Priester und sogar Bischöfe, sowie evangelische Pastoren, die Aktionen des Widerstands der Bevölkerung begleitet haben. Wir haben uns sehr gefreut, dass in Frankreich – auf Druck von solidarischen ChristInnen – dem Kardinal von Honduras, Rodríguez Maradiaga, die für ihn vorgesehene Ehrendoktorwürde des Katholischen Instituts nicht verliehen wurde. Wir denken, ChristInnen in anderen Ländern könnten ähnliche Aktionen durchführen.

Kasten:

SILVIA AYALA FIGUEROA

ist Rechtsanwältin und wurde 2005 als eine von 5 Abgeordneten der Linkspartei Demokratischer Zusammenschluss (UD), in das honduranische Parlament gewählt. Die UD nahm an den umstrittenen Wahlen vom 29.11.2009 mit der Begründung teil, dass sie ansonsten ihren Parteienstatus verlieren würde. In der Fraktion ist sie zuständig für Geschlechterpolitik, Justiz und Sport. Sie ist im Widerstand gegen die Putschisten in Honduras aktiv.

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