Guatemala | Nummer 297 - März 1999

Die Tragödie Guatemalas

Die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen der Wahrheitskommission

Michael Krämer

Die Ergebnisse

Bei den Menschenrechtsverletzungen, die die Wahrheitskommission untersuchen konnte, gab es 42.000 Opfer, davon wurden mehr als 29.000 ermordet oder sind „verschwunden“. Die Wahrheitskommission konnte aber nur einen Teil der Gewalttaten untersuchen und geht von insgesamt mehr als 200.000 Menschen aus, die zwischen 1962 und 1996 getötet wurden – eine deutlich höhere Zahl als bislang allgemein angenommen. 93 Prozent der Menschenrechtsverletzungen sind von staatlichen oder vom Staat kontrollierten Kräften verübt worden, drei Prozent von der Guerilla, in vier Prozent der Fälle konnte die Urheberschaft nicht festgestellt werden.
Die Repression gegen die Zivilbevölkerung ist mit unvorstellbarer Grausamkeit erfolgt, die Verantwortung für die Massaker und andere schwere Verbrechen liegt nicht nur bei den ausführenden Einheiten: Der Terror ist von höchster Ebene geplant worden und integrales Element der „Doktrin der Nationalen Sicherheit“ gewesen. In der Zeit der schlimmsten Repression, zwischen 1978 und 1983, sind im Rahmen der „Strategie der verbrannten Erde“ Dörfer komplett zerstört worden. Dabei ist es in einigen Regionen des Landes zwischen 1981 und 1983 zu einem Völkermord an Teilen der Maya-Bevölkerung gekommen. Die Kommission hat 626 Massaker staatlicher und parastaatlicher Repressionskräfte gezählt, der Guerilla werden 32 Massaker angelastet.
Die Mehrzahl der Opfer des staatlichen Terrors (83 Prozent) gehören der Maya-Bevölkerung an. In vielen Fällen ist mit besonderer Grausamkeit gegen Frauen und Kinder vorgegangen worden. Die besondere Brutalität gegen die Maya-Bevölkerung ist nicht ausschließlich auf den Krieg zurückzuführen, sondern liegt auch im jahrhundertealten Rassismus begründet. Dem Staat ist es darum gegangen, die Kultur der Maya-Bevölkerung zu zerstören. An der Unterdrückung der Zivilbevölkerung sind auch die wirtschaftlichen Machtgruppen beteiligt gewesen.
Aufgrund von Aussagen ehemaliger Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte hat die Kommission Beweise, daß die Geheimdienststrukturen des Staates, insbesondere die berüchtigte Abteilung G-2 und der Estado Mayor Presidencial für einen Großteil der Entführungen, Folterungen, Hinrichtungen und das Verschwindenlassen von Personen verantwortlich sei. Das Fehlen eines unabhängigen und funktionierenden Justizsystems hat die vollständige Straffreiheit dieser Menschenrechtsverletzungen ermöglicht.

Die Empfehlungen

An erster Stelle der Empfehlungen der Wahrheitskommission steht ein „Nationales Wiedergutmachungsprogramm“, das neben einer finanziellen Unterstützung vor allem darauf ausgerichtet sein soll, den Opfern „ihre Würde“ zurückzugeben. Dies schließt die massive Verbreitung des Berichts in Guatemala ein, um klarzustellen, wer die Schuldigen des Terrors der Vergangenheit seien. Der Staat soll die Exhumierung von Massengräbern fördern, um eine würdige Bestattung der Toten zu ermöglichen und das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären.
Die wohl schwerwiegendste Empfehlung sieht die Strafverfolgung der für Völkermord und Folter Verantwortlichen vor, beides Verbrechen, die vom Amnestiegesetz von 1996 ausdrücklich ausgenommen sind. Zudem soll die Armee von an Menschenrechtsverletzungen beteiligten Offizieren gesäubert werden.
Der Justizapparat muß reformiert und gestärkt, die Aufgaben der Armee auf die Landesverteidigung beschränkt werden.
Sowohl Präsident Alvaro Arzú als auch die frühere Generalkommandantur der URNG sollen ihre Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit anerkennen und die guatemaltekische Gesellschaft um Verzeihung bitten. Es soll eine Kommission geschaffen werden, die sich für die Umsetzung der Empfehlungen des Wahrheitsberichts einsetzt.

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