Diese höllische kleine Republik
Washington winkt mit Dollarmilliarden für ein „Post-Castro-Cuba“
„Ich bin so wütend auf diese höllische kleine kubanische Republik“, rief US-Präsident Theodor Roosevelt im Jahre 1906 aus und brachte das Problem der USA südlich von Florida auf den Punkt: „Alles was wir von ihnen wollen, ist daß sie sich benehmen und wohlhabend sind und glücklich sind, so daß wir uns nicht einmischen müssen. Und jetzt, Gott sei’s geklagt, (…) haben wir keine andere Wahl, als zu intervenieren.“
Viel verändert hat sich nicht in 90 Jahren. Immer noch benimmt sich die kleine kubanische Republik daneben. Und noch immer sind die USA der Meinung, daß sie keine andere Wahl haben, als sich einzumischen, um den KubanerInnen zu Wohlstand und Glück zu verhelfen. Acht Milliarden Dollar würden die USA für ein von Castro befreites Kuba bereitstellen, so Präsident Clinton in seinem jüngsten Bericht an den US-Kongreß mit dem Titel „Hilfe für den demokratischen Übergang in Kuba“.
So weit das Zuckerbrot, mit dem versucht wird, die KubanerInnen auf der Insel und die öffentliche Meinung der restlichen Welt zu beeindrucken. Letzteres mag derzeit vielleicht sogar der wichtigere Punkt für Washington sein. Denn seit der US-Kongreß vor einem Jahr das sogenannte „Helms-Burton-Gesetz“ verabschiedet hat, das die bisherige Blockade-Politik der USA gegen Kuba nicht nur weiter verschärft, sondern die Sanktionen auch über die Grenzen der USA hinaus auf Firmen anderer Länder ausweitet, haben die USA noch mehr Probleme als zuvor, dem Rest der Welt ihre Kuba-Politik schmackhaft zu machen. Die Europäische Union rief bereits die Welthandelsorganisation (WTO) an, in der Hoffnung, daß das dortige Schiedsgericht das Gesetz für unrechtmäßig erklärt. Auch in den USA mehrt sich die Kritik am Helms-Burton-Gesetz. Der republikanische Kongreßabgeordnete Jim Kolbe nannte das Gesetz „einen Fehler“, bei dem die USA „nur verlieren“ könne. In die gleiche Kerbe hieb Wayne Smith, der unter Jimmy Carter einst Leiter der US-amerikanischen Vertretung in Havanna war: „Das Helms-Burton-Gesetz bereitet uns mehr Probleme als Fidel Castro“. Unter Ronald Reagan hatte Smith seine Stelle aufgegeben. Seitdem agiert er als unermüdlicher „Mr. Entspannungspolitik“ in Sachen US-amerikanischer Kuba-Politik. Ein Jahr nach der Verabschiedung des Helms-Burton-Gesetzes organisierte er nun zusammen mit dem Center for International Policy in Washington, dem in Madrid ansässigen Lateinamerika-Institut der EU, IRELA, und der Fondation Canadienne pour les Amériques (FOCAL) eine große internationale Konferenz in der US-Hauptstadt. Gegenstand: die Auswirkungen des Gesetzes und die Aussichten für eine etwaige Rücknahme. Zudem sollte ein Weg zu einer verträglicheren Kuba-Politik der USA aufgezeigt werden.
Allzu große Hoffnungen sollte man sich auf letztere indes nicht machen, so der Eindruck nach drei Konferenztagen, einem halben Dutzend Podiumsdiskussionen und zahllosen Redebeiträgen. Weder der Schiedsspruch der WTO, noch der Widerstand der Europäischen Union wird die Kuba-Politk der USA maßgeblich ändern. Klar ist, daß der „extraterritoriale Effekt“ des Helms-Burton-Gesetzes, das einem nationalen Gesetz der USA Geltung in anderen Ländern verschaffen will, für die anderen Staaten inakzeptabel bleibt. Auch ist mit einiger Sicherheit eine Verurteilung der USA durch das Schiedsgericht zu erwarten, ist das Gesetz doch ein elementarer Verstoß gegen die Regeln des Welthandels.
Zum „Showdown zwischen den USA und Europa“, wie es die Financial Times unlängst auf ihrer Titelseite hochstilisierte, wird es deswegen kaum kommen. Zunächst werden die USA den Schiedsspruch der WTO eine ganze Weile verzögern, und, wenn sie ihn eines Tages nicht mehr verhindern können, einfach ignorieren. Stuart Eizenstat, Clintons smarter Sonderbeauftragter in Sachen Helms-Burton, kündigte auf der Konferenz schon recht unverblümt die technisch-legale Ausrede dafür an: Die USA werden sich auf die Klausel berufen, daß ein Land nicht an den WTO-Spruch gebunden ist, wenn die „nationale Sicherheit in Gefahr“ ist. Daß dies im Falle des europäischen Handels mit Kuba offensichtlich ein absurdes Argument ist, spielt keine Rolle. Was die nationale Sicherheit der USA gefährdet oder nicht, so Eizenstat, entscheide allein die USA.
„Die Antwort unserer Verbündeten war extrem positiv!“
Von den Regierungen Europas, Kanadas und Lateinamerikas wird es dann den obligatorischen Protest geben. Aber bereits jetzt sind Zeichen der Resignation zu erkennen. Schon längst wird nicht mehr die Rücknahme des Gesetzes gefordert (weil die nicht realisierbar erscheint), sondern nach einem Modus Vivendi mit dem Helms-Burton-Gesetz gesucht. Stuart Eizenstat präsentierte dann auch stolz den Punktsieg der USA: Helms-Burton hat zwar dazu geführt, daß die EuropäerInnen geschlossen gegen die Ausweitung der Embargo-Bestimmungen auftreten; gleichsam als Kompensation und Beweis dafür, daß sie aber keinesfalls „soft on Castro“ seien, hat die EU jedoch eine spürbare Verhärtung ihrer Politik gegenüber Kuba als „Gemeinsame Position“ verbindlich festgeschrieben. So ist eine erhöhte Wirtschaftshilfe sowie der Abschluß eines Kooperationsabkommens nun sehr viel expliziter als zuvor an „Fortschritte in Richtung Demokratie“ gebunden. Nicht nur für Spaniens konservative Aznar-Regierung, die diese Wende angeführt hatte, sondern auch für die EU insgesamt war Eizenstat des Lobes voll: „Die Antwort unserer Verbündeten war extrem positiv!“
Im Gegenzug belohnen die USA die EU lediglich damit, daß sie das Damokles-Schwert, daß Washington mit dem Helms-Burton-Gesetz über sie verhängt hat, nicht in vollem Umfang herabsausen lassen. Dies betrifft das von den Kuba-Investoren besonders gefürchtete Kapitel III des Helms-Burtons-Gesetzes, das exilkubanischen AlteigentümerInnen das Recht gäbe, vor US-Gerichten europäische Firmen wegen unrechtmäßiger Nutzung ihres einstigen Besitzes zu verklagen. Präsident Clinton hat bisher von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Anwendung dieses Kapitels für jeweils sechs Monate auszusetzen. Damit bleibt es zwar weiter außer Kraft – aber als Drohung permanent im Raum. Und Eizenstat nutzt dies munter aus: Wenn die Europäer weiterhin ihre politische Position gegenüber Kuba verhärten – „ihre Bemühungen um die Demokratisierung in Kuba verstärken“, heißt es im O-Ton – würde Clinton auch in Zukunft dieses Klagerecht unter Kapitel III aussetzen. … Der Deal ist einfach. Wer will, kann dies Diplomatie nennen, wer will, Erpressung. Dan Fisk, der jung-dynamische Mitarbeiter von Jesse Helms, dem Hauptbetreiber des Gesetzes im US-Kongreß, wählte dafür diese charmanten Worte: „Die Konzentration der Gedanken eines Mannes wird ganz wundervoll erhöht, wenn er weiß, daß er in 14 Tagen gehängt wird.“
Eizenstat und Fisk erklären das Helms-Burton-Gesetz in seinem ersten Jahr zu einem vollen Erfolg. Sie führen dabei bemerkenswerterweise einzig die Veränderungen in der europäischen Politik an, nicht jedoch Erfolge bei der Demokratisierung Kubas, die ja angeblich doch Zweck des Gesetzes ist. In der Tat läßt sich da wenig vorweisen. Was kein Zufall ist, wie Wayne Smith meint: „Wann auch immer in der Vergangenheit die USA den Druck auf Kuba erhöht haben, war die Antwort der Regierung in Havanna eine stärkere Disziplinierung, eine Einschränkung der Spielräume und das Schließen der Reihen gegen den äußeren Feind. Und genau das ist wieder passiert: Seit Helms-Burton haben wir in Kuba eine Verhärtung der Situation erlebt, nicht einen Liberalisierungsprozeß.“
Diese Verhärtung bekommen im übrigen nicht nur die abweichenden Stimmen auf der Insel selbst zu spüren, sondern auch gerade die moderaten Kräfte in den USA: Nur wenige Wochen vor der Washingtoner Konferenz war in der New York Times ein Kommentar erschienen, der die Blockade-Politik der US-Regierung massiv kritisiert hatte, da sie jeglichen demokratischen Wandel in Kuba verhindere. Dies nahm Kubas KP im Zentralorgan Granma zum Anlaß für einen eigenen Leitartikel, der just diesen Anti-Blockade-Kommentar als gefährliche Subversion und ideologische Unterwanderung geißelte, um ihn im Schlußsatz gar als „eine Art der Kriegsführung“ einzuordnen (Granma Internacional, 22.1.97). Nein, auf beiden Seiten haben die Kräfte, die für eine Normalisierung und Entspannung der Beziehungen eintreten, derzeit keinen Rückenwind.
Der Ärger der US-Firmen
Der vielleicht wichtigste Verbündete für eine Aufhebung des US-Embargos gegen Kuba, so der Eindruck nach der dreitägigen Konferenz, sind nicht die Proteste der anderen Regierungen, sondern die Unternehmen der USA selbst. Genauer: die exportorientierten Firmen, für die die weltpolitischen Ambitionen der USA zunehmend das konkrete Geschäft behindern. Kuba ist dabei nur der prominenteste Fall, nicht der wichtigste. Seit 1993 wurden nicht weniger als 60 US-Gesetze verabschiedet, die in der einen oder anderen Form Handelssanktionen gegen insgesamt 35 Staaten von Afghanistan bis Trinidad und Tobago verhängen, wie Marino Marcich von der National Association of Manufacturers, dem Verband der US-amerikanischen Industrie, vorrechnete. Und die Liste wächst weiter. Firmen werden zunehmend als „unzuverlässige Lieferer“ betrachtet, teilweise werden sie sogar schon mit „Risikozuschlägen“ belegt: Eine kanadische Fluggesellschaft hat unlängst den Preis für ihre bei einer US-Firma geleasten Flugzeuge um mehrere Millionen nach unten gedrückt, weil diese ja Havanna nicht anfliegen dürfen – für den wachsenden Markt des kanadischen RentnerInnen-Tourismus‘ sind die kubanischen Strände ein wichtiges Ziel.
Eindrücklich bestätigte diese Kritik auch der Vizepräsident der US-amerikanischen Handelskammer, Willard A. Workman. Bei jeder x-beliebigen Krise, die eine politische Antwort verlange, würden als Ersatzhandlung inzwischen Wirtschaftssanktionen gefordert: Allein 1996 wurde die Rekordzahl von 125 Gesetzesvorlagen mit entsprechenden Sanktionsmaßnahmen eingebracht. Bei den export- und handelsorientierten Firmen in den USA macht sich daher langsam aber sicher Alarmstimmung breit. In einem Land, in dem der Satz „Was gut ist für General Motors, ist gut für die USA“ einst als berühmtes Leitmotiv der staatlichen Wirtschaftspolitik fungierte, wird der Kongreß nicht unbegrenzt gegen die Interessen von General Motors & Co. agieren können. Daß allerdings die Trendwende ausgerechnet mit einer Aufhebung oder zumindest Lockerung des Kuba-Embargos anfangen wird, erscheint eine allzu optimistische Annahme.
Kein Ende der Blockade in Sicht
Die politischen Kräfteverhältnisse im US-Kongreß und in der Regierung lassen kurzfristig kein Ende der Blockade-Politk erwarten. Vielleicht würde der Kongreß in vier oder fünf Jahren so weit sein, mit Mehrheit das Helms-Burton-Gesetz wieder aufzuheben, so die wenig euphorisch stimmende Einschätzung von Wayne Smith. Aber dann versucht er, selbst diesem noch etwas Positives abzugewinnen: „Immerhin werden die USA dann so viel an Öffnung und Investitionsmöglichkeiten verpaßt haben, daß sie nicht mehr die kubanische Ökonomie so dominieren wie vor der Revolution.“