GEWALT UND GESETZ: ECUADOR
Gewalt und Gesetz. Beginn einer Dokumentation geschlechtsspezifischer Rechtsprechung in 19 Ländern
Schwesterlichkeit “Wir Frauen sind die Kriegerinnen undeser Gemeinschaft”
Illustration: Shawna Pancarita Farinango, @shawnaf
Daten der ökumenischen Kommission für Menschenrechte (CEDHU) zufolge wurden in Ecuador zwischen dem ersten Januar und dem 18. November 2019 95 Feminizide begannen. Dies entspricht einem Feminizid alle 70 Stunden. In drei der 95 Fälle hatten die Frauen schon eine sogenannte boleta de auxilio bei den Behörden beantragt. Diese Notfallkarte soll es Betroffenen häuslicher Gewalt erleichtern, in Notsituationen polizeiliche Hilfe zu erhalten.
Einem Bericht der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen von 2019 zufolge hat Ecuador in Bezug auf die Gesetzeslage in den letzten Jahren deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Im Strafgesetzbuch wird Gewalt gegen Frauen und andere Mitglieder der Familie je nach Schwere kriminalisiert. Neben dem Feminizid als maximalem Ausdruck von Gewalt gegen Frauen sind dort auch andere Formen von Gewalt einschließlich physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt festgehalten. Als direkte Kritik an diesem Gesetz nennt die UN-Sonderberichterstatterin Dubravka Šimonović die Definition des Begriffs der Vergewaltigung, der nur auf der Anwendung von Gewalt beruht, nicht auf dem Fehlen von Konsens. Des Weiteren solle die Verjährungsfrist für die Anzeige von Vergewaltigungen verlängert werden, um die effiziente Einleitung von Strafverfahren zu ermöglichen, nachdem das Opfer volljährig geworden ist.
Weitere Kritikpunkte an der Gesetzeslage sind die Kriminalisierung von Abtreibung und die unzureichende Bereitstellung finanzieller Ressourcen zur Umsetzung der bestehenden Gesetze.
Anfang 2019 kam es in mehreren ecuadorianischen Städten zu Massenprotesten gegen sexualisierte Gewalt, Feminizide und Rassismus. Anlass für die Proteste waren zwei Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich in derselben Woche ereignet hatten. Die 35-Jährige Martha wurde Opfer einer Massenvergewaltigung in einer Bar im Norden von Quito. Martha sagte später aus, dass sie von drei befreundeten Männern betäubt und gefoltert worden war. Die 24-jährige Schwangere Diana wurde von ihrem venezolanischen Partner erstochen. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Verbrechens gab Präsident Lenín Moreno auf seinem Twitter-Account bekannt, dass er „Brigaden“ zur Kontrolle der Venezolaner in Ecuador angeordnet habe. Aktivist*innen verurteilten die rassistischen Äußerungen des Präsidenten, welche die Herkunft des Täters in den Vordergrund rückten, anstatt Gewalt gegen Frauen als solche anzuerkennen und den Opfern die Würdigung entgegenzubringen, die sie verdienen.
Dieser Text ist Teil der Übersicht Gewalt und Gesetz aus unserem Dossier ¡Vivas nos queremos! Perspektiven auf und gegen patriarchale Gewalt. Das Dossier kann hier heruntergeladen werden oder über unser Aboformular gegen Versandkosten bestellt werden.