Ein „Extremist des Optimismus“
Zum Tod des uruguayischen Schriftstellers Mario Benedetti
Einer der ganz Großen der lateinamerikanischen Literatur ist gegangen. „Mario war ein Extremist des Optimismus und der Hoffnung, ohne dabei seinen kritischen Sinn und seine tiefe Sorge um die Menschen zu vernachlässigen“, so sein Wegbegleiter, der Komponist und Sänger Daniel Viglietti, der seit 1978 die legendären Konzertlesungen „A Dos Voces“ (Mit Zwei Stimmen) mit Mario Benedetti bestritt. Und er war ein Mensch von beispielloser Bescheidenheit, wie ein anderer berühmter Freund, der Schriftsteller Eduardo Galeano, ihn charakterisierte: „Er war sich gar nicht bewusst, dass er Mario Benedetti war.” Am 17. Mai 2009 verstarb der im uruguayischen Paso de los Toros als Sohn italienischer Immigranten geborene Mario Benedetti in Montevideo. Er wurde 88 Jahre alt. Obwohl er schon seit längerem an Herzproblemen litt, war die Nachricht ein Schock für die meisten UruguayerInnen und für seine zahlreichen FreundInnen und LeserInnen in ganz Lateinamerika. Der uruguayische Präsident ordnete Nationaltrauer an und zehntausende seiner Landsleute aus allen sozialen Schichten nahmen im Parlamentsgebäude von ihrem geliebten Dichter, dem meist gelesenen Autor Uruguays, Abschied.
Benedetti, der selbst einmal bezeugte, „Mein erstes Gedicht schrieb ich auf Deutsch“, besuchte von 1928 bis 1933 die Deutsche Schule in Montevideo. Danach verdingte er sich als Autoersatzteilverkäufer, Buchhalter in einer Immobilienfirma und Angestellter im Wirtschaftsministerium. Von 1938 bis 1941 lebte er in Buenos Aires. Zurück in Montevideo, wurde er 1945 Redaktionsmitglied der linken Wochenzeitschrift Marcha, bei der er ab 1954 als literarischer Direktor arbeitete, bis das renommierte Magazin 1974 von der Militärregierung verboten wurde. Politisiert wurde Benedetti von der kubanischen Revolution, die er bis zu seinem Tode unterstützte – wofür er von einigen SchriftstellerkollegInnen kritisiert wurde. 1971 war er Gründungsmitglied der Bewegung der Unabhängigen 26. März, des politischen Arms der Stadtguerilla Tupamaros. Diese vertrat er von 1971 bis 1973 auch in der Linkskoalition Frente Amplio. 1973 wurde er von der Militärdiktatur ins Exil getrieben. Er flüchtete für kurze Zeit nach Argentinien, weitere Stationen waren Peru, Kuba und Spanien. 1983, noch zur Zeit der Militärdiktatur, kehrte er nach Uruguay zurück.
Im Alter von 25 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört der 1960 publizierte Roman Die Gnadenfrist. Zugleich Liebesgeschichte und Drama, behandelt das in 19 Sprachen übersetzte Werk das Leben eines Buchhalters kurz vor der Pensionierung. Unter dem Titel La Tregua („Der Waffenstillstand“) wurde es 1974 in Argentinien verfilmt. Ein anderes berühmtes Werk ist Montevideanos, ein ebenfalls 1960 veröffentlichter Sammelband von Kurzgeschichten, in dem Charakter und Stimmungen der uruguayischen Hauptstadt gespiegelt werden. Auch heute noch sind diese so oder so ähnlich in Montevideo zu beobachten und zu spüren. Mit seiner Rückkehr nach Uruguay begann die literarische Verarbeitung des Exils und vor allem des „desexilio“, wie Benedetti den Neuanfang in seinem Heimatland bezeichnete. Zu den wichtigsten Werken dieser Zeit zählen El amor, las mujeres y la vida, eine Sammlung von Liebesgedichten, und der Roman Andamios. Benedetti hat ein umfassendes Gesamtwerk von mehr als 80 Titeln hinterlassen, darunter Romane, Gedichtbände, Essays und Kurzgeschichten.