Nummer 199 - Januar 1991 | Panama

Ein Jahr unter US-geschützter Demokratie

Am 20.Dezember 1989 griffen US-Truppen Panama an unter dem Vorwand, de facto-Staatschef Manuel Noriega wegen Drogenhandels festnehmen zu wollen. Die Invasion wurde zunächst von der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt. Sie ver­sprach sich die Beendigung der brutalen Willkürherrschaft durch den Chef der “Panamaischen Verteidigungskräfte” sowie eine Beendigung des US-Wirtschafts­embargos und damit eine Besserung ihrer sozialen Lage. Die Invasion jedoch for­derte zahllose Opfer gerade unter der armen Bevölkerung und machte bald deut­lich, daß es den USA um etwas ganz anderes ging: um die Sicherung ihrer hege­monialen Position in Panama und im mittelamerikanischen Raum. Die Hand­lungsfähigkeit der neuen Regierung unter Präsident Endara ist durch die direkte Einflußnahme der USA eingeschränkt. Die Mehrparteien-Koalition an der Spitze des panamaischen Staates ist sich zudem in der Wirtschafts- und Militärpolitik uneins. In den letzten Monaten sieht sie sich wachsendem sozialem und nationa­listischem Protest gegenüber. Ihre Popularität ist drastisch gesunken.

Veit Hannemann

Regierung von US-amerikanischen Gnaden

Am Nachmittag des 20.Dezember 1989 wurden die drei Kan­didaten der Opposi­tion, Guillermo Endara, Ricardo Arias Calderón und Guillermo (Billy) Ford vom Chef der Südko­mandos der US-Streitkräfte nach Fort Clayton eingela­den. “Sind Sie bereit Ihre Posten einzunehmen?”, lau­tete dort die Frage an die panamaischen Politiker. Sie waren bereit. Heute besetzen die zuvor in der “Demokratischen Allianz der Zivilen Opposition” (ADOC) zusammengeschlossenen politischen Kräfte die wichtig­sten Regierungsposten. (siehe LN 193) Guillermo Endara, poli­tischer Zögling des großen Mannes der panamaischen Politik und Begründer des Panameñismo Arnulfo Arias, ist heute Präsident. Er ist es jedoch nur von “US-amerikanischen Gnaden”, denn mit einer verstärkten Besatzungsmacht im Land ist der Hand­lungsspielraum der Regierung eingeschränkt. Der Panameñismo, die über Jahrzehnte die panamaische Politik bestimmende Bewegung, befindet sich seit dem Tod seines Grün­dungsvaters Arias 1988 in der Krise. Inwischen ist er in vier Fraktionen zersplittert.
“Der Panameñismus ist in der Regierung, aber er hat keine Macht”, bestärkt Royo Linares, Rechtsanwalt und unabhängiger Politiker aus dem panameñistischen Lager, diese Tatsache und fügt hinzu: “Man muß kein besonders scharfer Beob­achter sein, um festzustellen, daß die Arnulfisten, die Endara begleiteten, nicht in hohen Führungspositionen zu finden sind, und daß die arnulfi­stische Basis durch die Parteien der Regierungsallianz verdrängt worden sind – insbe­sondere durch die Christ­demokratie, die bei den Wahlen 1989 (als die Arnulfi­sten selbst nicht zu den Wahlen zugelassen waren – V.H.) am meisten durch die Arnulfisten begünstigt wor­den ist.”
Tatsächlich haben die Christdemokraten (PDC) unter Füh­rung von Arias Calde­rón, dem jetzigen Ersten Vizepräsi­denten, zudem Justiz- und Innenminister, aus heutiger Sicht gute Chancen, die Partei der Zukunft zu sein. Sie sind die zur Zeit am besten organisierte Partei und erfreuen sich ausländischer Unterstützung.

Die Auseinandersetzungen um die Streitkräfte

Stolperstein könnte für die PDC jedoch der Aufbau der “Fuerza Publica” sein, die an die Stelle der alten Streitkräfte getreten ist. Dafür nämlich ist ihr Par­teiführer Calderón zuständig. Laut Dekret Nr. 38 soll den neuen “Öffentlichen Ordnungs­kräften” die Aufgabe zukommen, “die demokratischen Institutionen zu schüt­zen” und für den Fall eines “Krieges oder der Störung der öffentlichen Ordnung” die Einsatzkräfte zu verstär­ken.
Vielleicht die entscheidendste Konsequenz der US-Inter­vention war die Auflö­sung der panamaischen Streit­kräfte. Sie waren bisher Garant für eine eigenstän­dige panamaische Politik gewesen und seit Ende der 60er Jahre bildeten sie die ent­scheidende Machtstütze des nationalpopulistischen Regimes Omar Torijos’. Un­ter dem Namen “Panamaische Verteidigungskräfte” hatte Noriega in ihnen sei­nen bedeutendsten Rückhalt gefunden.
Der Christdemokrat Arias Calderón war bereits Mitte des Jahres heftig kritisiert worden, weil er Teile der alten Armee in die neuen Polizeikräfte übernehmen wollte. Obwohl die ehemaligen “Verteidigungskräfte” in vier polizeiliche Dienste unter getrenntem Kommando von Regierung, Justiz und Präsidentschaft gesplittet werden sollten, fürchteten die anderen politischen Kräfte, daß die Christdemokratie sich hier einen Garanten ihres eigenen “demokratischen” Pro­jektes heranziehen wolle. In den bisherigen “Fuerzas de Defensa de Panamá” (FDP) selbst finden sich unterschiedliche Interessensgruppen: die während der Noriega-Herrschaft exilierten Offi­ziere, die Offiziere, die an der Miltärrevolte am 16.März 1988 beteiligt waren, die Offiziere, die an der Militärerhebung vom 3.Oktober 1989 gegen Noriega mitwirkten und die Offiziere, die nach der Inva­sion die neue Regierung anerkannt hatten und mit ihr zusammenar­beiten woll­ten.
Inzwischen mußten bereits drei neu eingesetzte Chefs der Fuerza Publica entlas­sen werden.
Die Unruhe in den neuen Polizeikräften fand ihren Höhe­punkt in einem Mili­täraufstand am 5. Dezember. Der erst im September von seinem Posten als Chef der Fuerza Publica enthobene Eduardo Herrera hatte mit seinen Leuten das Haupt­quartier der panamaischen Staatspolizei besetzt. Nach kurzer Zeit umstellten US-Truppen jedoch das Gebäude und bereiteten dem Aufstand ein rasches Ende. Der ehemalige Oberst der panamaischen Streitkräfte war Mitstrei­ter Manuel Noriegas gewesen. 1988 wurde er von diesem jedoch auf einen Bot­schafterposten nach Israel abgeschoben. Im Verlaufe desselben Jahres noch organi­sierte er einen von der CIA geplanten Putsch gegen Noriega. Nach dessen Scheitern lebte Her­rera in Miami und kehrte am 20.Dezember mit den US-Invasi­onstruppen in seine Heimat zurück. Im Oktober nun war er unter dem Vorwurf, er plane die Desta­bilisierung der Regierung Endara, in Haft genommen worden. Mit Unterstüt­zung von außen gelang ihm jedoch die Flucht von der Gefangenen­insel Coiba. Es sei ihm um eine bessere Besoldung der neuen “Öffentlichen Ord­nungskräfte” gegangen, die ihn zu ihrem neuen Sprecher ernannt hätten. Er wolle mehr Respekt gegenüber dieser Institu­tion erreichen und fordere eine nationalisti­schere Hal­tung der neuen Führung. (Siehe dazu den Kommentar im Kasten)

Die Wirtschaftspolitik der Regierung

Der aus der als neoliberal bekannten Molirena-Partei kommende Guillermo Ford ist als Planungsminister für die Wirtschaftspolitik der Regierung Endara verantwort­lich. Er setzt mit seiner Politik auf totale Liberali­sierung und Deregu­lierung der Wirtschaft. Der Wieder­aufbau des durch das Wirtschaftsembargo der USA und die spätere Invasion stark geschädigten Landes soll durch die Steige­rung der Exporte, die Privatisierung der Staatsbetriebe und den Abbau gewerk­schaftlicher Rechte erreicht werden.
Folgt die Wirtschaftspolitik der Regierung auch in Zu­kunft der von “Billy” Ford vorgelegten “Nationalen Strategie zur Entwicklung und Modernisierung”, so steht die Liberalisierung des Arbeitsmarktes oben an. Der Codigo de Trabajo, also die arbeitsrechtlichen Bestim­mungen, Errungenschaft aus den Zeiten des Torrijismus, sollen abgebaut werden. Im Dokument heißt es wörtlich: “Die Politik der frühzeitigen Pensionierung, die exzes­sive Erweiterung staatlicher Beschäfti­gung und die Aus­dehnung der Schulpflicht haben das Arbeitsangebot redu­ziert, indem man Personen im arbeitsfähigen Alter vom Arbeitsmarkt abgezogen hat.” Hier ist zugleich eine weitere wirtschaftsstrategische Linie angedeutet: Die Pri­vatisierung der Staatsbetriebe – auch über die “Deregulierung” der Kanalzone selbst wird bereits dis­kutiert – und der Abbau sozialer Leistungen. Wirt­schaftswachstum erhofft sich die Regierung allein durch die Expansion der Exporte. Innerhalb von nur drei Jah­ren sollen dagegen alle Schutzzoll-Maß­nahmen für ein­heimische industrielle und landwirtschaftliche Produ­zenten fal­lengelassen werden.
Panamas Außenschuld beträgt knapp 7 Mrd. US-Dollar und gegenüber den internationalen Finanzorganisationen ist die Position der panamaischen Regie­rung nicht minder deutlich: “Panama erkennt die gesamte existierende Ver­schuldung an und wird in Verhandlungen versuchen, die weitere Begleichung der Schuld zu klären”, soweit das ministeriale Dokument. Diese wirtschaftliche Strategie spiegelt sich in einer Übereinkunft zwischen der pana­maischen Regie­rung und der US-amerikanischen Behörde AID wider, in der die wirtschaftliche Hilfe des “großen Bruders” festgelegt wurde. In diesem “Programm zur wirt­schaftlichen Wiederbelebung” finden sich zwei be­deutende programmatische Aussagen: Die Normalisierung der Beziehungen zu den internationalen Fianzorganisa­tionen (IWF und Internationale Bank für Wiederaufbau und Ent­wicklung BID) und die Unterstütung des Investi­tionsetats der panamaischen Regierung. Dazu gehörten bisher: eine Zahlung von 130 Mill. US-Dollar, um die ausstehenden Zahlungen Panamas bei den internationalen Finanzorganisationen begleichen zu können, sowie wei­tere 113,85 Mill. US-Dollar in drei Tranchen, um die Investitionstätigkeit der Regierung zu steigern. Im Vergleich dazu belaufen sich die Schäden, die Panama durch das US-Wirtschaftsembargo und die darauf­folgende Invasion entstanden sind, auf ca. 4 Mrd. US-Dollar.
In den letzten Monaten ist es in der Regierung und im Parlament zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien gekommen. Das natio­nale Unterneh­mertum in Industriesektor und Landwirtschaft kriti­siert heftig die Pläne der Regierung. Für sie würde der Wegfall der Zollprotektion das Ende bedeuten. Nach den vollmundigen Versprechungen der US-Regierung über wirt­schaftliche Hilfe sind sie über die bisher erfolgten Zahlungen enttäuscht.
Die katastrophale soziale Lage der Masse der Bevölke­rung ist unübersehbar. Die Entlassung von 20 000 Beschäftigten – nach Angaben der Gewerkschaft der Staatsangestellten (FENASEP) gibt es allein in diesem Sektor inzwischen 5000 Beschäftigte weniger – hat die Arbeitslosigkeit drastisch ansteigen lassen. Sie liegt nach Angaben der Nachrichtenagentur IPS inzwischen bei 40% und betrifft bereits 308 000 Personen. Von der Ar­beitslosigkeit besonders betroffen sind außer den Staatsangestellten die im Handel Beschäftigten im Zen­trum der Hauptstadt. Hier waren die meisten Läden nach den umfassenden Plünderungen in den Tagen nach der Invasion von den Unternehmern ganz geschlossen worden. Selbst nach Angaben des Ökonomen und Assessors von Arias Calderón leben in Panama zur Zeit 112 500 Fami­lien in extremer Armut. Das sind ca. eine halbe Million Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von nur 2,37 Mil­lionen (Stand 1989). Aufgrund der angespannten sozialen Lage hat sich die Anzahl der Dieb­stähle, bewaffneten Raubüberfälle auf Banken und Lebensmittelgeschäfte und Morde stark erhöht. Die Polizei kann die Sicherheit auf den Straßen nicht mehr garantieren. Im Distrikt San Miguelito und Colón, in denen die meisten Delikte ver­übt wurden, haben sich bereits bewaffnete Bürgerwehren gebildet. Juan Champsaur, Direktor des “Nationalen Systems zum Schutz der Zivilbevölke­rung” (SINAPROC) zeigt sich besorgt: “Wenn sich diese Entwicklung fort­setzt, kann es zur Bildung von Todesschwadronen kom­men.”

Wachsender nationalistischer Widerstand und sozi­aler Protest

Die Proteste der Bevölkerung gegen die Regierungspoli­tik haben sich in den letzten Monaten verstärkt. Bis Mitte des Jahres hatten bereits die Kriegsflücht­linge und Angehörigen der Opfer durch vereinzelte Demonstra­tionen auf ihre miserable Lage aufmerksam gemacht. Stu­denten waren für bessere Ausbil­dungsbedingungen auf die Straße gegangen, ebenso wie Krankenschwestern und Ärzte für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Bishe­rige Höhepunkte waren die Großdemonstration am 4. Dezember, bei der ca. 100 000 Menschen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die Anwesenheit der US-Trup­pen in Panama demonstrierten. Zum 24-stündigen Generalstreik am 5. Dezember riefen 68 Gewerkschaften gemeinsam auf. Sie bildeten eine einheitliche Front gegen die Regierungspolitik.
Zwar hat sich die Protestbewegung verbreitert, dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Oppositionsbewegung noch ganz am Anfang eines Erneue­rungsprozesses befindet. So ist die Gewerkschaftsbewe­gung erneut gespalten. Wie bereits unter der Noriega-Diktatur unternehmen erneut einige Gewerkschaften den Versuch einer Reorganisierung der Gewerkschaftsarbeit. So haben sich verschiedene Gewerkschaften der Staatsan­gestellten, der Eisenbahner, der Hafenarbeiter und Uni­versitätsangestellten sowie der “Central Auténtico de Trabajadores Independientes” (CATI) zur “Unión General de Trabajadores” (UGT) zusammengeschlossen. Sie machen Front gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung, die geplanten Veränderungen der Arbeitsbestimmungen, for­dern ein Moratorium für die Schuldenzahlung und für die Entschädigung der Kriegsflücht­linge. Ihr Ziel ist es, “die Gewerkschaftsbewegung von jenen Führern zu be­freien, die sie 18 Jahre lang an ein Projekt gebunden haben, daß von den Kasernen aus für den Rest der pana­maischen Gesellschaft vorgezeichnet worden ist”. Eine Absage an den Torrijismo also und an die Gewerkschaftsfüh­rer, die mit Noriega kollaborierten. Aber bis zum Auf­bau einer autonomen Gewerkschafts­bewegung ist es noch ein langer Weg.

Kasten

Panama – ein Jahr danach

Im folgenden dokumentieren wir in Auszügen einige Einschätzungen des Sozial­wissenschaftlers Raúl Leis vom “Centro de Estudios y Acción Social” (CEASPA) zur letzten Militärrevolte und zur Rolle der Opposition in Panama.
Die Opposition des Volkes
Die Regierung wurde bisher von der Nichtexistenz einer relevanten und organi­sierten Opposition begünstigt, die es versäumte, die Schwäche der Regierung Endara auszunutzen. Der “Partido Revolucionario Democratico” (PRD), die die Regierung Noriegas stützte, befand sich in einem Zustand politischer Lähmung. Die Linke war schwach und gespalten und die Volksbewegung war unorgani­siert und in den Jahren der Diktatur kooptiert. Jeden zwanzigsten des Monats gab es jedoch Protestdemonstrationen gegen die Invasion, und es entwickelten sich Mobilisierungen zu bestimmten Themen. Diese verschiedenen Aktionen gewannen an Kraft, bis in der Koordination eine Einheit verschiedener Kräfte erreicht wurde, die fast ein Jahr nach Invasion zu einem Generalstreik aufrufen konnten, der materielle Forderungen mit dem Einklagen der nationalen Souverä­nität verband. Die Regierung und die USA sahen sich also mit einer kohärent organisierten Opposition konfrontiert, organisiert jedoch eher als soziale (Volksorganisationen und -gruppen), denn als politisches Subjekt (Parteien, Avantgarde) Dieses Subjekt besaß außerdem eine Volks- und in gewissem Sinne nationale Identität. Das heißt, es handelte sich nicht um eine “trinkbare” und moderate Opposition, in der Lage, die Regierung zu stellen, sondern um eine schwarze, indianische und arme Opposition mit patriotischem Geist.
Das Manöver
Es war also nötig, diese Opposition aufzuhalten. Wie das aber in einem Moment anstellen, in dem die Popularität der Regierung extrem niedrig ist? Eine “Verschwörung” in die Wege leiten, beide Sachen zusammenbringen: Putsch und Streik, und die soziale Bewegung, die sich um die Koordination gebildet hat, praktisch außerhalb des Gesetzes stellen.
Das erklärt die merkwürdige Flucht des Oberst Herrera aus einem Gefängnis, das von US-Basen umgeben ist, seine Erhebung mit einer Gruppe von Leuten, die außerdem nur grundlegedne materielle Forderungen stellten und nicht an die Macht drängten. Diese Aktion beeinträchtigte den Streik, denn viele fürchteten ihre Entlassung und wollten sich nicht an einer aufrührerischen Bewegung betei­ligen. Dafür gab es einen Vorläufer, als am 16. Oktober eine große Gewerk­schaftsdemonstration stattfand, die zur Gründung der Koordination führte: Die Regierung beschuldigte Herrera der Konspiration (er wurde daraufhin festge­nommen) und bezog Gewerkschaftsführer in die Anschuldigung mit ein.
Es ist gut, sich daran zu erinnern, daß sich Herrera in den letzten Monaten des Noriega-Regimes in der Opposition befand und, daß er mit der Zustimmung der USA sieben Monate lang die neue Polizei leitete, bis es zu Reibungen zwischen ihm und Endara kam.
Aber es gibt Schüsse, die nach hinten losgehen. Die Mehrheit der Panameños und Panameñas wies das Manöver zurück und empfand die Militäraktion der USA wie “einen kleinen 20. Dezember”. Unter dem Strich blieben ein Toter und mehrere Verletzte, Ausgangssperre in einem Armenviertel und die Bevölkerung, die lautstark gegen die Präsenz der USA protestierte. Die Regierung Endara stellte erneut ihre Unfähigkeit, Schwäche und Abhängigkeit unter Beweis, da sie wiederum auf ein ausländisches Heer zurückgreifen mußte, während sie pro­klamierte, daß die Militärs der panamaischen Polizei der Regierung loyal gegenüberstünden. Das Manöver scheint das Markenzeichen des Geheimdienstes des Südkommandos zu tragen, der wegen seiner Effizienz bei verschiedenen Gelegenheiten militärische Preise erhalten hat.
Panorama
Ein Jahr nach der Invasion ist Panama ein besetztes Land mit einer bevormun­deten Regierung, die entschlossen ist, eine gegen das Volk gerichtete antinationale Politik der Strukturanpassung zu betreiben. Wir haben eine immer elitärere und begrenztere Demokratie, die den sozialen Akteuren immer weniger Spielraum läßt. Andererseits nehmen die Proteste und das Organisationsniveau zu, aber es handelt sich um Proteste, die wenig Alternativvorschläge entwickeln; eine Situation, die anscheinend für viele Länder gilt.
Ein Jahr nach der Invasion fehlt Panama das wichtigste Attribut einer Nation: seine Souveränität. Ohne sie hat eine Nation keine Seele. Die USA halten entgegen völkerrechtlichen Verträge das Land militärisch besetzt – auf Bitte einer Regierung, die zwar gewählt war, aber auf dem Teppich einer Invasion zur Macht kam und in einer nordamerikanischen Militärbasis vereidigt wurde. Die USA bestimmen den Ablauf auf der offiziellen Bühne, die US-Obristen begleiten die Minister auf den Reisen ins Landesinnere und setzen sich als Berater in den öffentlichen Institutionen fest. Um einen Diktator zu stürzen, ruinierten die USA ein Land, verteiften die Armut, entzogen einer Regierung die Legitimität, die sie ursprünglich besaß, und machte aus einer Nation ein Protektorat und eine Kolonie. Panama, das in der Zeit der Torrijos-Carter-Verträge eine Art Test für eine neue Form der Zusammenarbeit war, wurde in der Ära Bush-Noriega-Endara zum Schauplatz eines blutigen Konflikts.
Ein Jahr nach der Invasion lebt Panama. Der Schaum auf dem Bier ist abgesunken. Viele Panameños und Panameñas, die Invasion und Befreiung verwechselten, sehen jetzt klar. Wir werden immer mehr, die wir ein freies Vaterland ohne ausländische Herrschaft wollen, ein Land, in dem das Volk sein Schicksal selbst bestimmt und eine wirkliche Demokratie.
Raúl Leis / Übersetzung: Jürgen Weller


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