Ein neues Kapitel der Vergangenheitsbewältigung
Menem bedankt sich für den “Schmutzigen Krieg”
Wenige Wochen zuvor hatte Präsident Menem den Senat bereits dafür kritisiert, daß er die Beförderung zweier Marineoffiziere abgelehnt hatte. Die beiden hatten sowohl ihre persönliche Beteiligung, als auch die der gesamten Marine an systematischen Folterungen in den siebziger Jahren, sowie an der Ermordung zweier französischer Nonnen zugegeben. Vor mehreren hundert Offizieren des Heeres wurde der Staatspräsident Anfang November aber noch deutlicher: “Dank der Anwesenheit der Armee und der Polizei konnten wir den “Schmutzigen Krieg” gewinnen, der unsere Gesellschaft an den Rand der Auflösung getrieben hatte.”
Aufschrei der Empörung
Als Reaktion auf seine Äußerungen schloß die Menschenrechtsorganisation ADPH (Asamblea Permanente por los Derechos Humanos) Menem aus, mit der Begründung, er habe den Staatsterrorismus gerechtfertigt. Prominente Mitglieder der ADPH sind unter anderem Ex-Präsident Raúl Alfonsín und der Schriftsteller Ernesto Sábato, der die staatliche Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur als Präsident der Untersuchungskommission CONADEP geleitet hatte. “Die Tatsache daß diese Rechtfertigung der Diktatur von derjenigen Person ausgesprochen wurde, die das höchste Amt im Staat innehat, ist unübersehbar schwerwiegend” unterstreicht die Stellungnahme der ADPH. “Der Präsident hat so Entführungen, Folter, Attentate, Exil, Kindesraub und Verkauf derselben als Kriegsbeute und andere irrsinnige Vorkommnisse gerechtfertigt. Alle waren Teil der Machtaneignung durch Waffengewalt, die die Diktatur als System etablierte und aufrechterhielt sowie zuließ, daß der Staatsterrorismus das Land regierte.”
Auch die Familienangehörigen der über 20.000 Verschwundenen und ihre politischen und juristischen VertreterInnen protestierten gegen die Äußerungen Menems. “Damit hat er uns ins Gesicht gespuckt. Das ist wirklich sehr schwerwiegend”, äußerte sich Julio César Strassera, Bundesstaatsanwalt bei den Prozessen gegen die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen.
“Illegale Praktiken”
Menem warf der Menschenrechtsorganisation Böswilligkeit und bewußte Falschinterpretation seiner Worte vor. “Die mich heute ausschließen, das sind dieselben, die damals die Subversion und die Guerilla unterstützten.” Er habe nicht die Folter gerechtfertigt, aber auf beiden Seiten des Krieges seien “illegale Praktiken” angewendet worden. Fünfzehn Jahre lang habe Argentinien Anschläge überall im Land erleben müssen, die sehr viele Tote, Verschwundene und Verletzte verursacht hätten, “aber glücklicherweise kam es zur totalen Konfrontation gegen die Subversion aufgrund des Entschlusses der Präsidentin Perón”.
Er betonte, daß er sich als damaliger Gouverneur der Provinz La Rioja hinter die Entscheidung der Regierung Isabel Perón gestellt habe, der Armee die “Vernichtung” der Guerilla zu befehlen.
Meinungswechsel half nicht
Der heutige Militärfreund Menem hatte zu Beginn der siebziger Jahre noch zu den VerteidigerInnen der peronistischen Guerilleros/as, speziell der Montoneros gehört, sogar noch nach seiner Wahl zum Gouverneur 1973. Als deutlich wurde, daß die Aktionen des rechtsperonistischen Flügels nicht nur im “Schmutzigen Krieg” gegen die Guerillaorganisationen bestanden, der mittels Terrororganisationen wie der Triple A (Antikommunistische Allianz Argentiniens) geführt wurde, änderte Menem schnell seine Meinung Denn auch Gouverneure, die als Symphatisanten der peronistischen Guerilla und ihrer linken Jugendorganisationen galten, sollten aus dem Amt gejagt werden. Trotz seines Meinungswechsels wurde Menem weiterhin als “Subversiver” bezeichnet, so daß er schließlich verhaftet wurde und selbst fünf Jahre im Gefängnis verbrachte.
Ein Projekt der Zukunft
Carlos Menem hat schon bald nach seinem Amtsantritt 1989 versucht, das Verhältnis zwischen Staat und Militär durch immer weiterreichende Zugeständnisse an das Militär zu verbessern. Das wichtigste dieser Zugeständnisse war die Amnestierung der wenigen Militärs, die für ihre Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis saßen.
Der jüngste Konflikt über Solderhöhungen konnte jedoch nicht zur Zufriedenheit der Militärs gelöst werden, da Wirtschaftsminister Cavallo sich dem hartnäckig widersetzte. Umso wichtiger ist es deshalb für die “Wiederbelebung des Paktes zwischen Staat und Militär”, welche Menem sich wünscht, die Militärs wenigstens in ihrem Selbstverständnis zu bestätigen. Dafür muß natürlich mit der Vergangenheit aufgeräumt werden. Für Menem gilt jetzt nur der Blick in die Zukunft. Um das zu illustrieren war ihm auch die Bibel nicht zu schade: Schließlich sei Ruth deshalb zur Salzsäule erstarrt, weil sie zurück geschaut habe.