Literatur | Nummer 227 - Mai 1993

Eine Wiener Melange

Kristina Nauditt

Das von der Kaffee-Kampagne El Salvador herausgegebene Lesebuch ist fürwahr eine bunte (Kaffee-) Mischung verschiedenster Informationen und Interviews mit VerliererInnen und GewinnerInnen des Kaffeekonsums. Wer dieses Buch in die Hand nimmt, sollte an die – leider auf dem Titelblatt des Buches nicht erscheinende – Bezeichnung “Lese – Buch” denken. Das Buch `El Salvador. Die Kaffeekolonie von innen’ birgt nicht die Geschichte eines beispielhaft ausgewählten Landes, das Kaffee produziert, und auch nicht die Geschichte eben dieses einen Landes, sondern gewährt einen Einblick in die wirtschaftlichen und sozialen Prozesse eines Gebietes, das von seinen `Entdeckern’ zur Kaffeekolonie erhoben – oder erniedrigt – wurde. Nach Erfahrungsgeschichten einzelner Kaffeepflücker-Innen, werden Interviews mit GewerkschafterInnen, VertreterInnen von Kooperativen, Kaffeebaronen und -baronessen und Kaffeevertreibern wiedergegeben. Gespickt wird das Ganze mit Zwischenbemerkungen der HerausgeberInnen.
Die ersten hundert Seiten des Buches wirken daher eher verwirrend. Eine Einführung hätte Abhilfe schaffen können, handelt es sich doch um ein Buch, das spannende Gespräche mit verschiedensten Menschen bietet, die alle am Wirtschaftsprodukt Kaffee beteiligt sind. Der Leser und die Leserin fragen sich zunächst nach dem Sinn dieses Buches, der sich erst mit einiger Aufmerksamkeit nach und nach erschließt: Die Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen des Kaffees – Konsumgut hier, einziges Arbeitsfeld dort – will die Perversion des Kaffees als marktwirtschaftliches Produkt enthüllen. Da schwindet die Lust auf einen Kaffee von “Jacobs” oder “Eduscho” schnell.
Für manche mag die Rolle der Röster und Endabnehmer in Europa und den USA in diesem Buch zu kurz kommen. Es bleibt auf die Probleme der “Kaffeekolonie” beschränkt. Es fehlt z.B. ein Interview mit einem hiesigen Vertreter der Kaffeeindustrie als eine zusätzliche Bohne der Wiener Melange.
El Salvador ist Beispiel für die Arbeitsweisen in der Branche, wenn auch ein besonderes Beispiel; denn ist es nicht gerade dieses Land, das sich mit seinem momentanen Friedensprozeß von einem Krieg befreien will, der auf die Herrschaft der Kaffeebarone zurückzuführen ist. Trotzdem ist die Darstellung der sich immer wiederholenden Geschichte des “einzigen Getränk(s) der Erde, ohne das ein Leben ärmer, die Welt weniger begehrenswert und mein Portemonaie üppiger gerundet wäre” (S. 115) notwendig und lesenswert. Durch die lebendige Darstellung bietet es eine gute Einführung in die Materie und regt zur weiteren Beschäftigung an.
Es bleibt die Frage nach der Zielgruppe dieses Buches. Einerseits ist es für die deutschen “Tschibo”-KaffeetrinkerInnen zu detailliert, andererseits wäre es ein Jammer, wenn es nur die kleine El-Salvador Solidaritätsbewegung liest.Trotzdem – hier unser Serviervorschlag: Dieses Buch mit einer heißen Tasse Kooperativen-Kaffee genießen !

Kaffeekampagne El Salvador: El Salvador – Die Kaffeekolonie von innen, Schmetterling-Verlag, 256 Seiten, DM 26.80, ISBN 3-926369-67-1

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