Chile | Colonia Dignidad | Nummer 514 - April 2017

ES TUT SICH WAS

Entschädigungen an Opfer der Colonia Dignidad beschlossen

Die erste Kammer des chilenischen Obersten Gerichtshofs beschloss am 14. März einstimmig, dass Nachfolgeorganisationen der Colonia umgerechnet 1,5 Millionen Euro Entschädigungszahlungen an Chilen*innen zahlen müssen, die Anfang der neunziger Jahre in der Deutschensiedlung sexuell missbraucht wurden.

Von David Rojas-Kienzle

Wie das Forschungs- und Dolkumentationszentrum Chile Lateinamerika (FDCL) in einer Pressemitteilung festhielt, seien die Entschädigungen bereits im Januar 2013 vom höchsten chilenischen Gericht festgelegt worden. „Die Nachfolgeunternehmen der Colonia haben versucht, die Entschädigungszahlungen zu verhindern, es ist begrüßenswert, dass das nicht funktioniert hat“, so Petra Schlagenhauf, die als Anwältin zum Thema arbeitet.
Mit dem Urteil vom 14. März scheiterte die Strategie der Unternehmen nun aber letztinstanzlich. Nach Angaben des FDCL handelt es sich um die ersten Entschädigungszahlungen an Opfer der Colonia Dignidad überhaupt. „Die Finanz- und Vermögenssituation der ehemaligen Colonia Dignidad wurde niemals umfassend untersucht“, so Jan Stehle vom FDCL. Kurz vor Ende der Diktatur in Chile (1990) übertrug die Siedlung ihre Vermögenswerte auf ein intransparentes Geflecht von geschlossenen Aktiengesellschaften und kam so einer Auflösung zuvor. Ein weiterer Teil des unter anderem durch Waffenhandel und sklavenähnliche Arbeit angehäuften Vermögens wurde im Ausland versteckt und bislang nicht aufgefunden. Trotzdem wurden die Nachfolgeunternehmen nach der Festnahme von Paul Schäfer mehrere Jahre lang sowohl vom deutschen als auch vom chilenischen Staat beraten und unterstützt.

Gleichzeitig gibt es auch in Deutschland Entwicklungen in Bezug auf die Colonia Dignidad. Renate Künast (B90/Grüne) und andere Abgeordnete der Grünen und der Linksfraktion stellten Ende März einen als Namensantrag ohne Fraktionszwang geschriebenen Antrag, der es Abgeordneten ermöglichen soll, „ihrem und seinem Gewissen“ folgen zu können, so die Abgeordnete der Linksfraktion Heike Hänsel gegenüber den LN. Dass der jetzige Antrag Unterstützung aus dem Regierungslager bekommen wird, ist unwahrscheinlich, denn die Regierungskoalition arbeitet nach Bekunden von Matthias Bartke (SPD) an einem eigenen Antrag. Dieser dürfte sich inhaltlich nicht stark von dem der Grünenpolitikerin unterscheiden, gibt es doch nach allseitigem Bekunden einen fraktionsübergreifenden inhaltlichen Konsens. Wie über diese Anträge entschieden wurde und ob und wann der Antrag der Regierungsfraktionen eingebracht werden soll, war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Nach der historischen Rede vom damaligen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der im April 2016 öffentlich gesagt hatte, der Umgang mit der Colonia Dignidad sei „kein Ruhmesblatt, auch nicht in der Geschichte des Auswärtigen Amtes“, gab es die Hoffnung, dass sich in Bezug auf die Aufarbeitung mehr tue als bisher. Schon 2002 allerdings hatte der Bundestag einen Beschluss formuliert, der bis heute auf Umsetzung wartet.

Hartmut Hopp, ein von einem chilenischen Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilter Sektenarzt, lebt unterdessen weiterhin straflos in Krefeld. Er hatte sich 2011 der chilenischen Justiz entzogen und in Krefeld niedergelassen. Die chilenische Justiz hatte bereits Mitte 2014 bei der deutschen Justiz beantragt, das Urteil in einem deutschen Gefängnis zu vollstrecken. Die Entscheidung darüber, ob diesem Antrag stattgegeben wird, liegt dem Landgericht Krefeld seit mehr als einem Jahr zur Entscheidung vor. Getan hat sich, wie so oft, wenn es um die deutsche Aufarbeitung der Colonia geht, noch nichts.

 

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