“Fujimori wird seinen Triumph ausspielen”
Gespräch mit Javier Diez Canseco, Abgeordneter der Vereinigten Linken
Kann man sagen, daß die MRTA in Sachen Geiselnahme ungewollt zum Triumph Fujimoris beigetragen hat?
Durch die Haltung von Cerpa und die Konzentration auf die Freilassung der Häftlinge wurde viel Zeit verloren, und diese hat die Regierung von Anfang an dazu benuzt, auf intelligente Weise die Befreiungsaktion vorzubereiten. Die Zeit hat ganz klar für die Regierung gespielt.
Doch das MRTA-Kommando hat doch deutlich seine Verhandlungs- bereitschaft zum Ausdruck gebracht. Hat diese auch Fujimori gehabt?
Ich glaube eine militärische Lösung war für Fujimori sehr wichtig, um sich von den Flekken, die die Geiselnahme auf seiner Weste und auf der enger Vertrauter, wie dem Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos, hinterlassen hat, wieder zu reinigen. Und der Präsident hat von Anfang an keinen Zweifel darüber gelassen, daß er keine politischen Themen verhandeln will, etwa ein Friedensabkommen mit der MRTA.
Wie stehen die Chancen Fujimoris für eine dritte Amtsperiode?
Er ist bereits voll dabei, die Grundlage dafür zu legen, sowohl im politischen als auch im rechtlichen Bereich. Doch die zwei Thesen von Fujimori: “Ich garantiere Stabilität und habe die Inflation im Griff” sowie “Ich bin fähig, ausländisches Kapital ins Land zu bringen” haben nicht mehr ihre frühere Gültigkeit. Die erste ist bereits völlig verbraucht und die zweite beginnt nun, ihren Nimbus zu verlieren, denn die Leute sehen wohl, daß ausländische Unternehmen in Peru investieren, aber sie sehen auch, daß das keine neuen Arbeitsplätze schafft, keine besseren Löhne, keine besseren Lebensbedingungen. Fujimori wird gegen diese Verschlechterung seines Images mit jenem autoritären und militärischen Populismus ankämpfen, der ihn charakterisiert. Vielleicht wird er das Geld, das aus den Privatisierungen hereingekommen ist, und andere Mittel für kurzfristige soziale Assistenzprogramme für die benachteiligten Bevölkerungsschichten einsetzten.
Seine für das Jahr 2000 geplante Wiederwahl ist ja nicht nur eine Frage der Machtgier. Es handelt sich auch darum, das Geschehene zu verbergen, denn nur durch die Fortdauer dieses Regimes kann die enorme gegenwärtige Korruption unaufgedeckt bleiben. Also je länger diese Regierung an der Macht bleibt, desto größer sind ihre Chancen, daß ihre Machenschaften straflos bleiben.
Und hat die Linksopposition eine Alternative dazu?
Die Opposition gibt es nicht. Es gibt die Oppositionen. Unter den Leuten, die mit Fujimori nicht einverstanden sind, gibt es sehr unterschiedliche Haltungen. Einige sind mit seinem Autoritarismus nicht einverstanden, anderen passen einige Personen in seiner Umgebung nicht, wieder andere opponieren gegen die extrem neoliberale Wirtschaftspolitik des Präsidenten. Es gibt also verschiedene Oppositionen. Was man so als Mitte-Links-Spektrum der Opposition bezeichnen könnte, befindet sich gerade am Beginn eines Meinungsaustausches, der meines Erachtens zahlreiche Schwächen hat. Eine zum Beispiel ist die Unfähigkeit, ein Alternativprojekt auszuarbeiten. Oder die Schwierigkeit, durch gegenseitige Abkommen zu einer Aktionseinheit zu gelangen. Und drittens die Tatsache, daß diese Regierung nicht nur korrupt ist, sondern auch korrumpierend, d.h. fähig, auf diese Weise die Opposition zum Schweigen zu bringen.
Welche andere Möglichkeiten einer Veränderung gibt es denn derzeit in Peru?
Nun, nachdem diese Geiselgeschichte vorüber ist, wird die Politik wieder in den Mittelpunkt des Geschehens und des Kampfes zurückkehren. Aber Fujimori wird seinen Triumph natürlich total ausspielen. In verschiedenen Medien hat schon eine Kampagne gegen jene begonnen, die sich gegenüber seinem Verhalten kritisch ausgesprochen haben, und das wird noch stärker werden.
Übersetzung: Werner Hörtner
aus: Lateinamerika Anders Panorama 5/97