Bolivien | Nummer 293 - November 1998

Fundgrube Vallegrande

Die sterblichen Überreste von Tania la Guerrillera ruhen an Ches Seite

Nur wenige Monate nach Erscheinen des Portraits von Tamara Bunke in den LN 287 vom Mai diesen Jahres, fanden kubanische Spezialisten die Leiche der 1967 erschossenen Guerilla-Kämpferin im bolivianischen Andenstädtchen Vallegrande – weniger als einen Kilometer entfernt von der Stelle, an der die Kubaner vor gut einem Jahr zum Erstaunen der Weltöffentlichkeit die Gebeine Che Guevaras freigelegt hatten.

Dirk Daniel Hoffmann

An einem trüben, windigen und kalten 19. September wurden die kubanischen Spezialisten in dem bolivianischen Andenstädtchen Vallegrande für ihre monatelange Ausdauer belohnt: Unter einer Erdschicht von nur etwa einem Meter Tiefe fanden sie die Leiche der vor 31 Jahren ermordeten Guerillera Tania.
Die am 19. November 1937 in Buenos Aires geborene deutsch-Argentinierin hatte zwei Jahre lang von La Paz aus das Eintreffen von Che Guevaras Gruppe aus Kuba vorbereitet und sich später selbst der Guerilla angeschlossen. Am 31. August 1967 war sie mit der gesamten Nachhut am Rio Grande in einen Hinterhalt gelockt und erschossen worden; es gab nur einen Überlebenden. Ihre Leiche wurde eine Woche später flußabwärts entdeckt und per Hubschrauber nach Vallegrande gebracht, einem kleinen Städtchen in den östlichen Andenausläufern Boliviens. Dort wurde sie von den Militärs auf Drängen einheimischer Frauen zunächst in einem Holzsarg auf dem Dorffriedhof beerdigt.

Ein namenloses Grab auf dem Dorffriedhof

Wenig später allerdings gruben Militärs die Leiche wieder aus, und seither fehlte jede Spur. Trotzdem hielt sich beharrlich das Gerücht eines namenlosen Grabes auf dem Friedhof, wo regelmäßig Touristen auf Spurensuche gehen. Der Friedhofswärter zeigt bereitwillig einen kleinen Hügel, den ihm wiederum einige Argentinier als die Stelle des Grabes gezeigt haben sollen, und fügt hinzu, daß er denselben regelmäßig aufschütte, damit er auch weiterhin zu sehen bleibe.
Die kubanischen Experten, die bereits im Juli vergangenen Jahres die Gebeine von Che Guevara und sechs seiner Gefährten unter dem ehemaligen Flugfeld von Vallegrande gefunden hatten, maßen den Gerüchten jedoch keine Bedeutung zu. Sie setzten ihre Suche und die Befragung von Zeitzeugen an anderen Stellen in Vallegrande fort. Und so wurde am 19. September wahr, woran viele nicht mehr geglaubt hatten: auf dem Gelände des Rotary-Clubs, gleich neben der Müllkippe, wurde der Sarg von Tamara Bunke gefunden. Erstaunlich gut erhalten sind ihre Schuhe, der Patronengürtel, BH und Slip – eben die Teile der Kleidung, die überwiegend aus Kunstfasern bestanden.
Im Laufe des darauffolgenden Tages wurde das gesamte Skelett sorgsam freigelegt, die Knochen beschriftet und letztlich alles zu weitergehenden Untersuchungen in das örtliche Krankenhaus gebracht. Obwohl die Kubaner nicht daran zweifeln, daß es sich bei der Leiche um Tamara Bunke handelt, wollen sie durch wissenschaftliche Untersuchungen eindeutige Sicherheit über die Identität der gefundenen Reste bekommen.
Wenige Tage später organisierte die Bevölkerung Vallegrandes eine Gedenkmesse für Tania und eine Prozession zu der Fundstelle am Ortsrand. Im Anschluß an die Feierlichkeiten, an denen etwa 100 Personen teilnahmen, wurde der Sarg dem Leiter der kubanischen Spezialisten, Jorge González, übergeben. González fungiert außerdem als Vertreter der Familienangehörigen von Tamara Bunke. Mit bewegter Stimme berichtet er von seiner Begegnung mit Tamaras Mutter Nadja, die im vorigen Jahr der Beisetzung von Che Guevara im Mausoleum von Santa Clara beigewohnt hatte. Auf den ausdrücklichen Wunsch der Mutter wird dort nun auch seine Weggefährtin Tania la Guerillera ihre entgültige Ruhestätte finden.
In Vallegrande bleibt die ausgehobene Grube nach einer Verordnung des Gemeinderates, ebenso wie die Fundstätte Che Guevaras und seiner Compañeros, als Ort des Gedenkens erhalten. Eine von Vallegrande geplante Gedenkstätte existiert momentan allerdings nur auf dem Papier, denn noch fehlt es der Stadtverwaltung an den nötigen Geldern.

Die Suche geht weiter

Für die Kubaner ist die Arbeit in Bolivien jedoch noch lange nicht beendet. Sie haben große Hoffnungen, auch die anderen sieben Guerilleros aus Tamaras Gruppe noch zu finden. Doch parallel dazu wird die Suche nach weiteren Toten in der Gegend von Lagunillas und Camiri ausgedehnt, wo Che’s Guerillafeldzug Ende 1966 seinen Anfang nahm.

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