Literatur | Nummer 589/590 - Juli/August 2023

Globale Schwesternschaft

Global Female Future erzählt, wie feministische Kämpfe Arbeit, Ökologie und Politik verändern

Von Sonja Schmidt

Anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens hat das österreichische Zeitschriftenkollektiv frauen*solidarität einen Sammelband herausgebracht. In sechs Kapiteln werden zentrale Fragen der feministischen Bewegung verhandelt: (Anti-)Rassismus und Postkolonialismus, Gewalt, Reproduktion, Politik, Arbeit, Umwelt und Klima. Es begann mit Empörung. 1982 fand sich eine Gruppe feministischer Aktivistinnen in Wien zusammen, um gegen die Frauenfeindlichkeit in der sogenannten Entwicklungshilfe aufzubegehren. Ihre Anliegen waren vielfältig: Es ging um das Recht auf Selbstbestimmung, aber auch darum, eine kritische Gegenöffentlichkeit zu patriarchaler Gewalt, Rassismus und Diskriminierung zu schaffen. Das war die Geburtsstunde der Zeitschrift frauen*solidarität. Von Anfang an war ein reger Austausch mit Menschen aus dem Globalen Süden Teil ihrer aktivistischen Arbeit. In der Zeitschrift, wie auch in den anderen Projekten im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit, wurden fortan klassische Themen des feministischen Diskurses erörtert, wie etwa sexualisierte Gewalt und Reproduktion. Zu Zeiten der großen Friedensdemos der 1980er Jahre forderten Menschen atomare Abrüstung und „neben dem Recht auf Frieden“ auch ihr Recht auf Mitbestimmung. Daraus ergaben sich Fragen nach Herrschaftsansprüchen und Umverteilung. Wie für viele andere soziale Bewegungen und politische Organisationen dieser Zeit wurde die internationale Solidarität die Basis für alle folgenden Aktivitäten der frauen*solidarität.

Auf dieses solidaritätsbewegte Netzwerk konnten die Herausgeberinnen von Global Female Future nun zurückgreifen. Es ist ihnen gelungen, ein vielstimmiges Buch mit Texten aus aller Welt und „ohne Glättung des Sperrigen“ zusammenzustellen. Selbstermächtigung als Gegenentwurf zu kolonialen Kontinuitäten, Widerstand gegen patriarchale Gewalterfahrungen, feministische Ökonomie als Antwort auf kapitalistische (Selbst-)Ausbeutung sind nur einige der Schwerpunkte. Darunter finden sich namhafte Autorinnen, Politikerinnen, Forscherinnen und Aktivist*innen wie Elisa Loncón, Gloria E. Anzaldúa, Verónica Gago, LASTESIS und viele andere.

Die verschiedenen Formate wie Essay, Manifest, Interview, Lyrik, aber auch wissenschaftliche Analyse, Reportage und Erfahrungsbericht sind eine abwechslungsreiche Lektüre. Infokästen ergänzen die Texte mit einem umfassenden Überblick zu einzelnen Initiativen und der Bewegung. Damit leistet Global Female Future einen wertvollen Beitrag zur feministischen Debatte. Der intersektionale Blick aus den verschiedenen Kämpfen wirkt inspirierend und birgt zugleich wertvolle Erfahrungen für Konfliktbewältigungen und Strategien zur Überwindung globaler Ungerechtigkeiten. Denn, so beschreibt es die peruanische Schriftstellerin und ehemalige Kongressabgeordnete Rocío Silva Santisteban, „(…) ein auf Fürsorge ausgerichtetes Leben ist etwas, das wir als zivilisatorischen Paradigmenwechsel in Betracht ziehen müssen: Es ist ein konkretes Handeln, das wir Frauen uns, vereint, auf der ganzen Welt auf unsere Fahnen schreiben müssen.“

Andrea Ernst, Ulrike Lunacek, Gerda Neyer, Rosa Zechner, Andreea Zelinka (Hrsg.) // Global Female Future // Kremayr & Scheriau // 220 Seiten // 24 €

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